Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

SabininSabinina, von Sabinin, Sabbini, Martha, Marfa, Marthe, Marta Stepanovna

Transliteration: Sabinina, Marfa Stepanovna

* 30. Mai (11. Juni) 1831 in Kopenhagen, † 14. (26.) Dez. 1892 in Odessa, russische Pianistin, Klavierlehrerin und Komponistin. Martha [von] Sabinin (auf Russisch: Marfa Sabinina) wurde nach dem in Russland gültigen julianischen Kalender am 30. Mai (d. i. vor Ort in Dänemark der 11. Juni) 1831 in Kopenhagen geboren, wo ihr Vater als russisch-orthodoxer Geistlicher an der dortigen Botschaft des Zarenreichs tätig war. 1837 übersiedelte die Familie mit der russischen Gesandtschaft nach Weimar, und Stepan Karpowitsch Sabinin (1789–1863) wurde dort Propst und Beichtvater der Zarentochter, Großfürstin Maria Pawlowna. Als hochgebildeter Mann, der neben seiner Tätigkeit als Geistlicher Historiker und Sprachwissenschaftler war, wurde Sabinin zu einer prägenden Gestalt des slawisch-deutschen Kulturaustauschs. Die gastfreundliche Familie, die bezeichnenderweise im ehemaligen Haus der Frau von Stein an der Ackerwand residierte, bildete eines der geselligen Zentren im Weimar der 1840er und 1850er Jahre und „wurde von den meisten Künstlern, Schriftstellern, Wissenschaftlern, Geistlichen, Diplomaten etc. besucht“ (Lossewa, S. 197). Dabei profitierten die sechs Töchter und fünf Söhne des Hauses von den vielseitigen Kontakten und umfassenden Interessen des Vaters ebenso wie von den künstlerischen Neigungen der Mutter: Alexandra Sabinin geb. Wescheserowa (1807–1882) spielte Klavier, übersetzte Goethe ins Russische und erhielt für ihre Gemälde eine Silbermedaille der Petersburger Kunstakademie.

 

 

Alma Froriep (1832–1910) zugeschrieben:
Porträt der Pianistin Martha von Sabinin (um 1855).
Bleistift gewischt auf Karton (19,3 x 15,3 cm).

 

Auch ihre Tochter Martha nahm schon früh regen Anteil am gesellschaftlichen und kulturellen Leben Weimars und kannte die meisten berühmten MusikerInnen ihrer Zeit persönlich. Ab dem Alter von zehn Jahren ging sie regelmäßig in Konzerte, aber ihre musikalische Ausbildung begann schon 1839 mit Lektionen bei dem Weimarer Klavierprofessor (und ehemaligen Potsdamer Musikdirektor) Gustav Kellner (1809–1849). Später erhielt sie Klavier- und Musiktheorieunterricht bei dem Hummel-Schüler Johann Gottlob Töpfer (1791–1870), der als Organist an der Weimarer Stadtkirche St. Peter und Paul wirkte, als Interpret und Orgelsachverständiger überregional geschätzt wurde und dessen Improvisationstalent Martha Sabinin stark beeindruckte. Bei ihm studierte sie Musik von Moscheles, Kullak, Steibelt, Dussek und Cramer ein sowie Werke von Mozart, Haydn und sämtliche Beethoven-Sonaten bis op. 101. Daneben nahm sie Gesangsunterricht bei den Tenören Heinrich Theodor Knaust (1805–1865) und Franz Götze (1814–1888) und partizipierte ab 1843 an den Zusammenkünften des Singvereins (bis 1844 unter der Leitung des Weimarer Hoftheater-Chorleiters August Ferdinand Häser, 1779–1844). Ab 1849 veranstaltete Martha Sabinin mit ihren Freundinnen regelmäßig selbst Musikabende und spielte bei den Soireen am Hof Klavier.

