Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Leubuscher, Helene, verh. Burghausen, Leubuscher-Burghausen, Burghausen-Leubuscher

* um 1860 (Ort unbekannt), † nach 1932 (Ort unbekannt), Pianistin, Musikpädagogin, Klavierlehrerin. Über ihre Herkunft liegen keine Informationen vor. Sie erhielt Klavierunterricht bei der Pianistin und Tausig-Schülerin Constanze Heinrich und studierte zwischen 1882 und 1885 bei Karl Klindworth (1830–1916) an der Klindworth-Musikschule in Berlin. Im Jahr 1885 besuchte sie die Meisterkurse Franz Liszts (1811–1886) in Weimar.

Ihr Debüt erfolgte 1886 in einem gemeinsamen Konzert mit der Altistin Johanna Wegner in der Berliner Singakademie. Begleitet wurden die Künstlerinnen durch das Philharmonische Orchester unter der Leitung Karl Klindworths. „Frl. Leubuscher, welche damit wohl zum ersten Male an die Oeffentlichkeit trat, hat eine Stufe der Ausbildung erreicht, die ein solches Hervortreten rechtfertigt; ihre Technik ist hochentwickelt, mehr aber fast noch erfreut die künstlerische Verständigkeit ihres Vortrags, dem nur noch etwas mehr Ruhe fehlt, um ganz und voll zu befriedigen. Das trat sowohl an Beethovens Sonate op. 78, wie an Rubinsteins Barcarole und Valse aus dem ‚Bal‘ hervor, wogegen für Brahms Variationen und Fuge über ein Händelsches Thema der jungen Dame physisches Vermögen nicht vollkommen ausreichte. Vortrefflich aber kam das G-moll-Concert op. 58 von J. Moscheles zur Darstellung“ (Bock 1886, S. 37). Es folgten 1886 bis 1893 weitere Auftritte vor allem in Berlin, meist als Unterstützung auswärtiger KünstlerInnen.1890 berichtet der „Hannoversche Courier“ von einem Konzert in Hannover (29. Okt. 1890). Anna Morsch zufolge spielte sie auch in anderen großen Städten mit stets steigendem Beifall“ (Morsch, S. 177). Mit der Liedersängerin Oberbeck unternahm die Künstlerin, nach einem ersten gemeinsamen Konzert im Mai 1886 in Berlin, „wiederholt gemeinsam Konzertreisen durch Deutschland“ (Bock 1892, S. 624). Aus Naumburg, vom letzten Konzert einer solchen Reise, berichtet die „Neue Berliner Musikzeitung“, dass „Frl. Leubuscher sich in ihren Klaviervorträgen wiederum als eine sehr begabte, temperamentvolle Spielerin zeigte, die sich durch ihre grosse Technik und ihren verständnisvollen Vortrag die Sympathien der zahlreich erschienenen Zuhörerschaft erwarb und auch als Begleiterin der Gesänge am Flügel Vorzügliches leistete“ (ebd.).

1888 wird Helene Leubuscher erstmals als Lehrerin an der Klindworth-Musikschule, am Institut ihres ehemaligen Klavierlehrers, erwähnt (Berliner Börsen-Zeitung 9. Sept. 1888), Anna Morsch zufolge als „erste Lehrerin der Oberklassen“ (Morsch, S. 177). Als Schülerin ließ sich namentlich nur die Pianistin Elisabeth Jacobs ermitteln. Neben ihrer musikpädagogischen Tätigkeit lassen sich weiterhin vereinzelt Konzertauftritte nachweisen, 1897 und 1899 in Berlin, 1898 in Lüneburg. Zwischen 1908 und 1915 sind Inserate in zahlreichen Musikzeitschriften überliefert, in denen Helene Burghausen-Leubuscher, wie sie sich seit ihrer Heirat um 1893 nannte, als Leiterin der Stellenvermittlung der Musiksektion des „Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins“ auftritt. Ihr musikpädagogischer Schwerpunkt wird auch durch mehrere Leserbriefe und Schriften im „Klavierlehrer“ deutlich, in denen sie Stellung bezieht zu Fragen der Anschlagstechnik beim Klavierspiel u. Ä. Daneben trat sie gelegentlich weiterhin öffentlich auf, wie „zum Besten der Victoria-Fortbildungsschule“ im Jahr 1908 (Berliner Tageblatt 17. April 1908). 1919 wird sie in der antisemitischen Schrift „Handbuch der Judenfrage“ von Theodor Fritsch aufgeführt. In den Berliner Adressbüchern ist sie bis einschließlich 1932 verzeichnet, sodass die Koinzidenz mit dem Beginn der Nazidiktatur 1933 den Tod oder die Vertreibung der Pianistin vermuten lässt.

 

LITERATUR

Berliner Börsen-Zeitung 9. Sept. 1888

Berliner Tageblatt 19. Jan. 1887; 5. Jan. 1892; 19. März 1899; 17., 23. April 1908

Bock 1886, S. 37; 1887, S. 45; 1888, S. 342, 438; 1889, S. 29; 1891, S. 137; 1892, S. 624; 1893, S. 530, 592; 1896, S. 418

FritzschMW 1890, S. 629; 1891, S. 22, 297, 672; 1893, S. 367; 1907, S. 588; 1908, S. 19; 1909, S. 15; 1910, S. 591

Hannoverscher Courier 1890, 29., 31. Okt. 1890; 24. März 1898

Der Klavier-Lehrer 1886, S.55, 127; 1892, S. 152f.; 1908, S. 62f., 110, 126

Musikpädagogische Blätter 1919/20, S. 10f.

Norddeutsche Allgemeine Zeitung 31. Jan. 1886; 7. April 1891; 26. Nov. 1893

NZfM 1885, S. 398; 1889, S. 6

Signale 1886, S. 184, 982; 1887, S. 130; 1889, S. 121; 1893, S. 521; 1897, S. 57

Urania 1885, S. 144

Anna Morsch, Deutschlands Tonkünstlerinnen. Biographische Skizzen aus der Gegenwart, Berlin 1893.

Fritsch, Theodor, Handbuch der Judenfrage. Eine Zusammenstellung des wichtigsten Materials zur Beurteilung des jüdischen Volkes, 28. Aufl., Hamburg 1919 (antisemitische Veröffentlichung).

Anna-Christine Rhode-Jüchtern, Maria Leo (1873 – 1942). Pionierin einer neuen Musikpädagogik (=Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts 18), Hildesheim [u. a.] 2021.

Silke Wenzel, „Helene Leubuscher“, in: MUGI. Musik und Gender im Internet, http://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Helene_Leubuscher, Zugriff am 27. Juni 2014.

 

Jannis Wichmann/CB

 

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