Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

WeißWeissWeisz, Alphonsine, AlfonsineAlfonsinavon Finkenau, Weiß-Finkenau, Weiss-Finkenau, Weisz-Finkenau

* 1830 in Prag, † nach 1887, Pianistin, Klavierlehrerin und Komponistin. Die Musikerin war vermutlich die Tochter des Freiherrn Ferdinand Weiß von Finkenau (1791–1855), einem hochrangigen Militär der Habsburgermonarchie, und der Baronin Marie Weiß von Finkenau. Einer ihrer ersten Auftritte erfolgte 1854 im Rahmen eines Wohltätigkeitskonzerts des deutschen Männergesangsvereins in Triest. In den folgenden Jahren konzertierte Alphonsine Weiß vorrangig in Wien, wo sie sich als Pianistin etablieren konnte. Daneben fanden Auftritte in Dresden, Leipzig und Pressburg statt. Die Rezensionen über ihr Spiel in einem Abonnementskonzert am 11. Febr. 1864 im Leipziger Gewandhaus, in dem auch die Sängerin Pauline Viardot-Garcia mitwirkte, sind ambivalent. Der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ zufolge fand die Pianistin „hier den anerkennenden Beifall, der ihrer durchgebildeten Technik und ihrem graziösen Vortrag zukommt“ (1864, Sp. 124f.). Ein Rezensent der „Neuen Zeitung für Musik“ schreibt: „Ihr Anschlag ist zart und rund […], ihre Technik brillant und sauber. Auch sprach sich im Ganzen ein sinniges Verständnis in der Wiedergabe aus, wenn schon wir den höheren, geistigeren Schliff, das sozusagen je ne sais quoi der feineren Nuancen im Colorit, die poetische Glasur des Claviervortrags vermißten. Jedenfalls aber verdienten ihre Leistungen (zumal als neue Erscheinung auf dem Gebiete des Pianofortespiels) eine wohlwollende Aufmunterung des unverkennbaren Talents“ (NZfM 1864, S. 64). Konsens herrschte unter vielen Kritikern über die Befangenheit der Pianistin, die sich deutlich auf das Spiel ausgewirkt haben soll, sodass sie „das präcise Zusammenspiel mit dem Orchester zuweilen merklich störte“ (AmZ 1864, Sp. 124f.). Der Korrespondent der „Neuen Zeitschrift für Musik“ verweist diesbezüglich auch auf negative Reaktionen aus dem Publikum, indem er sich „tadelnd über das Zischen ausspr[icht], womit einige Zuhörer den Beifallsbezeugungen des größeren Theils des Publicums entgegentraten“ (NZfM 1864, S. 64). Auch die Konzertkritiken der folgenden Jahre weisen auf Unsicherheiten des Spiels hin.

Anfang des Jahres 1872 hielt sich Alphonsine von Weiß in Wien auf. In einer  Veranstaltung des Dubez-Quartetts im Bösendorfer Saal spielte sie während der Pausen Robert Schumanns Arabesque C-Dur op. 18, eine Gavotte von Joh. Seb. Bach und Schuberts Impromptu Es-Dur op. 90 Nr. 2. Einem Rezensenten der „Blätter für Musik, Theater und Kunst“ zufolge, spielte sie das Programm „mit kräftigem Anschlage, flüssiger Technik und ziemlich treffendem Ausdrucke, nur mit allzu verschwenderischem Pedalgebrauche“ (Blätter für Musik, Theater und Kunst 1872, S. 60). Seitens der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ fand die Pianistin hingegen eine vernichtende Kritik. Der Wiener Korrespondent dieses Blattes schreibt: „in dem […] Concerte verdarben mir die pianistischen Unliebsamkeiten eines gewissen Fräulein Alphonsine von Weiss in so hohem Maasse das musikalische Verdauungsvermögen, dass ich den nothwendigen Gleichmuth des Kritikers gänzlich einbüsste. Es ist unglaublich, dass in der Stadt, wo ein Rubinstein als Clavierspieler thätig ist, solche klägliche [sic] Dilettantenversuche an die Oeffentlichkeit treten“ (AmZ 1872, Sp. 182).

