Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Langley, Beatrice (Cordelia Auchmuty, Auchmutz), verh. Tozer

* 12. Jan. 1872 in Chudleigh (Devon), † wohl 1958 in Teignmouth (ebd.), Violinistin und Dirigentin. Beatrice Langley war die Tochter eines „Colonel Langley […] from the Royal Artillery“ (The Lute 1896, S. 545) und einer Sängerin, die als Amateurin öffentlich auftrat (Vorname unbekannt). Die Geigerin hatte zumindest eine Schwester, Rosalind Langley, welche Beatrice Langley überlebte. Ihren ersten Violinunterricht erhielt sie früh, vermutlich im Alter von fünf Jahren bei einem unbekannten Lehrer. 1886 bekam sie Unterricht vom Joachim-Schüler Joseph Ludwig (1844−1924). Wohl ab 1894 übernahm für weitere zwei Jahre der in dieser Zeit hoch berühmte August Wilhelmj (1845−1908), Schüler Ferdinand Davids, die Unterweisungen. Ihre Ausbildung fand demnach nicht in institutionellem Rahmen statt, „she was educated privately“ (Wyndham, S. 183). Später könnte es eine weitere, nun institutionelle Ausbildungsstation gegeben haben: Alberto Bachmann schreibt, Beatrice Langley sei auch Schülerin Joachims gewesen. Inka Prante fand denn auch den Namen Langleys in den Jahresberichten der Berliner Könglichen Hochschule, danach habe diese dort 1903−06 studiert und sei Schülerin von Gabriele Wietrowetz (1866−1937), Karl Klingler (1879−1971) und Joseph Joachim (1831−1907) gewesen. Dies bleibt bis auf Weiteres unsicher: Erstens überrascht, dass, soweit bisher bekannt, in der zeitgenössischen Berichterstattung über Beatrice Langley der Name des gerade in Großbritannien populären und damit werbewirksamen Joachim nicht fällt. Zweitens finden sich im Zeitraum des möglichen Studiums mehrere Nachweise von Konzerttätigkeit im britischen Raum.

Der erste öffentliche Auftritt Beatrice Langleys fand bereits im Kindesalter in Dublin statt. In der einstmals viel gehörten Serenata von Gaetano Braga (1829−1907) spielte sie 1882 die obligate Violinstimme, während die Mutter sang. Vereinzelt trat die junge Violinistin auch in den späteren 1880er Jahren auf (z. B. 1885 in Portsmouth). Ihr erster Londoner Auftritt − von ihr selbst als „my début“ (Cathcart, S. 619) bezeichnet − fand erst im Nov. 1893 im Londoner Crystal Palace statt. Beatrice Langley spielte dabei das Violinkonzert Nr. 1 g-Moll op. 26 von Max Bruch sowie ein Capriccio von Niels Wilhelm Gade, sie ließ zudem in einem weiteren Crystal Palace Concert kurz darauf Louis Spohrs Violinkonzert Nr. 9 hören. Diese Auftritte wurden in der Londoner Presselandschaft viel beachtet. Die „Musical Times“ schreibt: „Miss Beatrice Langley, who made her début in Max Bruch’s Violin Concerto in G minor − a charming work which might be given a rest − is a young artist whose natural talent has been cultivated in an excellent school. She plays with animation and feeling, and, but for a momentary lapse of memory, acquitted herself with marked credit in the Concerto“ (MusT 1893, S. 728). Die Londoner „Times“ urteilt: „Her playing gives evidence that she has been well and carefully taught. Her execution ist neat and finished, and she possesses a considerable amount of technical ability, though at present her style is somewhat wanting in breadth and her tone is rather poor“ (Times 13. Nov. 1893). In Spohrs Konzert hörte der Rezensent der „Musical Opinion and Music Trade Review“ „a complete mastery of the staccato, double stops, and other formidable difficulties“ (Musical Opinion and Music Trade Review 1894, S. 217), während die „Musical Times“ über diesen Auftritt der „new violinist“ notiert: „Her tone is pure, her bowing and intonation excellent, and her phrasing full of intelligence and charm“ (MusT 1894, S. 24). Nach dem Debüt, so die Geigerin selbst in einem Interview, „engagements began to come in, and the most important concerts at which I played were the London Symphony Concerts, and Madame Albani’s London Concerts“ (Cathcart, S. 619). Mit Emma Albani konzertierte Beatrice Langley keineswegs nur in London, sondern ging im Gefolge der berühmten Sängerin zweimal auf Tour, um Albanis Konzerte mit Violinmusik aufzulockern. Dabei war sie mit der Sängerin 1895 in London tätig, wo sie mit Fanny Davies als Pianistin Duo spielte (Grieg, Violinsonate F-Dur op. 8). Dann war sie in der Truppe der Sängerin in Städten wie Brighton, Birmingham, Oxford, Bristol und Bournemouth, 1896 auch in Glasgow zu hören. Langley selbst sagte über diese erste Tournee: „We went all through England, and everywhere the public seemed to like my playing. I enjoyed the tour immensely“ (Cathcart, S. 619). Bereits Ende 1896 startete Beatrice Langley erneut eine Tournee im Gefolge Emma Albanis, und diesmal wurden weiter entfernte Ziele angesteuert. Rückblickend sagte sie: „I was the violinist in Madame Albani’s concerts in Canada, and we had a perfectly delightful tour right across the continent, from Halifax to Vancouver and Victoria, and we also gave a few concerts in the United States. In all we gave thirty-three concerts“ (Cathcart, S. 619). Kurz vor dem Start der Tournee heiratete Beatrice Langley den Autor  und Journalisten Bazil (Basil) Tozer. Das Paar hatte zwei Söhne. Die Geigerin war auch danach unter ihrem Geburtsnamen öffentlich aktiv.