Ihr Wunsch nach weiterer Qualifizierung führte Martha Sabinin am 19. Mai 1850 mit einer Empfehlung des Weimarer Kirchenmusikdirektors und Komponisten Carl Montag (1817–1864), der auch Rezensent für die „Allgemeine musikalische Zeitung“ war, zu Clara Schumann nach Dresden. Da sie die berühmte Pianistin und Klavierlehrerin dort nicht antraf, reiste Sabinin nach Leipzig weiter, wo sie vom 28. Mai bis zum 19. Juli 1850 Clara Schumanns Schülerin war. Von Nov. 1850 bis März 1851 setzte Sabinin ihre Studien in Düsseldorf fort (möglicherweise auch bei Robert Schumann; vgl. Grove 2001) und erhielt parallel dazu Theorieunterricht bei Robert Schumanns Assistenten und späterem Nachfolger im städtischen Musikverein, Julius Tausch (1827–1895) – den sie allerding aus menschlichen Gründen als wenig effektiv empfand. Dennoch gehörte eine solche Arbeitsteilung zum Unterrichtskonzept Clara Schumanns, da diese seit frühester Jugend den Wert einer umfassenden Musikausbildung schätzen gelernt hatte. Insgesamt entstand ein freundschaftlicher Kontakt, der auch über Martha Sabinins Lehrzeit hinaus anhielt und 1854 in Clara Schumanns Besuch im Weimarer Haus der Sabinins gipfelte.

In einem ersten öffentlichen Konzert führte Sabinin am 6. Febr. 1851 gemeinsam mit zwei weiteren Schülerinnen Clara Schumanns (Nanette Falk und Karoline Dupré) eines der beiden Konzerte für drei Klaviere (bzw. Cembali) und Streicher (d-Moll BWV 1063 oder C-Dur BWV 1064) von Johann Sebastian Bach auf. In Düsseldorf sang sie außerdem Alt in dem von Robert Schumann geleiteten Chor des Städtischen Musikvereins und nahm Unterricht bei der mit den Schumanns befreundeten Altistin Sophie Schloss (1822–1903).

Robert Schumanns Rat, in ihrer Ausbildung vom Klavier zum Gesang zu wechseln, beherzigte Sabinin zwar nicht, setzte aber ihre sängerischen Aktivitäten fort. Nach Weimar zurückgekehrt, gründete sie im Herbst 1851 ein Vokalquartett, „aus dem ihr Privatchor hervorging“ (Julia M. Nauhaus), wirkte in dem von Carl Montag geleiteten Singverein mit und nahm auch weiter Musiktheoriestunden. Darüber hinaus hatte sie (ebenso wie zwei ihrer Brüder, die von der großherzoglichen Familie Reisestipendien nach Rom bzw. Belgien erhielten) von der Mutter offenbar die Neigung zur Malerei geerbt, denn sie besuchte außerdem die Weimarer Malerschule.

1841 erlebte Martha Sabinin erstmals Franz Liszt (1811–1886). Seine Übersiedlung nach Weimar wurde 1849 von ihrer Familie zunächst eher skeptisch zur Kenntnis genommen, da man moralische Bedenken hegte (vgl. Lossewa, S. 198), aber über die beiderseitige Teilnahme am Weimarer Kulturleben kam es dennoch zur Bekanntschaft. 1853 hörte Liszt Martha Sabinin auf einer Konzertprobe und erbot sich, sie als Schülerin anzunehmen. „From Liszt’s letters to his pupil [Marie Sayn-Wittgenstein] in 1855, we know Martha came to the Altenburg for lessons on Thursdays, that he treated her with affectionate esteem, and that there was a certain amount of socializing between the households“ (Pocknell 2000, S. 47).

