Jahresbericht 2020

Ein schwieriges Jahr neigt sich dem Ende zu. Es hat vielen von Ihnen, vor allem den HochschullehrerInnen, einige Umstellungen abverlangt, Eltern waren und sind während des Lockdowns und in Fällen von Quarantäne gefordert und belastet, beim Arbeiten im Homeoffice mussten technische Schwierigkeiten gelöst werden, und am schlimmsten sind die MusikerInnen und Soloselbständigen betroffen. Wir mussten im Sophie Drinker Institut geplante Kammermusik-Konzerte und Gesangskurse absagen und haben von vielen Freundinnen und Freunden erfahren, wie schwierig es in Corona-Zeiten ist, Instrumentalunterricht und Konzerttätigkeit unter diesen Umständen aufrecht zu erhalten.

Wir fangen deshalb unseren Jahresbericht mit einer sehr originellen Idee an, mit der Elisabeth Champollion es geschafft hat, das Sophie Drinker Institut wieder mit Klang und Gästen zu füllen. Der Vorschlag kam am 21. Juni per Mail:

„...Ich habe folgendes fantasiert...Ein Live-Konzert im Kleinstformat, einE HörerIn, einE MusikerIn; viel Abstand, Kurzkonzerte von 10–15 Minuten, mit verbindlicher Anmeldung... Ich denke an alles mögliche an Solorepertoire, vielleicht sogar zum Ankreuzen mit Wunschliste (?) erstmal mit mir, zusammen mit Mark Scheibe bzw. im Wechsel – ich spiele Klassik, er kann alle Chansons etc. und was er vor allem wunderbar kann: nach kurzem Gespräch mit dem Konzertgast eine persönliche Klavierimprovisation spielen...“.

Und so gab es am Samstag, 27. Juni, schon das erste 1:1-Konzert, mit Elisabeth Champollion und Mark Scheibe – selbstverständlich mit perfektem Hygienekonzept.

 

 

 

Weil es allen so gut gefallen hat, wurde das Modell am Sonntag, 30. August, erneut mit Elisabeth Champollion als Flötistin und Veranstalterin, wiederholt. Diesmal mit der Geigerin Franciska Hajdu und einem etwas anderen Repertoire: Solo-Kompositionen von Joh. Seb. Bach, Telemann, Westhoff, Boismortier. Und: eine Fantasie für Blockflöte solo von Mark Scheibe, die bei diesem Anlass uraufgeführt wurde.

 

 

Noch ein Lichtblick in Corona-Zeiten: Unsere Mitarbeiterin Luisa Klaus hat am 29. Mai einen Sohn zur Welt gebracht, Ruben Immanuel. Wir sind sehr stolz auf ihn! Er hat schon die notwendige Muskulatur, um eines Tages Flötist zu werden, und hört zurzeit gerne Schostakowitsch und Schubert.  

 

 

Unsere wissenschaftlichen Termine waren 2020 auf Corona-Maß geschrumpft bzw. ins Internet verlegt:

22. Jan. 2020. Freia Hoffmann: Vortrag im Sophiensalon des Forschungszentrums Musik und Gender in Hannover:  „Die Musik haben sie fast schon in allen Theilen in Beschlag genommen“.  Zur Geschichte des Musikstudiums von Frauen im 19. Jahrhundert.

11. Sept. 2020. Themenoffene Arbeitstagung der Fachgruppe Frauen- und Genderstudien der Gesellschaft für Musikforschung in Oldenburg. Freia Hoffmann: „Mme Schumann selbst kann ich ebenwohl als Mann nehmen“. Möglichkeiten und Grenzen für Lehrerinnen an Konservatorien im 19. Jahrhundert.

24. Okt. 2020. Vorträge bei der Tagung „Women in Nineteenth-Century Czech Culture“, Czech Academy of Sciences, Musicology Department, Prag. Annkatrin Babbe: Joseph Helmesbergers‘ Female Students and their Participation in Czech Musical Life. Freia Hoffmann: Die „daraus entspringende Unordnung“. Frauenstudium am Konservatorium in Prag.

3./4. Dez. 2020. Vorträge bei der Tagung „Zur musikalischen Ausbildung im 19. Jahrhundert“ an der Hochschule der Künste Bern. Annkatrin Babbe: What is „Wiener Schule“? Reflections on the Concept of Musical „Schools“. Volker Timmermann:  „…des Pudels Kern“. Das Kölner Konservatorium im Geflecht von munizipalen Interessen und bürgerlicher Partizipation.

