Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Ziech, Melanie, verh. Bauer-Ziech

* 1. Dez. 1861 in Dresden, † 15. Sept. 1928 in Dresden, Harfenistin und Harfenlehrerin. Sie war die Tochter des Kgl. Kammermusikers und Harfenisten Carl Ziech (1833–1898) und seiner Ehefrau Marie geb. Deichmann. Von ihrem siebten Lebensjahr an wurde sie von ihrem Vater unterrichtet. Über ihre weitere Ausbildung ist nichts bekannt. In der Literatur ist ein Besuch des Harfenvirtuosen und Komponisten Karl Oberthür, der Melanie Ziech später Solitude op. 312 widmete, im Haus der Familie Ziech vor 1874 vermerkt.

Die Musikerin debütierte 1874 bei einem Konzert in Meißen und „errang sich stürmischen Beifall“ (Morsch, S. 186). Ihre Konzerttätigkeit als Solistin und Kammermusikerin konzentrierte sich überwiegend auf Dresden, allerdings lassen sich auch Auftrittsorte in Sachsen und Böhmen nachweisen, beispielsweise in Meißen (1874, 1875, 1880), Freiberg (1882), Zeitz (1883), Reichenberg/Liberec (1889), Warnsdorf/Warnoćicy (1892), Chemnitz (1910/11), Bautzen (1912) und Zittau 1914. Dennoch finden sich Rezensionen auch in überregionalen und teilweise sogar internationalen Zeitschriften. Letzteres betrifft insbesondere ihren Auftritt im Rahmen eines Konzerts von Marie Wieck im Jahr 1877 in Dresden. „A remarkable feature of the concert was the harp playing of Mdlle Melanie Ziech […]. The youthful artist played compositions by Parish Alvars und C. Oberthür with a taste and precision highly commendable“ (MusW 1877, S. 186).

Melanie Ziech fand im darauffolgenden Jahr an der Dresdner Hofkapelle eine Anstellung als Harfenistin und wurde 1885 „als Erste ihres Geschlechts, mit allen Pflichten und Rechten eines Kammermusikus bei der Dresdner Hofkapelle fest angestellt“ (Illustriertes Konversationslexikon der Frau, S. 181). Am 23. Apr. 1894 erfolgte die Ernennung zur Kammervirtuosin des Königs von Sachsen. 

 

Im Oktober 1887 heiratete Melanie Ziech den Flötisten Albin Bauer (1856–1897) und führte fortan den Doppelnamen Bauer-Ziech. Sie war weiterhin als Instrumentalistin aktiv und trat als Kammermusikerin, teilweise zusammen mit ihrem Ehemann, aber auch als Solistin in Erscheinung. Die lokale Presse berichtet regelmäßig von ihrem unermüdlichen Einsatz für das Dresdner Musikleben. Bis kurz vor ihrem Tod, 1926, war sie regelmäßig als Solistin in Konzerten und in den Vespern der Kreuzkirche vertreten. Von einer besonderen Einsatzbereitschaft berichten die „Dresdner Nachrichten“ am 7. Dez. 1888, als Melanie Bauer-Ziech aufgrund einer Krankmeldung in zwei Konzerten gleichzeitig konzertieren sollte. „Nach genauester Ausrechnung hatte man nun gefunden, daß Frau Bauer-Ziech im „Rattenfänger“ über eine Pause von 58 Minuten zu verfügen habe. Die Ausführung der Harfenpartie in der Gernsheim’schen Sinfonie nahm genau 38 Minuten in Anspruch.“ Folglich blieben für die Wege von einer Spielstätte und zurück jeweils 10 Minuten, die Melanie Bauer-Ziech „fliegen[d]“ zurücklegte, wie der Rezensent feststellte. In einem Bericht der „Neuen Zeitschrift für Musik“ über die Premiere der Grammannschen Oper „Melusine“ in der Dresdner Hofoper heißt es, dass sie die „umfangreiche und schwere Partie […] scheinbar spielend beherrscht“ (NZfM 1891, S. 292). Auch in einem Konzert im Jahr 1914 in der Kreuzkirche in Dresden, als das Konzert C-Dur für Flöte und Harfe von Mozart KV 299 zur Aufführung gelangte, gab es für die Solistin Melanie Bauer-Ziech und den Flötisten Philipp Wunderlich  einhelliges Lob. Sie genügten „den höchsten Anforderungen“ (Die Musik 1914/15 III, S. 141). Anna Morsch bescheinigt ihr „eine seltene Meisterschaft […]. Unter ihren Fingern wird die Harfe zu einem wahrhaften Zauberinstrument von berückendem Klange, aus welchem sie Wirkungen und Effekte zu erzielen weiß, die den meisten Harfenvirtuosen unbekannte Dinge sind“ (Morsch, S. 186f.). Im Ersten Weltkrieg beteiligte sich Melanie Bauer-Ziech an Konzerten für verwundete Soldaten.
Neben ihrer Tätigkeit in der Dresdner Hofkapelle erteilte Melanie Bauer-Ziech Unterricht. In einem Konzert am 30. Nov. 1898 stand eine Marche fantaisie für Orgel, 8 Harfen und Orchester von Alexandre Guilmant auf dem Programm, annonciert als „erste Aufführung in Deutschland“ (Dresdner Journal 29. Nov. 1898). 5 Harfen wurden von Schülerinnen Bauer-Ziechs besetzt. 1912 publizierte Melanie Bauer-Ziech eine Harfenschule.