Liszt unterrichtete Martha Sabinin bis 1860; parallel dazu nahm Sabinin zwischen 1853 und 1855 auch Klavierstunden bei Peter Cornelius (1824–1874). Obwohl Liszt anfangs die fehlende Zartheit Ihres Spiels bemängelte, schätzte er „her ,musically well-tempered freedom and flow‘“ (New Grove 2001), spielte offenbar gern vierhändig mit ihr, nahm ihre Hilfe beim Unterrichten, beim Führen seiner umfangreichen Korrespondenz und beim Korrekturlesen seiner Musik in Anspruch und vertraute ihr Erinnerungen und musikalische Ansichten an, die sie später im Rahmen ihrer Aufzeichnungen publizierte (Sabinina, Iz zapisok). Im Gegenzug dazu stand er seiner Schülerin mit Rat und Tat zur Seite, als sie in der zweiten Hälfte der 1850er Jahre zu komponieren begann.

Mit seiner Wertschätzung stand Liszt nicht allein. Joachim Raff widmete Martha Sabinin seine Romanze op. 41 (1853), und Ingeborg von Bronsart komponierte eine Fuge über die Namen Maria und Martha von Sabinin (1859) – ein Zeichen dafür, dass sich die junge Künstlerin durch ihr lebhaftes musikalisches Engagement, das weit über den gesellschaftlichen Kontext eines Salons hinausging, einen festen Platz in der Kulturstadt Weimar errungen hatte.

In demselben Jahr, in dem Sabinin Liszts Schülerin wurde, intensivierten sich ihre ohnehin schon engen Beziehungen zur Familie Romanow: 1853 ernannte die Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach (1824–1897, Enkelin Zar Pauls I.) sie in Weimar zur Hofpianistin und überließ ihr den Klavierunterricht ihrer Tochter, der Prinzessin Marie (1849–1922). 1855 wurde Martha Sabinin in Stuttgart der Großfürstin Olga Nikolajewna Romanowa (1822–1892, Königin von Württemberg) vorgestellt. Ihr Spiel bei Hofe war eine solche Sensation, dass die Künstlerin erwog, zu Verwandten nach Stuttgart überzusiedeln, wie Franz Liszt am 21. Juli 1855 Agnes Street-Klindworth mitteilte (Pocknell 2000, S. 64). Ende desselben Jahres unternahm sie mit ihrer Mutter eine Reise nach Moskau und St. Petersburg, wo sie der Zarenwitwe Alexandra Fjodorowna Romanowa (1798–1860) vorspielte. Anfang des Folgejahres (1856) übernahm Sabinin den Musikunterricht am Weimarer Sophien-Stift, einem Institut für adelige junge Mädchen, hatte aber weiterhin auch Privatschülerinnen, unter ihnen die später als Komponistin, Pianistin und Musikwissenschaftlerin erfolgreiche Russin Ella Adaïewsky (1846–1926). Im Frühjahr 1857 reiste Sabinin dann ein zweites Mal nach St. Petersburg, wo sie viermal öffentlich auftrat (am 20. Jan./1. Febr., 24. Febr./8. März und 10./22. März in St. Petersburg und am 29. März/10. Apr. 1857 in Moskau). In ihrem Gepäck hatte sie ein auf den 10. Jan. 1857 datiertes Zeugnis von Franz Liszt, in welchem der berühmte Künstler ihr bescheinigt, sie sei [a] clever woman and excellent musician and pianist […] perfectly able to teach others about in a most agreeable manner. […] She has been for several years […] Court Pianist and teacher at the Institute for Noble Young Ladies […]. She especially excels in execution of classical music and ensemble (Pocknell 2000, S. 113).

