Jahresbericht 2021

Der vorige Jahresbericht begann mit dem Satz „Ein schwieriges Jahr neigt sich dem Ende zu.“ Diesen Satz können wir hier wiederholen und ihn verbinden mit dem Dank an alle, MitarbeiterInnen, NutzerInnen und OrganisationspartnerInnen, für ihre Geduld, ihr Durchhaltevermögen und die Freundlichkeit, mit der alle schwierigen Verhältnisse und Situationen bewältigt wurden.

Die Institutsarbeit hat sich im Sommer und nun auch wieder zum Jahresende meist im Home office abgespielt, und im Rückblick ist es fast erstaunlich, was uns in diesem Jahr trotzdem gelungen ist. Vor allem ist das Erscheinen des dreibändigen Handbuchs zu nennen, Ergebnis einer etwa fünfjährigen Forschungsarbeit.

 

Hier die Verlagsankündigung:

Mit der Gründung von Konservatorien – oder Musikschulen, wie sie zunächst noch vielfach genannt wurden – reagierte das Musikleben auf die wachsenden Anforderungen des bürgerlichen Konzert- und Opernbetriebs und die Musizierwünsche immer breiterer Schichten der Gesellschaft. Zunächst meist aus Initiativen kulturinteressierter Bürger und Adliger entstanden, wuchs ihre Zahl besonders seit dem Vormärz, publizistisch begleitet durch Forderungen an staatliche Stellen, die Musikausbildung als öffentliche Aufgabe zu begreifen und zu finanzieren. Dies geschah im deutschsprachigen Raum nur zögernd und spät, so dass sich die Konservatorien veranlasst sahen, ihr Profil im Spannungsfeld von ökonomischen Notwendigkeiten und Qualitätsansprüchen aus eigenen Kräften weiterzuentwickeln, vielfach dauerhaft unterstützt durch wohlhabende bürgerliche und adlige Kreise.

Für das dreibändige Handbuch Konservatorien wurden aus der Vielzahl von Einrichtungen, die schließlich am Ende des 19. Jahrhunderts ihre Dienste anboten, 16 beispielhafte Institutionen ausgewählt. Von der Gründungsidee her verfolgten sie unterschiedliche Ziele, etwa die Ausbildung von Orchesternachwuchs, die Ausbildung von SängerInnen für Kirche, Konzert und Theater oder die Ausbildung von Komponisten, Dirigenten und Lehrkräften, die später als MultiplikatorInnen für die Verbreitung und adäquate Aufführungspraxis anspruchsvoller Musik sorgen sollten. Die Curricula näherten sich jedoch im Lauf des Jahrhunderts an, so dass um 1900 einheitliche Ausbildungsstrukturen geschaffen waren, die die Grundlage für eine spätere Überführung in staatliche Hochschulen für Musik bildeten.

Die ausgewählten Konservatorien sind nach einer einheitlichen Gliederung dargestellt, die einen Überblick über die wichtigsten Eckdaten gibt und einen Vergleich hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten wie auch Besonderheiten erlaubt. Einem historischen Überblick folgen Abschnitte zur Finanzierung, zu Trägerschaft und Leitung, Gebäuden, Studienbedingungen, Prüfungen, Anzahl, Herkunft und Fächerwahl der Studierenden, Geschlechterverhältnissen, Lehrkräften, Nebenfächern, Studieninhalten, Schülerkonzerten und Profil. Es folgen jeweils Listen der Lehrkräfte mit Kurzbiographien.

Wir danken dem Laaber Verlag für die sorgfältige Arbeit und die wunderbare Gestaltung!

 

ZUSAMMENARBEIT MIT DEM ENSEMBLE KONSONANZ

Unter Federführung von Claudia Beisswanger hat das Ensemble Konsonanz zum 8. März 2021 einen Film vorbereitet mit dem Titel „Mehr als Kinder, Küche, Kirche – 200 Jahre Kompositionen starker Frauen“. Die Musikerinnen dieses hervorragenden Ensembles haben in Zusammenarbeit mit dem Pianisten Albert Lau ein umfangreiches Programm von Komponistinnen aufgenommen und mit Interviews versehen, unter anderem mit Freia Hoffmann. Das Gesprächskonzert, das teilweise im Sophie Drinker Intitut gefilmt wurde, kann unter der Adresse https://vimeo.com/520897067 angehört und angesehen werden.