Zu ihrem Repertoire gehörten neben Kompositionen Elias Parish Alvars’, Karl Oberthürs und dem Konzert C-Dur für Flöte und Harfe von Mozart KV 299 auch eine Bearbeitung für Harfe und Flöte von Spohrs Sonate c-Moll für Harfe und Violine WoO23 sowie die Waldserenade A-Dur op. 33 für zwei Flöten, zwei Violen, Violoncello und Harfe von Eduard Zillmann sowie Werke von Alexandre Guilmant, Carl Alberstötter, Jan Brandts Buys, Bernhard Sekles und Charles Widor.

Einer Anzeige aus dem Jahr 1908 zufolge spielte die Musikerin auf einer chromatischen Harfe der US-amerikanischen Firma Lyon & Healy. Dieser neue Harfentyp war seit 1889 erhältlich und wurde von Melanie Bauer-Ziech aufgrund der „herrlichen Tonfülle, besonders in den tieferen Lagen“ (FritzschMW 1908, S. 66) bevorzugt.

 

Melanie Bauer-Ziech, Dresden 1892,

Photographie von Regine Richter.

 

LEHRWERK

Melanie Bauer-Ziech, Harfenschule, Leipzig u. Wien 1912.

 

SCHRIFT 

Melanie Bauer-Ziech, „Die Harfe“, in: Musikinstrumentenkunde in Wort und Bild, 3 Bde., Bd. 1, hrsg. von Emil Ludwig Teuchert u. Erhard Walter Haupt, Leipzig 1910, S. 68–78.

 

LITERATUR

Dresdner Journal 1898, 29. Nov.; 1899, 9. Febr.; 1906, 18. Sept.

Deutsche Kunst- und Musik-Zeitung 1889, S. 134

Dresdner Nachrichten 1880, 22. Jan., 7. Dez.; 1888, 7. Dez.; 1907, 9. Juni

Dresdner Neueste Nachrichten 1914, 24. Juni; 1928, 20. Sept.

FritzschMW 1883, S. 7; 1885, S. 271; 1892, S. 315; 1908, S. 66

Le Guide musical 1895, S. 784

Leipziger Tageblatt 13. Okt. 1887

Leipziger Zeitung 1882, S. 584; 1883, S. 106

Die Lyra 1892, S. 176

MusW 1875, S. 769; 1877, S. 186; 1880, S. 174

Die Musik 1910/11 III, S. 258; 1914/15 III, S. 141; 1928/29 I, S. 158

Musikalisches Centralblatt 1884, S. 169, 221

Musikalisch-literarischer Monatsbericht über neue Musikalien, musikalische Schriften und Abbildungen 1912, S. 80

NZfM 1875, S. 501; 1876, S. 156, 243; 1877, S. 96; 1882, S. 533, 544; 1883, S. 79, 88,144, 150, 322, 392, 502, 574; 1884, S. 167; 1886, S. 305, 504; 1887, S. 305; 1891, S. 292; 1903, S. 543; 1905, S. 106, 304, 413, 575; 1906, S. 127, 172; 1915, S. 175, 396

Der sächsische Erzähler, Bischofswerdaer Tageblatt 11. Febr. 1912

Sächsische Staatszeitung 1915, 22. Juli, 8. Dez.; 1917, 10. März; 1919, 4. Febr.

Sächsische Volkszeitung 4. Juni 1912

Signale 1879, S. 9; 1882, S. 948; 1886, S. 139, 414; 1887, S. 436; 1888, S. 139, 150, 902; 1889, S. 1050; 1895, S. 788; 1915, S. 716

Urania. Musik-Zeitschrift für Orgelbau, Orgel- und Harmoniumspiel 1882, S. 142

Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitschrift 1883, S. 106

Adolph Kohut, Das Dresdner Hoftheater in der Gegenwart, Dresden u. Leipzig 1888.

Anna Morsch, Deutschlands Tonkünstlerinnen. Biographische Skizzen aus der Gegenwart, Berlin 1893.

Illustriertes Konversationslexikon der Frau, 2 Bde., Bd. 2, Berlin 1900, Art. Musikerinnen.

Wolf Ernst Hugo Emil Baudissin u. Emil Limmer, Hinter den Kulissen, Berlin 1902.

Heino von Dickinson-Wildberg, Das Dresdner Hoftheater in der Gegenwart. Biographien und Charakteristiken, Dresden u. Leipzig 1902.

Erich Hermann Müller, Deutsches Musiker-Lexikon, Dresden 1929.

Hans Schnoor, Dresden. Vierhundert Jahre deutsche Musikkultur, Dresden 1948.

Eberhard Steindorf, Die Konzerttätigkeit der Königlichen musikalischen Kapelle zu Dresden, Bd. 1, Baden Baden 2022.

Bildnachweis

The Puritan, A Journal for Gentlewomen, März 1898, S. 251.

Deutsche Fotothek: http://www.deutschefotothek.de/obj81453170.html, Zugriff am 10. Febr. 2012.

 

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