Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Schindelmeisser, Fanny, geb. Hartog, verw. Dorn

Geburtsdaten unbekannt, † 28. Febr. 1846 in Berlin, Pianistin und Klavierlehrerin. Sie war die Mut­ter des Klarinettisten, Dirigenten und Komponisten Louis (Alexander Balthasar) Schindelmeisser (1811–1864) und dessen Halbbruder, des Komponisten, Dirigenten und Musikschriftstellers Heinrich Dorn (1804–1892). Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes Ludwig Ferdinand Dorn heiratete sie den musikliebenden Rentier Heinrich Balthasar Schindelmeisser. 1823 zog die Familie nach Berlin, und dort eröffnete Fanny Schindelmeisser 1836 eine Musikschule, an der sie nach einem damals vieldiskutierten pädagogischen System unterrichtete. Bei der an das Verfahren von Johann Bernhard Logier angelehnten Methode wur­den zunächst Gruppen von je 12 bis 15 Kindern mittels einer auf Papier aufgezeichneten „stummen Klaviatur“ unterrichtet, die sich Fanny Schindelmeisser zuvor hatte patentieren lassen.

Das Schindelmeisser’sche Unterrichtskonzept erfreute sich schnell zunehmender Beliebtheit. Der sächsische Kapellmeister Carl Gottlieb Reissiger, der selbst seine beiden Kinder dort unterrichten ließ, sprach sich 1838 in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ dafür aus, „dass die Gründung von Musikschulen nach Schindelmeisserscher Methode […] auch für andere Städte sehr wünschenswert sei, und dass Lehrer des höheren Pianofortespiels sich glücklich schätzen dürfen, solche nach dieser Methode unterrichtete Kinder späterhin fortbilden zu dürfen“ (AmZ 1838, Sp. 657). Fanny Hensel komponierte für die Schüler der Schindelmeisser’schen Musikschule zwei Bagatellen. Auch Heinrich Dorn war von der Unterrichtsmethode seiner Mutter sehr angetan: „So viel steht fest, daß die Fortschritte, welche die jungen Damen bei dieser neuen Art des Unterrichts, und zwar in der kürzesten Zeit durchgängig gemacht haben, alle Begriffe übersteigen“ (NZfM 1844 I, S. 34). In der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ wird jedoch bezweifelt, ob „der neue Weg auch für höhere Fortbildung erspriesslich ist“ (AmZ 1838, Sp. 658).

In verschiedenen Städten wurden Schulen gegründet, die nach dem Schindel­meisser’schen Prinzip arbeiteten. Fanny Schindelmeisser selbst stellte einen Antrag auf Unterrichtserteilung an öffentlichen Schulen, der jedoch abgelehnt wurde. Nach ihrem Tode wurde die Musikschule bis 1871 von ihrer Tochter Adele Dorn weitergeführt, nach und nach ebbte aber die Begeisterung für ihre Lehrmethode ab; ihr Sohn Heinrich Dorn spricht 1879 von einer „untergegangenen Lehrmethode“ (zit. nach Sowa, S. 176). Über öffentliche Auftritte Fanny Schindelmeissers als Pianistin ist nichts bekannt.

 

LITERATUR

Fanny Schindelmeisser, „Ein Wort über meine Musik-Unterrichts-Anstalt“, 1840, Repr. in: Frau und Musik, hrsg. von Eva Rieger, Frankfurt a. M. 1980, S. 221–225.

AmZ 1838, Sp. 657–659; 1845, Sp. 62; 1846, Sp. 200, 326, 360; 1871, Sp. 589

Bock 1864, S. 121f.; 1871, S. 261

NZfM 1839 I, S. 7; 1844 I, S. 33–36; 1848 II, S. 231

Österreichisches Pädagogisches Wochenblatt zur Beförderung des Erziehungs- und Volksschulwesens 1845, S. 680

Signale 1845, S. 13, 364; 1846, S. 103

Becker, Ledebur, Mendel, Fétis, MGG 2000 (Art. Louis Schindelmeisser, Heinrich Dorn)

Heinrich Dorn, Streifzüge im Gebiet der Tonkunst (= Aus meinem Leben 4), Berlin 1879.

Eva Rieger (Hrsg.), Frau und Musik, Frankfurt a. M. 1980.

Georg Sowa, Anfänge institutioneller Musikerziehung in Deutschland (1800–1843), Regens­burg 1973.

 

Anja Herold

 

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