1880 wird in der Zeitschrift „Signale für die musikalische Welt“ berichtet, dass die Pianistin aufgrund einer Lähmung beider Hände die Konzerttätigkeit zunächst beenden musste, sie jedoch, nachdem Gefühl in die rechte Hand zurückgekehrt war, wieder aufgenommen habe und nun als „einhändige Pianistin“ (NZfM 1880, S. 213) Aufsehen errege. Im Herbst 1880 konzertierte Alphonsine von Weiß in Graz. Die „Deutsche Musik-Zeitung“ schrieb hierauf: „Die heurige Concertsaison wurde durch das Concert eines Fräuleins ‚Alphonsine von Weiß‘ eröffnet, der nur der Gebrauch der rechten Hand zu Gebote steht. Wenn sich nun thatsächlich überhaupt mit der rechten viel weniger ein künstlerische (obschon allerdings eine künstliche) Leistung zu Stande bringen läßt als mit der linken Hand allein, so läßt sich doch immerhin noch mehr als das, was genanntes Fräulein geleistet, damit zu Wege bringen; zum mindesten darf doch das Anhären einer das Ohr geradezu beleidigenden unreinen Aufführung der Musikstücke dem zahlenden Publikum nicht zugemuthet werden“ (Deutsche Musik-Zeitung 1880, S. 268). Ganz anders urteilt demgegenüber ein Wiener Kritiker nach einem Auftritt der Pianistin zwei Jahre später in der Donaumetropole: „Es ist staunenswerth, wie man überhaupt nur mit einer rechten Hand komplizirten Kompositionen gerecht werden kann; die blitzartigen arpeggierten Bässe waren von einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig liess. Sicherheit in den unter solchen Umständen höchst schwierigen Sprüngen, Klangfülle und Schönheit, Anschlag und Vorschlag waren tadellos, man kann mit vollem Recht von Frl. Weiss sagen: ‚Son genre est petit, mais elle est grande dans son genre.‘ [‚Ihr Tätigkeitsbereich ist klein, aber sie ist groß in ihrem Tätigkeitsbereich‘](Musikpädagogische Blätter 1882, S. 100).

 

 

In den Jahren 1881 und 1882 unternahm Alphonsine Weiß Konzertreisen nach Prag, Paris, Madrid und England. In London konzertierte sie 1882 zusammen mit dem ungarischen Grafen Zichy, einem Pianisten, der ausschließlich mit der linken Hand spielte. Zusammen boten sie eine noch größere Publikumssensation. Dabei galt die Aufmerksamkeit von Publikum und Rezensenten vorrangig der „Specialität“ (Musikalisches Centralblatt 1882, S. 50) des Spiels und weniger den musikalischen Leistungen der KünstlerInnen.

Das Repertoire von Alphonsine Weiß enthielt zahlreiche Kompositionen von Chopin, Liszt, Robert Schumann, Schubert, Beethoven, Meyerbeer, Anton Rubinstein, Adolf von Henselt und Carl Maria von Weber. Die Lähmung der linken machte eine Bearbeitung der Werke für die rechte Hand notwendig, die von der Pianistin selbst vorgenommen wurde. 

Nach einem Konzert in Wien im Jahr 1882 gab Alphonsine Weiß bekannt, sich aus dem Konzertleben zurückziehen und stattdessen ausschließlich Klavierunterricht erteilen zu wollen, trat aber auch in den folgenden Jahren noch gelegentlich als Pianistin in Wien auf, zuletzt in einem Konzert der Sängerin Camilla Nordmann am 13. Dez. 1887. Während sie in Verbindung mit einem Stahlstich später als Sängerin erwähnt wird, finden sich für eine Gesangskarriere bislang keine Belege. Denkbar sind jedoch Auftritte im halb-öffentlichen Rahmen wie dem der Kirchenmusik. 1909 erschien unter dem Namen Alfonsine Weiss-Finkenau bei Eckstein in Leipzig eine Novellensammlung. Baronin Weiss-Finkenau wird noch 1913 im Wiener Adressanzeiger „High-Life-Almanach“ geführt und lebte zu dieser Zeit in der Lerchenfelderstraße im 7. Bezirk.

 

LITERATUR

AmZ 1864, Sp. 124f.; 1872, Sp. 182

Blätter für Musik, Theater und Kunst 1872, S. 60

Bock 1880, S. 6, 103, 415; 1881, S. 143

Folio 1881, S. 297

FritzschMW 1877, S. 9

High-Life-Almanach 1913, S. 383

Musikalisches Centralblatt 1882, S. 50

Musikpädagogische Blätter 1877, S. 9; 1882, S. 100

MusT  1881, S. 316

MusW 1881, S. 11; 1882, S. 246

NZfM 1854 I, S. 104; 1863 I, S. 15; 1864, S. 64; 1873, S. 153; 1876, S. 329; 1880, S. 213; 1881, S. 213; 1882, S. 308; 1887, S. 122

Prager Tagblatt 6. Jan. 1882

Signale 1864, S. 125, 141; 1880, S. 277; 1881, S. 101; 1882, S. 444; 1883, S. 321, 412; 1884, S. 458

Le Temps [Paris] 14. Apr. 1881

The Theatre 1882, S. 362

Wiener Hausfrauen-Verein 1909, S. 56

 

Werke

Eros. 5 Novellen, Leipzig 1909.

 

Bildnachweis

Alfonsine von Weiß, Stahlstich von August Weger, undatiert. Meininger Museen, Inventarnr. mm_rz11_4_3382

 

Annkatrin Babbe

 

 

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