Das Zeugnis und die intensiven Kontakte zum Zarenhaus hatten Folgen. Sabinin kam ihren umfangreichen künstlerischen und gesellschaftlichen Aktivitäten in Weimar nur noch bis 1860 nach. Dann ging ihre Tätigkeit als Sächsisch-Weimarische Hofpianistin und Klavierlehrerin der Prinzessin Maria an die ebenfalls von Liszt protegierte Aline Hundt über, und Martha Sabinin wechselte für acht Jahre an den St. Petersburger Zarenhof, wo sie den Musikunterricht der Prinzessin Maria Alexandrowna (1853–1920, später Prinzessin von Großbritannien und Irland) und dann auch des Großfürsten Sergei Alexandrowitsch (1857–1905) übernahm und ab 1862 zusätzlich als Gehilfin der Erzieherin der Prinzessin Maria Alexandrowna fungierte. In Russland verblieb Martha Sabinin bis an ihr Lebensende und wurde vermutlich dort in den Adelsstand erhoben (Wendt), auch wenn sie von der „Neuen Zeitschrift für Musik“ und auf den Titelblättern ihrer Liederhefte op. 1 bis 3 schon vorher als Martha von Sabinin tituliert wurde.

Die Berufung an den Zarenhof gab ihrem Leben eine grundsätzlich neue Richtung. In der zweiten Hälfte der 1850er Jahre hatte Sabinin zielstrebig eine professionelle Karriere als Pianistin und Komponistin in Angriff genommen, war gereist, hatte konzertiert, ihre ersten Kompositionen publiziert und plante eine Oper über das Sujet der Loreley. Die Berufung an den Zarenhof machte ihr künstlerische Auftritte in der Öffentlichkeit jedoch unmöglich, da sie als Hofdame nicht mehr öffentlich auftreten oder einen Beruf ausüben durfte und den Verhaltensnormen des Adels unterworfen war. Mit der Übersiedelung nach Russland enden dann auch ihre später verfassten Aufzeichnungen (Sabinina, Iz zapisok), und die eingedeutschte Fassung ihres Namens, unter der sie sich als Musikerin präsentiert hatte, wurde durch die russische Namensform „Sabinina“ abgelöst.

An die Stelle der künstlerischen Profilbildung und der Führung eines musikalischen Salons rückten fortan das karitative und das religiöse Moment: Von 1866 bis 1868, also noch während ihrer Zeit am Zarenhof, engagierte Sabinin sich – ebenso wie die Zarin Maria Alexandrowna – für die Gründung einer russischen Sektion des Roten Kreuzes und trat 1868 in den von der Zarin gegründeten Orden der Schwestern der Barmherzigkeit ein. Während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 entsandte die Zarin sie in die betroffenen Gebiete, schickte sie 1876 zur Errichtung eines Feldlazaretts nach Belgrad sowie während des Russisch-Türkischen Kriegs 1877/78 nach Rumänien zur Betreuung der Lazarettzüge. Außerdem organisierte Sabinin ein Lazarettschiff für die Donau, richtete unter anderem in St. Petersburg ein Lazarett ein, „gründete zahlreiche Spitäler und Ambulanzen [und war] [...] Oberin der Freiwilligen Kriegskrankenpflege“ (Goltz/„Thüringer Tageblatt“). Ihr Engagement wurde – nicht nur von Russland – mit insgesamt sechs Orden gewürdigt.

Sabinins Hauptaufenthaltsort war freilich das Landgut ihrer Freundin, Baronin Frederiks, auf der Krim. Dort widmete sie sich zwischen 1872 und 1876 dem Bau einer Kirche und dem Aufbau einer Gemeinde, der sie bis an ihr Lebensende vorstand, errichtete 1878 ein Krankenhaus, beschäftigte sich mit der Weinbereitung (Lossewa 1997, S. 200) und verfasste 1880 auf der Basis alter Tagebuchaufzeichnungen ihre Lebenserinnerungen, deren Original-Manuskript derzeit verschollen zu sein scheint. Auszüge – die möglicherweise eine Übersetzung darstellen könnten (vgl. Lossewa 1997, S. 201), da Sabinina in ihren ersten elf Lebensjahren überwiegend Dänisch und Französisch sprach (Lossewa 1997, S. 203), – erschienen zwischen 1900 und 1902 in der bekannten Zeitschrift „Russkij archiv“.