Zwischen den Tourneen mit Emma Albani und in den darauf folgenden Jahren wurde Langley zu einer wichtigen, regelmäßig auftretenden Violinistin des Londoner Musiklebens. Schon die vielen Funde in den Londoner Gazetten (allen voran in der „Times“) − darunter zahlreiche Konzertankündigungen, in denen Beatrice Langley meist nicht als Konzertgeberin, sondern als Mitmusikerin genannt wird − zeugen von der erheblichen Präsenz dieser offenbar über viele Jahre hinweg gern gefragten Londoner Musikerin. Dabei musizierte sie bisweilen in durchaus prominenten Besetzungen, weiterhin etwa mit Albani, oder auch (am 11. Dez. 1903) mit der Pianistin Agnes Zimmermann und der Geigerin Alice Elieson, schon 1894 in einem Konzert mit den Schwestern Douste und im Folgejahr gemeinsam mit Adelina de Lara, jedoch auch mit heute nicht mehr bekannten Musikern. 1910 spielte sie Schumanns Fantasiestücke op. 73 mit Percy Grainger. 1902, in einem weiteren Konzert der Sängerin Albani, musizierte sie in London an der Seite Mathilde Vernes. Im selben Konzert sang Clara Butt erstmals Elgars Land of Hope and Glory − das Stück, mit dem die Sängerin später berühmt wurde. Die Rahmen und Reihen, in denen Beatrice Langley spielte, waren von unterschiedlichem Renommee und reichten beispielsweise von Konzerten im Imperial Institute oder mit dem London Stock Exchange bis hin zu den Crystal Palace Concerts oder den London Symphony Concerts.

