Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

LöwLöwe, Maria, Marie Theresia, Therese, verh. Lehmann, Lehmann-Löw

* 27. März 1809 in Heidelberg, † 30. Dez. 1885 in Magdeburg oder Berlin, Harfenistin, Harfenlehrerin, Sängerin und Gesangslehrerin. Sie wurde zunächst zur Harfenistin, später in Frankfurt a. M. zur Sängerin ausgebildet, wo sie Unterricht von den Lehrern Schleyder von Martensen (Lebensdaten unbekannt) und Johann Nepomuk Schelble (1789–1837) erhielt. „In ihrem 13. Jahre schon war sie Virtuosinn auf der Harfe, und in ihrem 14. im Theaterorchester in Frankfurt a. M. angestellt, wo sie auch 1829 als Agathe im ‚Freischütz‘ die Bühne einmal betrat und seit 1835 als Sängerin die fortwährende Achtung des Leipziger Publicums genießt“ (AWM 1842, S. 156). Sie war nacheinander als Sängerin am Stadttheater von Magdeburg (1835–1836), am Opernhaus von Leipzig (1836–1837) und am Hoftheater von Kassel (1837–1845) angestellt. Daneben hatte sie Engagements in Königsberg, Braunschweig, Bremen, Dresden, Mainz, Darmstadt und Aachen. Als Harfenistin trat sie u. a. in Leipzig (1829, 1830) und Kassel (1843, 1844) auf. In diesen Konzerten spielte sie meist Werke von Louis Spohr, aber auch von Charles Bochsa und Henri Herz. In Kassel, wo sie 1837 auftrat, wurde sie von Louis Spohr gefördert, der sie auch als Harfenistin bewunderte und ihr mehrere Kompositionen widmete. Spohr schreibt ihr: „Hochverehrtes Fräulein. In Anerkennung Ihres schönen und in Deutschland so seltenen Talentes der Virtuosität auf der Harfe, bitte ich, die beyfolgenden Duette für Harfe und Violine als ein Andenken an den Komponisten freundlichst annehmen zu wollen. Möchten dieselben Ihnen eine Veranlassung seyn, mich und andere recht bald ein Mal wieder Ihr schönes Talent bewundern zu lassen!
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr  ergebenster Louis Spohr“
( Spohr an Löw, 10. März 1843).

Am 12. Apr. 1847 stellte der Komponist ihr folgendes Zeugnis aus: „Daß Fräulein Loew, die eine Reihe von Jahren als Sängerin bey unserm Hoftheater angestellt war, damals Gesangsunterricht gab. […] daß sie ferner als Virtuosin auf der Pedalharfe in unsern Konzerten häufig mit allgemeinem Beyfall aufgetreten ist, wird hiermit der Wahrheit gemäß attestirt“ (Spohr an Löw, 12. Apr. 1847).

Maria Theresia Löw war seit ihrer Jugend mit Richard Wagner befreundet, den sie vor 1836 in Leipzig kennengelernt hatte. Ihre Tochter, die berühmte Wagner-Interpretin Lilli Lehmann, schrieb später in ihrer Autobiographie: „Er war täglich bei den Geschwistern Loew zu Gaste und brachte Marien all seine schweren, unsanglichen Jugendkompositionen“ (Lehmann, S. 59). Später kam es zu einer beruflichen Zusammenarbeit zwischen Maria Theresia Löw und Richard Wagner, da er als Kapellmeister in Magdeburg, Königsberg und Dresden wirkte, wo sie Engagements als Sängerin hatte.