Weitergeführt wurde das Projekt durch Ensemblemitglied Karoline Ott. Sie nahm am 4. Juli zusammen mit dem Pianisten Albert Lau im Sophie Drinker Institut verschiedene Musikstücke auf, die unter dem Titel „Wie singen Vögelinnen“ auf Youtube zu sehen und zu hören sind: Emilie Mayer, Notturno; Mel Bonis, 1. Satz aus der Suite pour violon et piano; Teresa Milanollo, Impromptu. https://www.youtube.com/channel/UCFGaNajsfa0ovuMgvg1FPfg/vide

 

MUSIK

Am Sonntagvormittag, 16. Mai, hat Elisabeth Champollion (Blockflöte) zum dritten Mal ihr „Kleinstkonzert im Live-Format“ veranstaltet, diesmal zusammen mit Jürgen Groß, einem führenden Barockgeiger und Leiter des Elbipolis Barockorchester Hamburg. Gespielt wurde, jeweils nur vor einem Konzertgast(paar) Musik von Joh. Seb. Bach, Telemann, Vivaldi, Corelli, van Eyck u. a. Es war wieder ein besonderes Erlebnis, wie eine klingende Insel im schwierigen Corona-Alltag.

Während der letzten kräftezehrenden Korrekturen hat uns die Anfrage von Elke Schulze Höckelmann erreicht, ob das Sophie Drinker Institut seine Räume für die Vorbereitung eines Kammerkonzerts zur Verfügung stellen könnte. Immer gerne! Am 28. Juli gab es mit ein paar handverlesenen und selbstverständlich geimpften Gästen eine Generalprobe.

 

Programm

Carl Maria von Weber
Freischütz Ouvertüre für Klarinette, Fagott und Horn

Franz Berwald
Quartett für Klavier, Klarinette, Horn und Fagott
1. Introduzione. Adagio – Allegro ma non troppo
2. Adagio
3. Finale. Allegro

Max Bruch
aus: Acht Stücke für Klarinette, Horn und Klavier op. 83
1. Rumänische Melodie: Andante
2. Nachtgesang: Andante con moto
3. Allegro vivace, ma non troppo

Felix Mendelssohn
Konzertstück d-Moll für Klarinette, Fagott und Klavier op. 114 Nr. 2
1. Presto
2. Andante
3. Allegretto grazioso

Mitwirkende:

Enikö Bors, Klavier

und Mitglieder der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen:

Maximilian Krome (Klarinette),

Rie Koyama (Fagott),

Elke Schulze Höckelmann (Horn).

 

Neben der abschließenden Arbeit an mehreren Büchern war ein zweites Arbeitsfeld die Vorbereitung einer Tagung „Lehren lernen“, die von uns in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Ivo Ignaz Berg (Universität der Künste Berlin) und der Leo-Kestenberg-Gesellschaft veranstaltet wurde. Sie fand vom 15. bis 17. Oktober in Berlin statt – sozusagen während eines Corona-Fensters, das tatsächlich die Durchführung vor Ort gestattete. Inhalt der Tagung war die Geschichte der außerschulischen Musikpädagogik vor und nach 1900, die bisher neben der Geschichte der Schulmusik vergleichsweise wenig erforscht ist. Unter den ReferentInnen waren sowohl profilierte FachvertreterInnen als auch NachwuchswissenschaftlerInnen, die auf der Basis von fertigen oder in Arbeit befindlichen Dissertationen über einzelne Personen und Aspekte des Themas sprachen. Das Sophie Drinker Institut hat drei Beiträge beigesteuert. Zwei sind aus der Arbeit am Handbuch Konservatorien hervorgegangen, ein dritter gab einen Einblick in die Dissertation, die unsere Mitarbeiterin Luisa Klaus vorbereitet.

Freia Hoffmann: „Förderung der Kunst und der Volksbildung“. Die Einrichtung von Seminaren für Gesangs- und Instrumentallehrkräfte an Konservatorien des deutschsprachigen Raums.

Volker Timmermann: Violinunterricht an Konservatorien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein Blick auf Lehrwerke und Unterrichtsinhalte.

Luisa Klaus: „…and all of us in the country owe him lot of thanks for his many initiatives concerning musical education and musical Art“ – Umkreis und Rezeption der Kestenberg’schen Midrasha in Israel. 

 

Voraussichtlich noch 2022 wird im Schott Verlag (Mainz) der Tagungsband erscheinen, hrsg. von Ivo Berg und Freia Hoffmann.

 

WEITERE BÜCHER

Rechtzeitig zur Tagung sind nicht nur die Bände Handbuch Konservatorien fertig geworden, sondern auch zwei neue Bände unserer Schriftenreihe:

Band 17

Annkatrin Babbe u. Volker Timmermann (Hrsg.)

