Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Girschner, Rosalie

* 31. Aug. 1822 in Berlin, † nach 1859 (wahrscheinlich in Belgien), Pianistin. Ihre Mutter war Johanna Henriette Girschner. Sie wuchs in Berlin auf und erhielt ihren ersten Unterricht vermutlich von ihrem Stiefvater, dem Musikdirektor und Komponisten Carl Friedrich Julius Girschner (1804–1860), der in Berlin eine Musikschule nach der Methode Johann Bernhard Logiers (1777–1846) führte. Später wird sie auch als Schülerin Sigismund Thalbergs (1812–1871) bezeichnet. Rosalie Girschners erster belegter Auftritt fand 1832 in Berlin in einem Konzert ihres Vaters statt. Dort bescheinigte man der 11-Jährigen „verhältnissmässige Fertigkeit und die Vortheile eines gründlichen Unterrichts“ (AmZ 1832, Sp. 362), kritisierte aber auch den Auftritt in so jungen Jahren: „Nur halten wir das zeitige, öffentliche Produciren junger Talente für unangemessen“ (ebd.). Dennoch trat sie im folgenden Jahr mit Kompositionen von Henri Herz und (Jean François?) Lafond im Konzert ihres Vaters auf, sowie 1835 mit Werken von Chopin und Kalkbrenner. Im Jahr 1838 sind Auftritte in Konzerten der Sängerin Clara Novello in Berlin und im Nov. in Dresden belegt. Im Jahr darauf unternahm Rosalie Girschner eine Konzertreise durch Deutschland. Dabei besuchte sie Erfurt, Frankfurt a. M., Kassel, Weimar, Köln, Bonn und Aachen, wo ihr Vater mittlerweile eine Anstellung als Musikdirektor am Theater hatte. Auf dieser Reise erhielt sie erstmals viele gute Kritiken. So schrieb die „Allgemeine musikalische Zeitung“ aus Kassel: „Ueberhaupt bewährte auch hier die ausgezeichnete Pianistin den guten Ruf, der ihr überall vorausging und sie begleitete; ihr in jeder Hinsicht virtuoses Spiel fand allgemeinste Anerkennung“ (AmZ 1839, Sp. 602). Ihre Reise endete im Nov. in Den Haag, wo sie der niederländischen Prinzessin Marianne (Frau des Prinzen Albrecht von Preußen) vorspielte und als Geschenk eine goldene Kette erhielt.

Im Jahr 1842 wurde ihr Vater zum Orgellehrer am Brüsseler Konservatorium berufen. Die Familie scheint sich nun in Belgien niedergelassen zu haben, denn in der Zeit danach sind offenbar nur Auftritte in Belgien und den Niederlanden erfolgt. In den Jahren 1842 bis 1849 gab Rosalie Girschner zahlreiche Konzerte in Arnhem, Breda, Dordrecht, Leiden und Rotterdam. Im Jahr 1848 bewarb sie sich um die Stelle einer Klavierlehrerin am Brüsseler Konservatorium, wurde aber nicht angenommen. Nachdem ihr Vater von Jacques-Nicolas Lemmens als Orgellehrer abgelöst worden war, ließ sich die Familie in Gent nieder. Dort hatte Rosalie Girschner einen exzellenten Ruf als Pianistin und viele SchülerInnen. Außerdem sind bis 1859 Konzerte vor allem in Amsterdam und Den Haag belegt.

Das Repertoire der Pianistin bestand ab den 1840er Jahren u. a. aus Werken von Leon Pascal Gerville, Julius Schulhoff, Theodore Doehler, Thalberg, Herz und Liszt. Sie wurde als „Pianiste van het Hof van België“ (Bredasche Courant, 16. Jan. 1844) und „pianiste de S. A. R. le duc de Carolath“ (Wytsman, S. 109) bezeichnet.

Nach dem letzten Konzertbeleg von 1859 verlieren sich die Spuren von Rosalie Girschner.

 

LITERATUR

Algemeen Handelsblad [Amsterdam] 1839, 27. Nov.; 1854, 8. Febr.; 1854, 2. März; 1854, 6. März; 1855, 19. Juni; 1855, 25. Juni; 1859, 5. Sept.; 1859, 8. Sept.

AmZ 1832, Sp. 362; 1833, Sp. 196; 1835, Sp. 845; 1838, Sp. 195, 800f., 875; 1839, Sp. 105f., 151, Sp. 308f, 601f., 691

Arnhemsche Courant 17. Dez. 1843

Bonner Archiv. Monatsschrift für die Geschichte Bonns 1839, S. 64

Bredasche Courant 1844, 14. Jan., 16. Jan., 28. Jan.

Dagblad van Zuidholland en 's Gravenhage 1854, 9. Okt.; 1854, 4. Dez.

Dordrechtsche Courant 30. Dez. 1843

Journal de La Haye 1839, 25. Nov.; 1844, 11. Febr.

Leydse Courant 13. Dez. 1843

Morgenblatt für gebildete Leser 1839, S. 32

Münchener Tagpost 26. Dez. 1839

NZfM 1835 II, S. 168; 1839 II, S. 132

Le Propagateur 28. Aug. 1852

Wiener Theaterzeitung (Bäuerle) 15. Aug. 1838

Zeitung für die elegante Welt 1840, S. 44

Klemens Wytsman, Notice historique sur la ville de Termonde, Gand 1849.

Annuaire dramatique pour 1845, Brüssel 1845.

Wegwijzer der stad Gent en der provincie Oost-Vlaanderen, Gent 1848.

Wegwijzer der stad Gent en der provincie Oost-Vlaanderen, Gent 1850.

Wegwijzer der stad Gent en der provincie Oost-Vlaanderen, Gent 1854.

Charles Bergmans, Le Conservatoire royal de musique de Gand, Gand 1901.

Heinz Oepen, Beiträge zur Geschichte des Kölner Musiklebens 1760–1840, Köln 1955.

Hendrikus J. Zomerdijk, Het muziekleven in Noord-Brabant, 1770–1850, Tilburg 1981.

Malou Haine, „Quelques travaux de Franco̧is-Joseph Fétis à l'Académie royale de Belgique“, in: Revue belge de musicologie 62 (2008), S. 251–273.

http://www.spohr-briefe.de/index.php?id=35&m=1205, Zugriff am 11. Okt. 2022.

 

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