In der Nacht zum 9. Juli 1882 fielen Sabinins Mutter und vier ihrer Schwestern, die ebenfalls auf der Krim lebten, einem Raubmord zum Opfer, dem Sabinin selbst nur entging, weil sie auf Reisen war (vgl. Odesskij vestnik [Odessaer Bote] 157 und 160 vom 16. und 20. Juli 1882). Zehn Jahre später starb Martha Sabinin an den Folgen eines Schlaganfalls und einer Herzkrankheit in Odessa.

Als Pianistin wie als Komponistin scheint Sabinin gezielt Leistung und Professionalität angestrebt zu haben – wohl mit Erfolg. Zwar bleibt zu berücksichtigen, dass sie vorwiegend in geschlossenen Zirkeln konzertierte (insbesondere bei Hof), deren Wertschätzung sie sich sicher sein konnte. Aber schon früh hatte sie sich ein breites Solorepertoire mit einem Schwerpunkt auf anspruchsvollen Werken von Chopin, Mendelssohn und Liszt angeeignet und musizierte auch kammermusikalisch, indem sie SängerInnen begleitete (u. a. Johanna Wagner, die Nichte des Komponisten), mit Liszt vierhändig spielte und regelmäßig kleiner besetzte Werke vortrug – insbesondere in Arrangements von Franz Liszt (Hummels Septett d-Moll in Liszts Bearbeitung für Klavier solo und Kammerensemble oder Liszts eigene Fassung seiner Tondichtung Les Préludes für zwei Klaviere).

Die künstlerische Verbindung zu Liszt, die sich auch nach Sabinins Weggang aus Weimar in einem vertrauten Briefwechsel niederschlug, scheint für Martha Sabinin prägend gewesen zu sein. So lobt die „Neue Zeitschrift für Musik“ schon 1855 bei einem Konzert in Jena „die ausgezeichneten Leistungen des Frl. v. Sabinin, (einer Schülerin von Liszt) auf dem Pianoforte. – Letztere spielte Weber’s Polonaise mit der Orchestration von Liszt, sowie Nocturne, Walzer und Mazurka von Chopin mit dem allgemeinsten Beifall, dem man ihrem künstlerischen und noblen Spiel allenthalben spenden wird“ (NZfM 1955 I, S. 84). 1859 rühmt ein Rezensent: „Eine talentvolle Künstlerin aus Liszt’s Schule, theilt sie die Vorzüge der Auserwählten dieser Genossenschaft: eine musterhafte Technik zu Diensten einer dichterischen Reproduction. Wie in ihrem Nocturne die elegische Weichheit und der Schmelz der Darstellung, so gelang ihr in Liszt’s ungarischer Rhapsodie die Vereinigung der capriciös contrastirenden Elemente mit Anmuth und Kraft“ (NZfM 1859 II, S. 218). In Erfurt heißt es sogar: „Markiger Anschlag und zarte Eleganz des Spiels, verbunden mit geistreichem, feurigem Vortrage sind Eigenschaften, welche Frl. v. Sabinin zu den ersten Vertretern der Liszt’schen Schule stellen“ (NZfM 1859 II, S. 219). Entsprechend erwähnt Sabinin in ihren Erinnerungen ihre ungewöhnliche physische Kraft. Die „Neue Zeitschrift für Musik“ kritisiert 1859 jedoch, dass bei einem Konzert in Stuttgart „das H moll-Capriccio von Mendelssohn und Poême d’amour von Henselt […] mit zwar hübschem, aber für die Ungunst des Raumes zu schwachem Anschlage“ gespielt worden seien (NZfM 1859 I, S. 200); und 1860 heißt es über einen Schumann-Abend in Zwickau: „Frl. v. Sabinin hat [...] Feinheit, Eleganz und geistige Belebung, wenn auch zur Zeit noch weniger die höhere technische Bravour“ (NZfM 1860 I, S. 223).