Konservatoriumsbildung von 1795 bis 1945. Beiträge zur Bremer Tagung im Februar 2019Nach der Eröffnung des Pariser Konservatoriums im Jahr 1795 setzte in Europa mit den Gründungen in Prag (1808) und Wien (1817) eine weitreichende Institutionalisierung der Musikausbildung ein, die zur Jahrhundertmitte ihre Fortsetzung fand und auch im weiteren Verlauf nicht abriss. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Zahl der Konservatorien derart groß, dass die Berliner Tageszeitung Die Post vermerkt, diese Ausbildungsinstitute würden „wie Pilze aus dem Boden“ schießen, die „Firmenschilder der Konservatorien [seien] fast so häufig wie die der Tabaksläden zu finden“ (10.11.1900).

Die Musikausbildung hatte sich damit fundamental gewandelt: Neben der zunehmenden Formalisierung und Bürokratisierung waren die Kanonisierung und Standardisierung von Inhalten und Methoden, aber auch die Herausbildung neuer Berufsbilder die Folge. Der vorliegende Band versammelt Beiträge zu Prozessen und Ergebnissen dieser Entwicklung sowie deren kulturellen, politischen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen.

300 S., 39,80 Euro, ISBN 978-978-3-487-16049-8. Zum Verlagsangebot geht's hier.

 

Band 18

Anna-Christine Rhode-Jüchtern

Maria Leo (1873–1942)

Pionierin einer neuen Musikpädagogik

Dieses Buch ist einer Frau gewidmet, die als Musikpädagogin, Frauenrechtlerin und Seminarleiterin für die berufliche Emanzipation der Privatmusiklehrerinnen kämpfte. Nicht nur wusste sie sich mit ihrem kleinen Seminar innerhalb der riesigen Berliner Landschaft von Konservatorien, Musikinstituten etc. zu behaupten, sie wurde gleichzeitig zur Initiatorin einer auf innovativen reformpädagogischen Maximen beruhenden Lehrerausbildung. In diesem Bestreben wurde sie zeitlebens von dem Allgemeinen Deutschen Lehrerinnen-Verein unterstützt.

Im historischen Gedächtnis der Musikpädagogik stand Maria Leo jahrzehntelang im Schatten Leo Kestenbergs. In diesem Buch werden ihre Leistungen auf dem Gebiet der musikalischen Bildung und Ausbildung – zuerst für Frauen, in der Weimarer Republik für beide Geschlechter – erstmals ausführlich dargestellt und in den Kontext der jeweiligen fachpolitischen und sozialpolitischen Entwicklungen und Auseinandersetzungen der Zeit gestellt. Maria Leo ging es um einen Unterricht, der auf der Grundlage einer umfassenden musikalischen Bildung Musik erlebbar macht. Gleichzeitig bemühte sie sich um die soziale Absicherung der Privatmusiklehrerinnen. Die Darstellung ihrer Vita wie die Diskussion ihrer Kämpfe, Ideen und Erfahrungen ist noch heute – und heute wieder – aktuell.

446 S., 39,80 Euro, ISBN: 978-3-487-16050-4. Zum Verlagsangebot geht's hier.

 

Seit diesen beiden Bänden (und in neuem Gewand!) erscheint unsere Schriftenreihe im Olms Verlag Hildesheim, betreut von Ulrike Böhmer, der wir für ihre Geduld und Sachkenntnis ganz herzlich danken.

 

ONLINE-SCHRIFTENREIHE

Auch in der Online-Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts gab es eine Neuerscheinung. Die Nummer 3 der Reihe wurde zu Beginn des Jahres 2021 veröffentlicht:

Monika Tibbe

„Singen und Sagen“ – Die Kunst, ein Chanson vorzutragen

Über das Chanson zu Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es eine Fülle von Literatur mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Bewertungen. Musikalische Analysen aber sind selten. Auch geht ein Blick auf das im Notentext Fixierte an einer entscheidenden Eigenschaft des Chansons vorbei: Es ist die Vortragsweise, die das Chanson mehr als andere musikalische Gattungen charakterisiert. Ein Mittel der Vortragskunst ist der Sprechgesang, der Wechsel zwischen Sprechen und Singen. Tonaufnahmen zeigen, wie differenziert, wie kunstvoll Chansonsängerinnen – es sind zumeist Frauen – mit diesem Gestaltungsmittel umgegangen sind.