 

Lehrveranstaltungen

Kadja Grönke hat im Sommersemester 2020 an der Universität Oldenburg die Veranstaltungen Tschaikowskys Oper 'Pique Dame': Wege der Annäherung an ein komplexes Werk“ und „Nachdenken über Musik (in) unserer Zeit: Peter Tschaikowsky als Objekt von Biographieschreibung“.

sowie im Wintersemester 2020/21 die Seminare „Nachdenken über Musik (in) unserer Zeit: Musik des 20./21. Jahrhunderts in Richard Powers‘ Roman „Orfeo“ (2024)“ und Auf der Suche nach einer Geschichte der französischen Musik“ abgehalten.

 

Veröffentlichungen

Luisa Klaus, „Objektive Bruckner-Interpretation? Zur Aufführung der Trio-Entwürfe für die Neunte Sinfonie 1940“, in: Rund um Beethoven. Interpretationsforschung heute, hrsg. v. Thomas Gartmann u. Daniel Allenbach, Schliengen 2019, S. 205–217.

Annkatrin Babbe, „(Handlungs-)Räume für Geigerinnen am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, in: Klingende Innenräume. GenderPerspektiven auf eine ästhetische und soziale Praxis im Privaten, hrsg. von Sabine Meine u. Henrike Rost (= Musik – Kultur – Geschichte 12), Würzburg 2020, S. 185–195.

Annkatrin Babbe, „Dirigentinnen im 21. Jahrhundert. Eine stetige Zunahme“, in: Musik und Gesellschaft. Marktplätze – Kampfzonen – Elysium, hrsg. von Frieder Reininghaus, Judith Kemp und Alexandra Ziane, 2 Bde., Bd. 2: Vom Vormärz bis zur Gegenwart. 1840–2020, Würzburg 2020, S. 538–542.

 

Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts

Nachzutragen ist, dass wir Ende 2019 als Band 16 unserer Schriftenreihe die Habilitationsschrift von Cordelia Miller veröffentlicht haben:

Musikdiskurs als Geschlechterdiskurs im deutschen Musiksschrifttum des 19. Jahrhunderts, Oldenburg 2019

 

Band 17 ist im Satz:

Annkatrin Babbe und Volker Timmermann (Hrsg.),

Konservatoriumsausbildung von 1795 bis 1945. Bericht über die Tagung des Sophie Drinker Instituts 15.–17. Februar 2019

 

In Vorbereitung der Band 18:

Anna-Christine Rhode-Jüchtern, Neue Wege des musikalischen Denkens: Maria Leo (1873–1942). Ein Leben für die Professionalisierung von Musiklehrerinnen

(voraussichtlich Herbst 2021)

 

und eine weitere Publikation in der Online-Schriftenreihe:

Monika Tibbe, Singen und Sagen. Die Kunst, ein Chanson vorzutragen

(voraussichtlich Januar 2021)

 

Neuigkeiten aus dem Marbe-Archiv

Im Januar widmete die Juilliard School New York ihr Festival „Trailblazers: Pioneering Women Composers of the 20th Century“. 32 Komponistinnen aus fünf Kontinenten. Aufgeführt wurde u. a. das Quintett „Des-cântec“ von Myriam Marbe auf der Basis der vom SDI gemeinfrei zur Verfügung gestellten Partitur. Das Programmbuch des Festivals nutzt ausführlich Kadja Grönkes Texte von der SDI-Homepage und enthält auch eine schöne Danksagung an das Institut. Festivalleiter Joel Sachs berichtete uns hinterher per Mail: „I am happy to tell you that the performance was superb, done by some of our finest wind players. I had a lot of extremely positive responses from members of the audience. […] I also want to thank […] for making Marbe's music so easily accessible. She was a superb composer and deserves performances.“

 

Geschichte der Konservatorien

Das wichtigste Thema im Jahr 2020 war allerdings unsere Forschung zu den Konservatorien des 19. Jahrhunderts. Die Texte sind weitgehend fertig, es folgen noch Zusatzmaterialien (Schülerlisten, Studieninhalte, Literaturverzeichnis), die wir auf unserer Homepage veröffentlichen wollen. Im Gegensatz zu Frankreich, England, Belgien und Italien, wo Anzahl und Typen der Konservatorien überschaubar sind, gab es in Deutschland eine vielfältige, jedenfalls sehr unübersichtliche Landkarte von teils herausragenden, teils nur regional bedeutsamen und einer Vielzahl von mittelgroßen bis kleinen Ausbildungsinstitutionen. Nach der Arbeit von Georg Sowa (Anfänge institutioneller Musikausbildung in Deutschland, 1973), die nur bis 1843, dem Gründungsjahr des Leipziger Konservatoriums, reicht, hat sich niemand an die Aufgabe gewagt, einen Überblick über die wichtigsten dieser Institutionen zu geben. Das Sophie Drinker Institut mit seinen vor Ort zusammenwirkenden WissenschaftlerInnen bot die Voraussetzungen, arbeitsteilig 16 Konservatorien zu bearbeiten, die umfangreichen Recherchen zu bewältigen und gleichzeitig die Texte in Fragestellung, institutionengeschichtlichem Ansatz und Gliederung so zu vereinheitlichen, dass eine homogene Darstellung erreicht werden konnte.

