Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

EpsteinEppstein, Eugenie, Eugénie

Lebensdaten unbekannt, Violinistin, Pianistin. Sie stammte aus einem musikalischen Haus: Sie war die Tochter von Charlotte Epstein geb. Winkler (1820–?) und dem Prossnitzer Ober-Cantor Ignaz Epstein (1818–?). Ein Sohn aus dieser Ehe war der später weithin bekannte Pianist Richard Epstein (1869–1919 [1921]).  Eugenie Epstein konzertierte regelmäßig gemeinsam mit ihrer älteren Schwester, der Violoncellistin Rudolfine Epstein. Den Quellen zufolge gab es noch mindestens eine weitere Schwester, die „Neue Zeitschrift für Musik“ spricht 1875 explizit  von den „Violine, Viola und Vcell spielenden drei Schwestern Epstein“ (NZfM 1875, S. 163). 1883 berichten die „Signale für die musikalische Welt“ im Zusammenhang mit Eugenie Epstein von „ihrer Schwester, der Pianistin Frau Therese Keller-Epstein“ (Signale 1883, S. 323).

Über Eugenie Epsteins Ausbildung ist lediglich bekannt, dass sie von 1868 bis 1872 die Fächer Violine und Klavier am Wiener Konservatorium der Musikfreunde studierte. Bei ihrem ersten derzeit nachweisbaren Auftritt konzertierte sie gemeinsam mit ihrer Schwester Rudolfine und der Pianistin Malvine Brée Anfang 1874 in Wien. Als „Damentrio“ erhielten die drei auch überregional Presseresonanz. Schon im Frühjahr desselben Jahres waren Eugenie und Rudolfine Epstein in Paris tätig, wo sie sich beim Konzert des von Marie Schipek geleiteten „zweiten Wiener Damenorchesters“ „als Solistinnen nicht übel hervorgethan“ (Signale 1874, S. 312) hätten. Auch Malwine Brée wird hier genannt, „La Comédie“ (5. Apr. 1874, S. 8) berichtet zudem von der Zitherspielerin Marie Knebelsberger. 1875 waren die Schwestern Epstein in Breslau zu hören. Am Ende jenes Jahres notiert Hugo Wolf in sein Tagebuch einen Konzertbesuch beim Hellmesberger-Quartett in Wien. Mendelssohns Oktett op. 20 spielte das berühmte Ensemble mit vier Frauen gemeinsam, darunter auch Eugenie Epstein sowie die Violoncellistin „Julie Epstein“ (zit. nach Walter, S. 20), womit indes Rudolfine Epstein gemeint sein dürfte.

1877 begannen die Schwestern Eugenie und Rudolfine Epstein, die „beide nebenbei als ganz geschickte Klavierspielerinnen“ auftraten (NZfM 1877, S. 153), ihre gemeinsame Konzerttätigkeit zu intensivieren. Reisen führten sie nun u. a. nach Berlin, Hannover, Neubrandenburg und Stettin, 1878 nach Antwerpen sowie nach Graz,  später (Ende 1878 und 1879) nach Belgien. Sie musizierten sowohl mit Orchesterbegleitung als auch in kammermusikalischen Formationen. In Brüssel spielte Eugenie Epstein mit ihrer Schwester Rudolfine im Trio mit der französischen Pianistin Louise Murer. Letztmalig wird Eugenie Epstein im Rückblick auf das Jahr 1882 in den „Signalen für die musikalische Welt“ genannt. Trotz des sehr bekannten Vaters und des später ebenfalls prominenten Bruders findet der weitere Lebensweg Eugenie Epsteins, soweit sichtbar, nirgends Erwähnung.

