Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Wissel, Johanna (Dorothea) van der, verh. Burgemeister

* 14. Sept. 1867 in Capelle aan den IJssel (Niederlande), † 10. Mai 1945 in Bandeong (heute Bandung, West-Java), Pianistin. Ersten Klavierunterricht erhielt sie in Rotterdam bei dem Moscheles-Schüler Friedrich Gernsheim (1839−1916), der seit 1874 als Direktor der dortigen Maatschappij tot Bevordering der Toonkunst (Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst) tätig war. Als Gernsheim 1890 einem Ruf an das Stern’sche Konservatorium in Berlin folgte, zog seine 22-jährige Schülerin ebenfalls dorthin und erhielt, vermutlich von 1890 bis 1894, Unterricht bei Martha Remmert.

Erste Auftritte sind 1894 in den Niederlanden belegt, als Johanna van der Wissel zusammen mit der Altistin Amanda Eberlé, der Violinistin Debbij Goudsmit und der Violoncellistin Corry Appy eine Konzertreise unternahm. Im Juli 1895 verließ Johanna van der Wissel Europa und siedelte nach Niederländisch-Indien (heute Indonesien) über. Dort heiratete sie am 8. Jan. 1908 in Jakarta Cornelis Burgemeister (1883−?), einen Offizier der niederländisch-indischen Armee mit Dienstsitz in Padang auf der Insel Sumatra. Die Ehe wurde nach kurzer Zeit geschieden, und Johanna van der Wissel, die nun wieder ihren Geburtsnamen führte, zog in die Hauptstadt Batavia (heute Jakarta), wo sie auch als Pianistin in Erscheinung trat.

Nach dem Ersten Weltkrieg gibt es wiederum Belege für Auftritte in Europa: Am 18. Nov. 1921 ist ihre Mitwirkung in einem Wohltätigkeitskonzert in Den Haag überliefert, 1925 stellte sie in Dresden zusammen mit dem Violinisten Stefan Frenkel (1902−1979) niederländische KomponistInnen wie Dirk Schäfer (1873−1931), Dina Appeldoorn (1884−1938) und Bernhard van den Sigtenhorst-Meyer (1888−1953) vor. Am 21. Apr. 1926 fand in Den Haag ein Konzert mit dem Sänger Robert Spörry und dem Violinisten Johan Rasch statt, ein weiteres mit der Sopranistin Thekla Bruckwilder-Rockstroh am 20. Jan. 1927 in Brüssel.

Spätestens ab Dez. 1929 hielt sich die Pianistin erneut in Bandeong auf. Sie betrieb dort zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Kitti Ament eine Klavierschule. Der Kontakt zu ihrer Lehrerin Martha Remmert und der von Remmert geleiteten Franz-Liszt-Gesellschaft blieb jedoch erhalten, wie die Verleihung der Liszt-Medaille 1932 an Johanna van der Wissel belegt. Ein Jahr später gründete sie eine Liszt-Gesellschaft in Niederländisch-Indien, die das Ziel hatte, einheimische KünstlerInnen zu fördern. Unter van der Wissels Leitung veranstaltete die Gesellschaft am 21. März 1935 in Bandeong eine Bach-Gedenkfeier.

Johanna van der Wissel behielt Bandeong als Wohnsitz bei, für das Jahr 1939 ist aber ein längerer Aufenthalt in Europa (u. a. Meran) belegt. Im Frühjahr 1942 begann die japanische Armee, Niederländisch-Indien zu besetzen. Zusammen mit ihrer Schülerin und Freundin Chr. A. Görtz-Poth wurde Johanna van der Wissel in Bandoeng interniert. Sie starb 77-jährig in der Haft und wurde in Bandeong bestattet.

 

Johanna van der Wissel um oder vor 1929.

 

LITERATUR

Handschr. Karten Johanna van der Wissels an Martha Remmert vom 10. Mai 1918, 23. Dez. 1929 u. 15. Aug. 1934, Goethe-Schiller-Archiv Weimar 59/474,18

Handschr. Briefe Johanna van der Wissels an Martha Remmert vom Mai 1921 u. 7. Apr. 1939, Goethe-Schiller-Archiv Weimar 59/474,18

Maschr. Brief der Nederlandsch-Indische Liszt-Vereeniging an Martha Remmert vom 23. Jan. 1934, Goethe-Schiller-Archiv Weimar 59/469,8

Statuten der Nederlandsch-Indische Liszt-Vereeniging, Goethe-Schiller-Archiv Weimar 59/477,5

Algemeen Handelsblad [Amsterdam] 21. Apr. 1926

De Indische Courant [Java] 1932, 26. Juli, 6. Aug.

Nieuwe Rotterdamsche Courant 1926, 21. Apr. ; 1927, 20. Jan.

Nieuwe Tilburgsche Courant 31. Dez. 1893

Het Nieuws van den Daag voor Nederlansch-Indie [Java] 1935, 1. März, 29. März

Radio Wien 1934, H. 33, S. 32

Rotterdamsch Nieuwsblad 12. Apr. 1894

Signale 1936, S. 780

Tilburgsche Courant 21. Jan. 1894

Het Vaderland ’s-Gravenhage 1921, 18. Nov.; 1925, 7. Mai

Ev. A. Obbes, „Johanna Dorothea van der Wissel“, in: Historische Vereeniging Capelle aan den IJssell 1967, S. 13−15.

www.geni.com, Zugriff am 13. März 2012

Dieter Nolden, „Die Nederlandsch-Indische Liszt-Vereeniging (1932−1945) von Martha Remmert  (18531941) und ihrer Schülerin Johanna van der Wissel (18671945), in: Liszt-Nachrichten. Nachrichten der Deutschen Liszt-Gesellschaft 18 (2013), S. 26−28.

 

Bildnachweis

Karte von Johanna Wissel an Martha Remmert vom 23. Dez. 1929, Goethe-Schiller-Archiv Weimar 59/474,18

 

Dieter Nolden/FH

 

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