Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Longhi, Caroline, Carolina (Delphine), verh. Möser

* Zwischen 1. Jan. 1792 und 31. Dez. 1793 in Neapel, † 19. Mai 1829 in Stockholm, italienische Harfenistin, Pianistin und Violinistin. Sie war die Tochter des Opernkomponisten Leopold Longhi (ca. 1770– ca. 1845) und mutmaßlich Schülerin Muzio Clementis (Klavier) und François-Joseph Nadermans (Harfe). Über ihre weitere musikalische Ausbildung ist nichts bekannt, ebenso wenig über die Beweggründe, die sie nach Deutschland führten. Nach Sittard konzertierte Caroline Longhi bereits im Jahr 1802 in Hamburg. Weitere Konzerte, bei denen Caroline Longhi Klavier und Harfe spielte und u. a. ein nicht näher bezeichnetes „Arabisches Concert“ vortrug, fanden Ende 1808 und Anfang 1809 in Wien statt. Bei einem Auftritt im selben Jahr in Wien wirkte auch der junge Ignaz Moscheles mit. Ab 1810 ist eine regelmäßige Konzerttätigkeit in verschiedenen Städten Deutschlands nachgewiesen. Sie trat u. a. in München, Mannheim, Weimar, Berlin und Wien  auf. Im Mai 1811 spielte sie im Leipziger Gewandhaus. Im selben Jahr reiste sie nach Prag und spielte im Nov. erneut in Wien.Die Kritiken waren dabei durchweg positiv. Vor allem auf der Harfe „fand sie den lautesten Beyfall [...]. Die Kraft, und dann auch wieder die Zartheit – nur beydes meistens in gar zu scharfen Gegensätzen – womit sie die Harfe behandelt; ihre grosse Fertigkeit und Lebendigkeit; und alles dies im Zusammenwirken mit ihrer interessanten Erscheinung überhaupt, wird ihr überall, besonders aber, wo man die rasche Lebendigkeit, Energie und vielgewandte Eigenthümlichkeit der Neapolitanerinnen zu bemerken nicht gewohnt ist, einen ausgezeichneten Beyfall sichern“ (AmZ 1811, Sp. 381). Ein Rezensent des „Journal des Luxus und der Moden“ betont angesichts eines Konzerts von Caroline Longhi die Angemessenheit von äußerer Erscheinung und Instrumentenwahl: „Diese erfreuliche Erscheinung hat denn auch schon unter unsern Schönen mehrere Proselyten für die Harfe gemacht; denn freilich hinter diesem königlichen, alt-testamentarischen Instrumente kann sich eine schöne weibliche Gestalt in allen ihren Bewegungen und den Ausdrücken ihrer Empfindungen weit vortheilhafter produziren, als vor den langen und breiten Fortepiano’s; hinter jenem Instrumente sitzt die ganze Figur frei, und nur die zarten Finger der Spielerin sind beschäftigt“ (Journal des Luxus und der Moden 1810, S. 23). 1811 schreibt Karl Friedrich Reinhard in einem Brief an Goethe, den er Caroline Longhi mitgab, die Überbringerin „sei eine ausgezeichnete Virtuosin auf der Violina [sic] und der Harfe, und ein Engagement bei König Jérôme von Westfalen sei nur knapp gescheitert“ (Briefe an Goethe 6, Nr. 84). Ab 1812 konzertierte sie gemeinsam mit dem Violinisten und Komponisten Carl Möser (1774–1851), den sie im Apr. 1813 ehelichte.

Zusammen mit ihrem Ehemann führte sie – überwiegend im gemeinsamen Wohnort Berlin – ihre Konzerttätigkeit fort (u. a. nachgewiesen in den Jahren 1819, 1821 und 1824). Um 1825 ließ sie sich von ihrem Ehemann scheiden. In die bis dahin überwiegend positive Rezeption mischen sich nun kritische und nationalistische Töne. So bemängelt die „Allgemeine musikalische Zeitung“ „das selbe Uebermass von Kraft, dieselbe ungemeine Fertigkeit, aber auch jene Kälte, jene eitle Prunksucht, die sie weit unter unsere deutsche Spohr [Dorette Spohr] stellen, welche damals noch mit einer Hand voll lautern Gefühls die Harfe rührte“ (AmZ 1826, Sp. 543). Nach Ledebur verließ sie 1825 Deutschland, um eine Anstellung „als erste Harfenistin und Directrice“ in Italien anzunehmen. 1826 gab sie jedoch wieder ein Konzert im Hoftheater Weimar. Wolfram Huschke zufolge wurde nur sehr wenigen MusikerInnen die Genehmigung erteilt, hier ein eigenes Konzert zu geben, zwischen 1819 und 1837 waren dies nur Caroline Longhi und Niccolò Paganini. Voraussetzung war das außerordentliche Interesse des Hofes sowie eine große Beliebtheit beim Publikum.

Im selben Jahr konzertierte die Musikerin auch in Augsburg und München, in Frankfurt a. M. sowie vermutlich in Stuttgart. Auch 1827 spielte Caroline Longhi wieder in Frankfurt, wo sie sich laut „Berliner Allgemeiner Musikalischer Zeitung“ niedergelassen habe; zudem spielte sie in Karlsruhe. Am 12. Mai 1828 trug sie in Hamburg eine selbst komponierte Romanze und Polonaise für die Harfe vor. 1828 sind Auftritte in Doberan und in Hannover nachgewiesen. Caroline Longhi erweiterte jetzt ihren Aktionsradius: So reiste sie im Winter 1827/28 nach Utrecht und konzertierte dort, und die „Allgemeine musikalische Zeitung“ meldet für die Wintersaison 1828/29 ein Konzert in Kopenhagen.