Eindeutiger sind die Äußerungen über Sabinins kompositorische Aktivitäten. In Zwickau spielte die Künstlerin 1859 „ein Nocturne (angeblich von Chopin) [...]. Was das Nocturne anlangt, so glauben wir keine schlimme Indiscretion zu begehen, wenn wir die Autorschaft der Künstlerin selbst ans Licht ziehen. Als wir das Nocturne zuerst unter Chopin’s Namen hörten, fesselte es uns sowohl durch seine zarte Melodie, seine feinen Züge in der Harmonie und im Claviersatz [...], bis unsere Verwunderung durch das Eingeständniß dieser artigen Mystification gelöst wurde. Fräulein Sabinin erntete gleichfalls reichen und wohlverdienten Beifall“ (NZfM 1859 II, S. 218).

Eine solche Geheimnistuerei wäre freilich nicht nötig gewesen, denn bereits 1855 druckte die „Neue Zeitschrift für Musik“ eine Verlagsankündigung zu Martha Sabinins Liederheft Opus 1 (NZfM 1855 II, S. 120) sowie überraschend ausführliche Rezensionen ihrer ersten drei Liedersammlungen (NZfM 1855 II, S. 167f.; 1858 II, S. 237; 1859 II, S. 193f.). All diese Texte wägen – trotz aller offenbar galant gemeinten Verneigungen vor der Dame und den darin mitschwingenden Klischees – vergleichsweise differenziert zwischen gesetzten Vorurteilen und sachbezogener Werkbeschreibung ab und schätzen Sabinins kompositorische Ambitionen grundsätzlich positiv ein.

 

KLAVIERWERKE

Portraits musicaux. 11 Pièces de Salon op. 5 (1862)

 

LITERATUR

Marfa Sabinina, „Iz zapisok Marfy Stepanovny Sabininoj“ [Aus den Aufzeichnungen der Marta Stepanowna Sabinina], in: Russkij Archiv [Zeitschrift Russisches Archiv] 1900, 38. Jg., 1. Buch, Teilband 1–4, S. 519-544; 2. Buch, Teilband 5, S. 37–67, Teilband 6, S. 113–144, Teilband 8, S. 498–517; 1901, 39. Jg., 1. Buch, Teilband 1, S. 119–140, Teilband 3, S. 520–526; 2. Buch, Teilband 5, S. 145–154, Teilband 6, S. 262–277, Teilband 7, S. 438–446, Teilband 8, S. 576–586; 3. Buch, Teilband 9, S. 49–80, Teilband 10, S. 229–250, Teilband 11, S. 422–428; 1902, 1. Buch, Teilband 1, S. 326–336.

Marfa Sabinina [?], [Erinnerungen an Franz Liszt, MS], Aufbewahrungsort MS: Staatliche Öffentliche Bibliothek St. Petersburg, Sign. F 437/F. Liszt/Nr. 24.

N. A. [= Nadežda Almazova], Pamjati Marfy Stepanovny Sabininoj [Zur Erinnerung an Marfa Stepanovna Sabinina], in: Istoričeskij vestnik [Historischer Bote] Nr. 2, Februar 1893, S. 511–517.

[Artikel über den Raubmord an der Familie], in: Odesskij vestnik [Odessaer Bote] 157 und 160 vom 16. und 20. Juli 1882.

NZfM 1855 I, S. 84; 1855 II, S. 120, S. 167; 1856 II, S. 164; 1857 II, S. 195, S. 221; 1858 II, S. 237; 1859 I, S. 200; 1859 II, S. 193f., S. 218f.; 1860 I, S. 223; 1860 II, 127f., S. 162, S. 208; 1862 II, S. 26; 1871, S. 327

MuzEnc/Dopolnenie [Ergänzungsband], Muzykalnaja Encyklopedija 1973–1982, Cohen, MuzSlov, New Grove 2001, MGG 2000 (Art. Liszt, Franz)

[Artikel zum 25jährigen Bestehen des russischen Roten Kreuzes], in: Russkij Archiv [Russisches Archiv] 7 (1891).