Ab Ende 1906 widmete sich Beatrice Langley in besonderer Weise der Kammermusik, sie spielte dabei im Ensemble mit anderen Frauen, und gründete mit Mathilde Verne die über Jahrzehnte bestehende Konzertserie der „Thursday Twelve O’Clocks“ in der Londoner Æolian Hall. Dort spielte sie im Dez. jenes Jahres mit Verne, aber auch den Streicherinnen Dorothy Bridson, Cecilia Gates und May Mukle Schumanns Klavierquintett op. 44, agierte aber auch in kleineren Besetzungen. So spielte Langley mit Verne, Gates und Mukle ein Klavierquartett der Schwester Mathilde Vernes, Alice Verne-Bredt, sowie als Solo Tschaikowskys Souvenir d’un lieu cher op. 42. In den ersten Monaten des Jahres 1907 traten die Frauen in der Æolian Hall mit weiterem Repertoire auf, etwa mit dem Klaviertrio g-Moll Mendelssohns, mit einem Streichquartett desselben Komponisten, aber etwa auch mit Dvořáks Klavierquintett Nr. 2 A-Dur op. 81 sowie einem Klavierquintett des norwegischen Spätromantikers Christian Sinding. Als Beatrice Langley die Kammermusikkonzerte im Herbst 1907 am selben Ort wieder aufnahm, hatte sich die Besetzung ihres Ensembles verändert: Neben ihr spielten nun Marjorie Hayward, Sybil Maturin und Adelina Leon im Streichquartett. Das Ensemble wurde als „Mme. Beatrice Langley’s quartet“ (Times 13. Juni 1908) bezeichnet. Auch später änderte sich die Besetzung, es lässt sich davon ausgehen, dass es sich bei der Kammermusikformation Beatrice Langleys keineswegs um ein festes Quartett handelte, sondern eher um einen lockereren Zusammenschluss um die Primaria Langley, der zudem nicht von Dauer war. Insbesondere mit May Mukle trat aber Beatrice Langley auch in den folgenden Jahren gelegentlich auf, etwa im Febr. 1910, als sie ein Streichquartett Frank Bridges aufführten (mit dem Komponisten an der Bratsche). 1916 spielte sie mit der Pianistin Juliette Folville und dem Cellisten Warwick Evans Ravels damals in London kaum bekanntes, erst rund zwei Jahre altes Klaviertrio a-Moll. Dabei blieben die Aktivitäten der Geigerin weit gesteckt. So musizierte sie beispielsweise 1917 zugunsten des serbischen Roten Kreuzes − in Serbien herrschten während des Ersten Weltkrieges katastrophale humanitäre Bedingungen. Im selben Jahr konzertierte Beatrice Langley während der Russian Exhibition in London mit einem Balalaika-Orchester.

Zumindest in der Londoner Öffentlichkeit war nach einem Konzert im Apr. 1919 in der Wigmore Hall nichts mehr von der danach noch Jahrzehnte lang lebenden Geigerin zu hören. Wie aus einem von der „Musical Times“ veröffentlichten (und danach im selben Blatt von der Schwester Rosalind Langley rektifizierten) Nachruf hervorgeht, gab Beatrice Langley ihre Laufbahn als Geigerin in den 1920er Jahren aufgrund von Arthritis auf. Dennoch blieb sie aktiv: „She […] founded and conducted a string orchestra and did a good deal of musical-appreciation work in Devon“ (MusT 1958, S. 390). Ihre Orchesterarbeit setzte sie offenbar weit über die Zeit als aktive Violinistin hinaus fort, sie war „able to lead, and also to conduct until about ten years ago“ (MusT 1958, S. 434).

Entsprechend ihrer langen Wirkungszeit finden sich sehr unterschiedliche Bewertungen ihres Violinspiels. Gab es − gerade zu Karrierebeginn − sehr positive Meinungen, wurde später durchaus auch Kritik laut. So schreibt die London „Times“ 1909, „Mme. Beatrice Langley’s playing of two of Brahms’s Hungarian dances as arranged by Joachim was not remarkable for rhythmic force, and her octaves in the one in D minor might have been more accurate“ (Times 18. Nov. 1909). Dasselbe Blatt notierte noch zwei Jahre vorher, angesichts des Spiels von Beethovens Kreutzersonate Nr. 9 A-Dur op. 47: „Miss Mathilde Verne and Mme. Beatrice Langley played with a great deal of spirit and also with complete mutual sympathy. The slow movement in particular went very well, as Mme. Langley’s delicate bowing and pure intonation were strikingly apparent in the beautiful embroideries round the main theme“ (Times 20. Dez. 1907). Auffällig ist die Breite des Repertoires der Violinistin, das insbesondere zahlreiche Werke des 19. Jahrhunderts und auch Musik ihrer Zeitgenossen enthielt. 1953 wurde ihr der „Kreisler Award of Merit for services to music“ (MusT 1958, S. 390) verliehen.

Beatrice Langley spielte eine Violine von Giovanni Paolo Maggini, die sie von ihrem Vater als Hochzeitsgeschenk erhalten hatte.

 

LITERATUR

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Sillke Wenzel, „Beatrice Langley“, in: MUGI. Musik und Gender im Internet, http://mugi.hfmt-hamburg.de/Artikel/Beatrice_Langley, Zugriff am 10. Apr. 2015.

 

Bildnachweis

The Observer [London] 27. Mai 1894

The Lute 1896, S. [544].

Minim 1896, S. [113].

 

Volker Timmermann

 

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