Im Winter 1828/29 unternahm Caroline Longhi eine Konzertreise nach Schweden, die sie nach Kalmar (Jan. 1829), Linköping (Febr. 1829) und einer Anzeige im „Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten“ zufolge im Febr. 1829 nach Stockholm führte. Hier konzertierte sie noch im April 1829. Kurze Zeit später starb sie dort infolge einer nicht näher bezeichneten Krankheit am 19. Mai 1829. Sie hinterließ einen Sohn Jules Edward Charles, geb. am 20. Aug. 1826 in Stuttgart.

Caroline Longhi unterrichtete offenbar auch, sie war „vormalige Lehrerin mehrerer K. Preußischen Prinzessinnen, namentlich I. M. der jetzigen Kayserin von Rußland“ (Charlotte von Preußen, später Alexandra Fjodorowna, Staats- und Gelehrte-Zeitung, 30. Apr. 1828).

Caroline Longhis Repertoire für die Harfe umfasste u. a. Werke von François-Adrien Boieldieu, Michele Carafa, Johann Simon Mayr, Rossini und Naderman. Als Pianistin spielte sie u. a. Musik von Johann Cramer, Antonio Rosetti und Daniel Steibelt.

 

WERKE FÜR HARFE

Konzert, Variationen über Mich fliehen alle Freuden, Romanze, Polonaise

 

LITERATUR

AmZ 1809, Sp. 270, 625f.;1810, Sp. 457f.; 1811, Sp. 381; 1812, Sp. 113, 275, 320; 1813, Sp. 99, 115, 160, 347; 1814, Sp. 339; 1815, Sp. 255f.; 1816, Sp. 266, 603; 1817, Sp. 277, 433; 1819, Sp. 343, 398; 1820 Sp. 339, 629; 1821, Sp. 796; 1823 Sp. 186; 1824 Sp. 862; 1826, Sp. 445, 543; 1827, Sp. 185; 1829, Sp. 821

Augsburgische Ordinari Postzeitung 2. Juni 1826

Berliner AmZ 1811, Sp. 381; 1824, S. 423; 1827, S. 104

Die Biene. Ein Unterhaltungsblatt aus dem Gebiete der Literatur und Kunst 1828, S. 640

Carlmar Tidning 1829, 24., 28. Jan., 18. Febr., 27. Juni

Christianstads Weckoblad 3. Jan. 1829

Didaskalia oder Blätter für Geist, Gemüth und Publizität [Frankfurt a. M.] 11. Aug. 1826

Frankfurter dramaturgisches Wochenblatt, ein Beiblatt zum allg. musikalischen Anzeiger 1827, S. 12

Iris 1826, S. 360; 1827, S. 58

Journal des Luxus und der Moden 1810, S. 23; 1811, S. 404f., S. 509f.; 1812, S. 268; 1813, S. 185

Karlsruher Zeitung 3. Mai 1827

Linköpingsbladet 7. Febr. 1829

Morgenblatt für gebildete Stände 1813, S. 188

Neckar-Zeitung [Stuttgart] 25. Juli 1826

Neue Dramaturgische Blätter 1828, S. 101f.

Norrköpings Tidningar 1829, 11., 14. Febr.

Nouvelles Litteraires et Politiques [Mannheim] 6. Febr. 1810.

Der Sammler 1811, S. 560.

Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten 1828, 30. Apr.; 1829, 6., 13. Juni

Stockholms Dagblad 1829, 11., 13. Apr.

Utrechts Volksblad 1827, 28. Dez.; 1828, 2., 25. Jan.

Wiener Zeitung 17. Dez. 1808

Dlabacz, Schilling, Gathy, Ledebur, MGG 1 (Art. Möser, Carl)

André‘s Handlexikon der Tonkunst, bearb. von S. Kümmerle, Offenbach 1875.

Briefe an Goethe. Gesamtausgabe in Regestform 6 (1811–1815), Weimar 2000.

Ludwig Wollrabe, Ludwig Wollrabe’s Chronologie sämmtlicher Hamburger Bühnen, nebst Angabe der meisten Schauspieler, Sänger, Tänzer und Musiker, welche seit 1230 bis 1846 an denselben engagirt gewesen und gastirt haben, Hamburg 1847.

Thomas Overskon, Den Danske Skueplads, i dens historie, Kopenhagen 1862.

Fredrik August Dahlgren, Anteckningar om Stockholms Theatrar, Stockholm 1866.

Eduard Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien, 2 Bde., Bd. 1, Wien 1869, Repr. Hildesheim [u. a.] 1979.

Josef Sittard, Geschichte des Musik- und Concertwesens in Hamburg vom 14. Jahrhundert bis auf die Gegenwart, Leipzig 1890, Repr. Hildesheim [u. a.] 1971.

Georg Fischer, Opern und Concerte im Hoftheater zu Hannover bis 1866, Hannover 1899.

Karl Stiehl, Geschichte des Theaters in Lübeck, Lübeck 1902.

Clemens Meyer, Geschichte der Mecklenburg-Schweriner Hofkapelle. Geschichtliche Darstellung der Mecklenburg-Schweriner Hofkapelle von Anfang des 16. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, Schwerin 1913.

Wolfram Huschke, Musik im klassischen und nachklassischen Weimar 1756–1861, Weimar 1982.

Freia Hoffmann, Instrument und Körper. Die musizierende Frau in der bürgerlichen Kultur, Frankfurt a. M. u. Leipzig 1991.

Bert Hagels, Konzerte in Leipzig 1779/80 bis 1847/48. Eine Statistik, Berlin 2009.

„Möser, Caroline Delphine“, in: WeberGA, https://weber-gesamtausgabe.de/de/A001358.html, Zugriff am 22. Febr. 2022.

 

Juliane Schaer/Christiane Barlag

 

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