In der Einschätzung ihrer Spielfähigkeiten waren sich die zeitgenössischen Kritiker nicht einig. So empfindet der Breslauer Rezensent der „Neuen Zeitschrift für Musik“ Eugenie Epstein als „besonders talentvoll“ (NZfM 1875, S. 163), während sein Grazer Kollege ihr Spiel als „vollkommen schülerhaft“ abqualifiziert (NZfM 1878, S. 508). Differenzierter äußert sich später ein weiterer Rezensent derselben Zeitschrift. „Beide“, schreibt er über Eugenie und Rudolfine Epstein, „besitzen schon jetzt für ihr jugendliches Alter enorme technische Fertigkeit und Sicherheit, geschmackvolle Auffassung und elegante Spielweise. Der Ton ist bei der Violinistin noch dünn, namentlich auf der A- und E-Saite, bei der Cellistin (der älteren Schwester) schon klangvoller und abgestufter. Die Comp. von Vieuxtemps und Bazzini schienen theilweise noch der ersteren Kräfte zu übersteigen“ (NZfM 1877, S. 153). Doch auch dazu findet sich in demselben Blatt eine Gegenmeinung, zitiert aus unbekannter Quelle angesichts eines Konzertes in Zeitz: „Im Concert von Vieuxtemps zeigte Frl. E. Epstein Meisterschaft in Beherrschung des Instrumentes wie des Charakters des Stücks“ (zit. nach NZfM 1878, S. 146).

Besondere Aufmerksamkeit erhielten die Epstein-Schwestern bei ihrem Debüt in einem Damentrio 1874 im Wiener Saal Bösendorfer, bei dem sie u. a. Beethovens Klaviertrio c-Moll op. 1 Nr. 3 sowie Schumanns Phantasiestücke op. 88 spielten. Während eine Rezension unbekannter Herkunft, zitiert in der „Neuen Zeitschrift für Musik“, betont geschlechtsneutral resümiert, „wir befinden uns selten in der Lage, Vereinigungen jüngerer Talente so warm und herzlich begrüßen zu können“ (zit. nach NZfM 1874, S. 27), gefällt es dem Kritiker der lokalen „Wiener Sonn- und Montagszeitung“ nicht, „den als Privatandacht sehr löblichen Musikcultus des Damentrios mit dem Charakter der Oeffentlichkeit zu bekleiden. Die Kunstübung der drei Fräulein hat derzeit noch einen starken Beigeschmack von Dilettantismus“ (Wiener Sonn- und Montagszeitung, 11. Jan. 1874). Dabei hat er an den Spielleistungen der Schwestern Epstein kaum etwas auszusetzen: „Was das Spiel der beiden Geigerinnen [sic] betrifft, so könnte man in Hinsicht auf runden, kernigen Ton und angemessene Votragsweise zufrieden sein. Doch wie g’sagt, das an sich interessante Schauspiel eines Damentrio kann uns nicht blind machen gegen die Thatsache, daß die vereinigte Kunst dieser drei heutzutage noch nicht auf dem Punkte steht, wo ihr Erscheinen einem wirklichen Kunstbedürfniße des Publikums entgegen kommt“ (ebd.).

Neben kammermusikalischen Werken spielte Eugenie Epstein Violinkonzerte von Henri Vieuxtemps und Felix Mendelssohn sowie kleinere Violinwerke von Joh. Seb. Bach, Hubert Leonard, Antonio Bazzini und Heinrich Wilhelm Ernst.

 

LITERATUR

AmZ 1874, Sp. 76

Bock 1874, S. 30; 1877, S. 35f., 70, 78; 1878, S. 54

La Comédie 5. Apr. 1874, S. 8

FritzschMW 1877, S. 177; 1878, S. 52

Le Guide musical 17. Febr. 1881

NZfM 1874, S. 27; 1875, S. 162f.; 1877, S. 63, 153; 1878, S. 28, 83, 146; 1878, S. 508

RGM 1879, S. 55

Signale 1874, S. 312; 1878, S. 227; 1879, S. 215, 279; 1880, S. 131; 1883, S. 323

Wiener Sonn- und Montagszeitung 11. Jan. 1874

Riemann 2

Carl Ferdinand Pohl, Die Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates und ihr Conservatorium, Wien 1871.

Édouard-Marie Oettinger, Moniteurs des Dates, contenant un million de renseignements biographiques, généalogiques et historiques. Supplément et appendice, redigés, tenus à jour et édites par Hugo Schramm-Macdonald, Leipzig 91882.

Frank WalterHugo Wolf’s Vienna Diary, 187576", in: Music & Letters 28 (1947), S. 12–24.

Rochus Kralik von Meyerswalden, Ein Kuss von Franz Liszt, Mathilde Kralik von Meyerswalden, Hamburg 2009.

 

Volker Timmermann

 

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