Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Lachner, (Maria Anna) Thekla, verh. Rittler, verh. Wurst

* 22. Sept. 1801 in Rain, † 24. Mai 1869 in Augsburg, Organistin und Musiklehrerin. Sie war das dritte Kind aus der Ehe des Organisten Anton Lachner (1756–1820) mit seiner zweiten Frau Maria Anna geb. Kunz (1774–1846), die ebenfalls Orgel spielte. Thekla Lachner erhielt ihre musikalische Ausbildung durch ihren Vater, der seine Tochter im Klavier-, Orgel- und Violinspiel sowie im Gesang unterrichtete. Sie trat bereits als Kind gemeinsam mit ihren Geschwistern Theodor (1798–1877), Franz (1803–1890), Ignaz (1807–1895), Vincenz (1811–1893) und Christina in Konzerten auf, die ihr Vater in Rain und Umgebung organisierte. Als dieser am 2. Sept.1820 starb und das ohnehin spärliche Familieneinkommen wegfiel, mussten sich die beiden Töchter Thekla und Christina Lachner um eine Anstellung als Organistin bemühen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Nachdem Thekla Lachner sich bei einem Probespiel (das gleichzeitig ihr Orgelexamen war) in der St. Georgskirche in Augsburg gegen mehrere Mitbewerber durchgesetzt hatte, bekam sie dort eine feste Anstellung als Organistin, die sie mindestens bis zum Jahre 1845 innehatte.

In erster Ehe heiratete sie am 3. Juni 1822 den Chorregenten der St. Georgskirche, Christoph Moritz Rittler, der drei Jahre später starb. Ihr zweiter Mann war der Chorregent und Lehrer Karl Wurst, mit dem sie sich am 17. Jan. 1828 verheiratete. Mit ihm hatte sie elf Kinder, von denen nur fünf das Erwachsenenalter erreichten.

Nicht alle Kollegen konnten sich damit abfinden, dass Thekla Wurst die Organistenstelle der St. Georgskirche besetzte. Der Chorregent Johann Martin Jegg (Nachfolger ihres ersten Mannes) zahlte ihr statt der vereinbarten 50 Gulden nur 30 Gulden Gehalt. Nach einem Beschwerdeschreiben an die Kirchenverwaltung (vom 1. Juli 1836), antwortete Jegg auf entsprechende Rückfragen: „Organist der Kirche bin ich selbst, in der Regel, und bei Hochämtern, Vespern und Litaneien bedarf ich der Aushilfe, und dazu habe ich die Madame Wurst gewählt, und da ich mit dieser Frau vollkommen zufrieden bin, so erhielt dieselbe bisher 30 Gulden von mir“ (Mann 1989, S. 44). Thekla Wurst ließ sich nicht zur Aushilfe degradieren und konnte ihre Stellung letztendlich verteidigen. Dies geht aus einer Notiz der Zeitschrift „Signale für die musikalische Welt hervor, in der es noch 1845 heißt, dass die Organistenstelle in Augsburg „durch eine Dame, Mad. Wurst“ besetzt sei (Signale 1845, S. 54). Später war sie vermutlich als Organistin an der Pfarrkirche zu St. Maximilian in Augsburg tätig. Das bezeugt eine Danksagung anlässlich ihrer Begräbnisfeier am 28. Mai 1869 (Augsburger Tagblatt, 29. Mai 1869).

 

 

Neben ihrem Amt als Organistin entwickelte sie eine rege Unterrichtstätigkeit und genoss als Orgel- und Klavierlehrerin einen ausgezeichneten Ruf.

 

LITERATUR

AmZ 1845, Sp. 152

Augsburger Tagblatt 29. Mai 1869

Augsburgische Ordinari Postzeitung von Staats-, gelehrten, historisch- u. ökonomischen Neuigkeiten 25. Mai 1822

Intelligenz-Blatt und wöchentlicher Anzeiger der königlich bayerischen Kreis-Hauptstadt Augsburg 1828, S. 37

Neue Augsburger Zeitung 30. Mai 1869

Signale 1845, S. 54

Schilling Suppl., Gaßner (Art. Lachner, Familie), Schla/Bern, Paul, Mendel (Art. Lachner, Theodor), Fétis (Art. Lachner, Vincent), Grove 5, Blom, Sartori Enci

Gustav Klemm, Die Frauen, Culturgeschichtliche Schilderungen des Zustandes und Einflusses der Frauen in den verschiedenen Zonen und Zeitaltern, Dresden 1859.

Harald Müller, Studien zu Leben und Werk Ignaz Lachners, Celle 1977.

Harald Johannes Mann, „Als die Lachners im Lachnerhaus wohnten“, in: Sieh auf. Beiträge zu Geschichte und Kultur der Stadt Rain und ihrer Umgebung 10 (1985), S. 1–4.

Harald Johannes Mann, Die Musikerfamilie Lachner und die Stadt Rain, Rain a. Lech 1989.

Freia Hoffmann, Instrument und Körper. Die musizierende Frau in der bürgerlichen Kultur, Frankfurt a. M. u. Leipzig 1991.

 

Bildnachweis

Augsburger Tagblatt, 29. Mai 1869

 

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