1845 bekam Theresia Löw ihr erstes Kind: Der Vater war der Adlige Ferdinand von Lepel. 1848 gab sie ihre Karriere als Bühnensängerin auf. Dies stand vermutlich in Zusammenhang mit ihrer Eheschließung mit dem Tenor Karl-August Lehmann (1805–1867). Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor, Lilli Lehmann (1848–1929) und Marie Lehmann (1851–1931), die ebenfalls Sängerinnen wurden. Bis sich Maria Theresia Löw 1853 von ihrem Mann trennte, wechselte die Familie häufig ihren Aufenthaltsort, von Würzburg über Rotterdam, Braunschweig, Hamburg, Mainz bis nach Lemberg. Lilli Lehmann schrieb später in ihrer Autobiographie von der Streit-, Trunk- und Spielsucht ihres Vaters und seiner Neigung zum „ewigen Herumziehen" (Lehmann, S. 63), die ihre Mutter bewegten, sich zum Wohle der Kinder von ihrem Mann zu trennen. Fortan trug sie die Verantwortung für die Familie fast alleine, da sie nur begrenzt finanzielle Unterstützung vom Vater der Kinder erhielt. „Leider hatte meine Mutter nicht den Mut, in ihre alte Stellung als dramatische Sängerin zurückzukehren, sie war ja nun fast 45 Jahre alt. Vielleicht auch nahm sie einen Zufall gar zu schnell wahr, indem sie zu einer Stellung als Professorin der Harfe am Prager Landestheaterorchester griff, welche ihr durch Freunde angeboten wurde“ (Lehmann, S. 66). Dort wirkte sie offenbar auch als „neues Orchestermitglied“ (Der Tagesbote aus Böhmen, 22. Mai 1853) im Theater. Bei einem Konzert in Leipzig 1863 spielte sie zusammen mit ihrem Schüler Wenzel Staněk unter Leitung von Richard Wagner die Harfe. Außerdem soll sie Richard Wagner beim Ausarbeiten seiner Harfenpartien beratend zur Seite gestanden und die Einführung seiner Opern in Prag besonders gefördert haben. „Mein Vetter erinnert sich, als er einst die Harfe bewunderte, von Mama gehört zu haben, daß sie Richard Wagners Harfenpartien aus seinen Opern darauf ausprobierte und ehe sie der Öffentlichkeit übergeben wurden, Korrekturen vorschlug, die einen regen Briefwechsel mit Wagner zur Folge hatten“ (Lehmann, S. 70).
Ihren Lebensabend verbrachte Maria Theresia Lehmann-Löw in Berlin.

 

LITERATUR

Brief von Louis Spohr an Maria Theresia Löw, 10. März 1843, Digitalisierte Sammlungen Staatsbibliothek zu Berlin, https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN894583948&PHYSID=PHYS_0001, Zugriff am 8. März 2022.

Brief von Louis Spohr an Maria Theresia Löw, 12. April 1847, Digitalisierte Sammlungen der Staatsbivliothek zu Berlin, https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN894584138&PHYSID=PHYS_0001&DMDID=DMDLOG_0001, Zugriff am 8. März 2022.

AmZ 1829, Sp. 537; 1838, Sp. 142; 1843, Sp. 883; 1844, Sp. 334

AWM 1842, S. 156

Berliner AmZ 1830, S. 189

Neue Wiener Musik-Zeitung 1857, S. 52

Prager Tagblatt, 31. Dez. 1899

Der Tagesbote aus Böhmen 22. Mai 1853

DBE, Kutsch/Riemens, Schilling

Adolph Kohut, Dur- und Moll-Accorde. Musikalische Streifzüge, Portraitskizzen und Genrebilder, Berlin 1894.

Lilli Lehmann, Mein Weg, Leipzig 1913.

Salomon Wininger, Große Jüdische National-Biographie, Bd. 4, Cernăuţi [1929], S. 20.

Freia Hoffmann, Instrument und Körper. Die musizierende Frau in der bürgerlichen Kultur, Frankfurt a. M. u. Leipzig 1991.

Jürgen Schlumbohm, Verbotene Liebe, verborgene Kinder. Das Geheime Buch des Göttinger Geburtshospitals 1794–1857 (=Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 296), Göttingen 2018.

 

Bildnachweis

Lehmann, Bildteil S. 64f.

 

HB/VT/CB

 

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