[Franz Liszt,] Franz Liszts Briefe, hrsg. von La Mara, Leipzig 1893–1902.

Schorn, Adelheid von, Zwei Menschenalter: Erinnerungen und Briefe aus Weimar und Rom, Berlin 1901.

N. Szolncev, „Liszt Ferenc tizenhat levele orosz tanítványához, Marfa Sabinyianához“ [16 Briefe von Liszt an seine russische Schülerin Marfa Sabinin], in: Magyar zene, 14 (1973), S. 281–298.

Anya Laurence, Women of Notes: 1000 Women Composers Born Before 1900, New York 1978.

H. Goltz, „Viele Jahre war er Weimar treu. Der Erzpriester Stephan Sabinin. Ein Beitrag zur kulturellen und kirchlichen Ökumene“, in: Thüringer Tageblatt Nr. 113 (14. Mai 1983), S. 3.

Pauline Pocknell, „Author! Author! Liszt’s Prayer An den heiligen Franziskus von Paula, in: Journal of the American Liszt Society 30 (1991), S. 28–43.

Pauline Pocknell: „And Furthermore ... The First Performance of Liszt’s ‚An den Heiligen Franziskus von Paula‘, in: Journal of the American Liszt Society 33 (1993), 37–43.

Olga Lossewa, „Marfa Sabinina und ihre Erinnerungen an Clara und Robert Schumann“, in: Gerd Nauhaus (Hrsg.): Schumann Studien 6, hrsg. von Gerd Nauhaus, Sinzig 1997, S. 195–224.

[Franz Liszt,] Franz Liszt and Agnes Street-Klindworth. A correspondence, 1854–1886, hrsg. von Pauline Pocknell, Hillsdale/NY 2000.

[Franz Liszt] Liszt letters in the Library of Congress, hrsg. von Michael Short, Hillsdale/NY 2003.

Renate Hüsken, Ella Adaïewsky (1846–1926). Pianistin, Komponistin, Musikwissenschaftlerin, Köln 2005.

Bernhard R. Appel (Hrsg.), Robert Schumann in Endenich (1854–1856): Krankenakten, Briefzeugnisse und zeitgenössische Berichte (= Schumann Forschungen 11), Mainz 2006.

Klára Hamburger, „Franz Liszts Briefe an Emilie Merian-Genast aus den Beständen des Goethe- und Schiller-Archivs, Weimar, Teil 2“, in: Studia Musicologica 49 (2008), S. 353–390.

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Kadja Grönke, Die Liszt-Schülerin Martha Sabinin, in: Die Tonkunst 5 (2011), S. 478–491.

J. M. N. [d. i. Julia M. Nauhaus], [Biographische Informationen], http://www.schumann-portal.de/pgcms/output.php?PAGE_ID=2468&PHPSESSID=3096496214b917dc0c687da462f19e52, Zugriff am 22. Apr. 2010.

[Biographische Informationen], http://www.deutschesfachbuch.de/info/detail.php?isbn=3795705274&part=4&words=&PHPSESSID=sp#word1, Zugriff am 22. Apr. 2010.

[Women of history], http://abitofhistory.net/html/rhw/s_body.htm, Zugriff am 22. Apr. 2010.

 

Bildnachweis

Alma Froriep (?), Porträt der Pianistin Martha von Sabinin. Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Stadtmuseums Weimar/Dr. Alf Rößner.

Martha Sabinin, Ende der 1870er Jahre. Porträtzeichnung von R. (?) Borel, aus: Istoričeskij vestnik 1893, Nr. 2, S. 513: Lossewa, S. 201.

 

Kadja Grönke

 

© 2010 Freia Hoffmann