Ausgewählt wurden zwei Künstlerinnen, die damals sehr berühmt waren und von denen es deshalb Tonaufnahmen gibt: Yvette Guilbert und Claire Waldoff. Ergänzt werden die beiden Porträts durch einen Blick auf zeitgenössische Experimente mit dem Sprechgesang, Schönbergs Pierrot Lunaire und die Songs von Brecht und Weill. Als heutiges Beispiel des Sprechgesangs kommt die Rap-Szene, vertreten durch Kae Tempest, zu Wort und Klang.

Die Nummer 3 der Reihe finden Sie hier.

 

AUFSÄTZE

Annkatrin Babbe „‚Und obenan wird stehen unsere Wiener Violinschule und ihr unvergleichlicher Lehrmeister‘ – Überlegungen zur ‚Schulbildung‘ bei Josef Hellmesberger d. Ä.“, in: Konservatoriumsausbildung von 1795 bis 1945. Beiträge zur Bremer Tagung im Februar 2019, hrsg. von ders. u. Volker Timmermann (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts 17), Hildesheim 2021, S. 209–226.

Annkatrin Babbe, „Geigenausbildung als ‚Familiensache‘. Josef Hellmesberger d. Ä. als Geigenlehrer am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien“, in: Paare in Kunst und Wissenschaft, hrsg. von Christine Fornoff-Petrowski u. Melanie Unseld (= Musik – Kultur – Gender 18), Köln [u. a.] 2021, S. 275–289.

Annkatrin Babbe, Art. „Marschner, Heinrich“, „Rubinstein, Anton“, „Philharmon. Orch. der Hansestadt Lübeck“ und „Familienorchester“, in: Lexikon des Orchesters. Orchester und Ensembles weltweit – Geschichte und Aufführungspraxis – Komponisten und Dirigenten – Orchesterpraxis, hrsg. von Frank Heidelberger, Gesine Schröder u. Christoph Wünsch, 2 Bde., Lilienthal 2021.

Freia Hoffmann, „Soziale und geographische Herkunft von Studierenden am Beispiel Sondershausen und Straßburg“, in: Konservatoriumsausbildung von 1795 bis 1945. Beiträge zur Bremer Tagung im Februar 2019, hrsg. von Annkatrin Babbe u. Volker Timmermann (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts 17), Hildesheim 2021, S. 229–242.

Freia Hoffmann, „Auf dem Weg zur Hochschule. Institutionelle Ausbildung im deutschsprachigen Raum“, in: Auf dem Weg zur Kunstuniversität: das Kunsthochschul-Organisationsgesetz von 1970, hrsg. von Susanne Prucher, Silvia Herkt, Susanne Kogler, Severin Matiasovits u. Erwin Strouhal (= Veröffentlichungen zur Geschichte der Universität Mozarteum Salzburg 15), Wien 2021, S. 24–35.

 

BEIRAT

Ein wichtiges Datum war für uns der 6. Oktober: die Konstituierung des erweiterten Beirats, die nach einer längeren Corona-Pause endlich stattfinden konnte. Mitglieder des Beirats sind nun:

Karl-Ernst Went, ehemaliger Bibliotheksreferent der Universität Oldenburg (Vorsitzender)

Prof. Dr. Alexander Cvetko, Professor für Musikpädagogik an der Universität Bremen

Prof. Dr. Dieter Senghaas, em. Professor für Soziologie und Friedensforscher an der Universität Bremen

Prof. Dr. Monika Tibbe, pens. Professorin für Soziale Kulturarbeit sowie Ästhetische Theorie und Praxis an der Fachhochschule Hannover

Prof. Dr. Gerd Winter, pens. Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bremen

Wir bedanken uns für ihr Interesse, ihre Unterstützung und eine anregende Sitzung!

 

PERSONAL

Im Februar 2021 mussten wir uns von unserer Mitarbeiterin apl. Prof. Kadja Grönke trennen. Wir danken ihr für die engagierte Arbeit, die sie seit 2010 für das Institut geleistet hat, und wünschen ihr alles Gute.

Annkatrin Babbe hat ihre Dissertation fertiggestellt und wird hoffentlich ihre Promotion Anfang 2022 abschließen können.

Ihnen allen, die Sie dem Institut mit freundlichem Interesse verbunden sind, wünschen wir, dass Sie in diesen merkwürdigen Zeiten zuversichtlich und gesund bleiben und im Jahr 2022 hoffentlich wieder unbeschwertere Zeiten erleben können.

Auch im Namen von Annkatrin Babbe, Luisa Klaus und Christiane Barlag herzliche Grüße!

Prof. Dr. Freia Hoffmann u. Dr. Volker Timmermann

 

Außer der Schleifmühle 28

28203 Bremen

Tel. 0421/70 05 40, info@sophie-drinker-institut.de