Mit dem Laaber Verlag unter der Leitung von Matthias Bückle haben wir über das dreibändige Werk im November 2020 einen Vertrag geschlossen. Für alle, die mit der musikwissen-schaftlichen Verlagslandschaft nicht vertraut sind: Der Laaber Verlag hat spätestens seit den 1980er Jahren in der Musikwissenschaft einen außerordentlichen Ruf, vor allem mit der Reihe „Große Komponisten und ihre Zeit“, dem Handbuch der Musikwissenschaft (13 Bde.), dem Handbuch der musikalischen Gattungen (17 Bde.), der Enzyklopädie der Kirchenmusik (6 Bde.) und weiteren Lexika und Nachschlagewerken. Im Dezember ist der erste von unseren drei Bänden beim Verlag abgeliefert worden, die weiteren folgen im Zweimonats-Abstand. (Um einen ersten Eindruck zu geben, hängen wir das Inhaltsverzeichnis hinten an.) So besteht die Chance, dass das Werk im Oktober 2021 vorliegt.

Und damit kommen wir zum letzten Punkt: Das Sophie Drinker Institut bereitet in Zusammenarbeit mit der Universität der Künste Berlin und der Kestenberg-Gesellschaft eine Tagung vor, Thema:

 

Das Lehren lernen. Anfänge und Stationen der Ausbildung von Instrumental- und Gesangslehrenden an der Schwelle zum 20. Jahrhundert.

Sie soll vom 15. bis 17. Oktober 2021 an der Universität der Künste in Berlin stattfinden, und wir haben – neben dem Vergnügen der Zusammenarbeit mit den MitveranstalterInnen – die Chance, nun Einzelaspekte unseres Konservatoriums-Themas zu vertiefen. Bei dieser Gelegenheit werden wir uns näher mit den Ausbildungsinhalten einzelner Instrumente und der Einrichtung von Seminaren beschäftigen, in denen im 19. Jahrhundert erstmals unter Aufsicht die Erteilung von Instrumental- und Gesangs-Unterricht geübt wurde.

 

Mit diesem optimistischen Blick ins Jahr 2021 verabschieden wir uns, wie immer mit den besten Wünschen für Sie. Bleiben Sie dem Sophie Drinker Institut verbunden!

 

Ihre

und  

 

(Prof. Dr. Freia Hoffmann)                               (Dr. Volker Timmermann)

Leiterin und Geschäftsführerin                        Geschäftsführer

 

 

 

 

Handbuch Konservatorien

Institutionelle Musikausbildung im deutschsprachigen Raum des 19. Jahrhunderts

hrsg. von Freia Hoffmann

 

Band 1

Einleitung

Jannis Wichmann, Die Kgl. Musikschule Würzburg, 1804.

Freia Hoffmann, Das Konservatorium für Musik in Prag, 1810/11.

Annkatrin Babbe, Das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, 1817.

Kadja Grönke, Das Kgl. Konservatorium der Musik zu Leipzig, 1843.

Volker Timmermann, Das Konservatorium der Musik in Köln, 1845.

Jannis Wichmann, Die Kgl. Akademie der Tonkunst München 1846.

 

Band 2

Freia Hoffmann, Das Stern’sche Konservatorium in Berlin, 1850.

Freia Hoffmann, Das Städtische Konservatorium der Musik in Straßburg, 1855.

Freia Hoffmann, Das Kgl. Konservatorium für Musik in Dresden, 1856.

Kadja Grönke, Das Kgl. Konservatorium für Musik zu Stuttgart, 1857.

Volker Timmermann, Die Kgl. akademische Hochschule für Musik in Berlin, 1869.

Christiane Barlag und Freia Hoffmann, Die Großherzogliche Musikschule Weimar, 1872.

Freia Hoffmann, Das Konservatorium der Musik in Hamburg, 1873.

 

Band 3

Annkatrin Babbe, Das Dr. Hoch’sche Konservatorium für alle Zweige der Tonkunst zu Frankfurt am Main, 1878.

Freia Hoffmann, Das Fürstl. Konservatorium der Musik in Sondershausen, 1883.

Luisa Klaus, Das Großherzogliche Konservatorium für Musik in Karlsruhe, 1884.

 

Quellentexte zur Geschichte der Konservatorien im 19. Jahrhundert

Abkürzungsverzeichnis

Glossar

Sachregister

Abbildungsverzeichnis