Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Bertrand, Aline

* 1798 in Paris, † 13. März 1835 in Paris, Harfenistin, Harfenlehrerin und Komponistin. Ihr Vater, ein Maler, starb früh, und Aline musste sich um ihre jüngeren Schestern Ida und Rosalie kümmern. Ihre musikalische Ausbildung erhielt sie unter anderem am Pariser Konservatorium bei François-Joseph Naderman (17811835). Ab 1815 nahm sie Unterricht bei Nicolas-Charles Bochsa (17891856). Der erste öffentliche Auftritt der Harfenistin erfolgte im Jahre 1817 in Paris, zusammen mit der Harfenistin Thérèse Demar.

Nach ihrem Debüt in Paris unternahm Aline Bertrand, inzwischen zur ersten „Kammer-Harfenspielerin Sr. Maj. des Königs von Frankreich“ ernannt (AmZ 1828, Sp. 685),  zahlreiche Konzertreisen durch Europa. Dabei konzertierte sie in den Niederlanden, Belgien, Deutschland, Italien, Österreich, England und Russland. Mit dem Erteilen von Unterricht während längerer Aufenthalte in einer Stadt tat sich für sie, neben den Konzerten, eine weitere Erwerbsquelle auf. In Wien konzentrierte sie sich diesbezüglich insbesondere auf SchülerInnen, die der „höchsten Noblesse“ angehörten, was sich finanziell als außerordentlich ergiebig erwies (AmZ 1828, Sp. 786).

Das Repertoire von Aline Bertrand umfasste neben Werken von Nicolas-Charles Bochsa, Henri Herz und Theodore Labarre auch eigene Kompositionen. Hierzu zählten insbesondere Variationen und Fantasien für Harfe über bekannte Motive von Giovanni Paisiello, Gioachino Rossini oder Étienne Méhul. Sie wurden in den Konzertkritiken zumeist negativ beurteilt. Entsprechend bezeichnet ein Rezensent der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ Aline Bertrand zwar als eine „fertige [...] Harfenspielerin; nur sollte sie [seines Erachtens] nicht als Componistin auftreten, denn was sie als solche leistet, verdient höchstens den Namen Compilation“ (AmZ 1825, Sp. 388). Auch in einer vier Jahre später erschienenen Ausgabe der Zeitschrift wurden ihre Kompositionen als lediglich „mittelmäßig“ bewertet (AmZ 1829, Sp. 171).

Ihr Instrumentalspiel erfuhr dagegen weitaus positivere Würdigung. So wird Aline Bertrand nach einem Konzert im Wiener Kärntnertortheater ein „ausdrucksvolles, elegant fertiges und höchst gefühlvolles Virtuosenspiel“ (AmZ 1828, Sp. 685) attestiert. Ebenso heißt es über ein Konzert in Dresden: „Sie executierte höchst bedeutende Schwierigkeiten in einem stürmischen Tempo mit maschinenmäßiger Sicherheit und Eleganz“ (AmZ 1829, Sp. 81). Ein Rezensent der „Berliner Allgemeinen musikalischen Zeitung“ bezeichnet die „ausserordentliche Kraft, ein Pianissimo, welches wie ein Lufthauch verschwindet, und eine ausserordentliche Fertigkeit“ der Harfenistin als charakteristisch für ihr Spiel (Berliner AmZ 1829, S. 52). Daneben wird ihr jedoch ein „Mangel des tiefern Kunstsinnes“ (AmZ 1829, Sp. 171) vorgeworfen. Nach einem Konzert in Leipzig wird kritisiert, dass „durch hastiges Reissen der Saiten Ton und Vortrag verloren“ (Berliner AmZ 1829, S. 101) hätten. Ein Rezensent der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ bezeichnet ihr Spiel als „charakterlos“. Es „tändelt auf der Oberfläche, greift aber nirgends in’s Gemüth, lockt weder Seufzer noch Lächeln, weder Sehnsucht noch Wonne hervor“ (AmZ 1829, Sp. 81). Eine so vernichtende Kritik scheint hier jedoch eingebunden in eine grundsätzliche Ablehnung von Harfenistinnen durch den Rezensenten. So wünscht sich dieser, „dass das Instrument von mehr Männern behandelt würde, wodurch nicht allein für Kraft und Präcision des Spieles, sondern hauptsächlich einen reichern Vorrath von Harfencompositionen gesorgt werden würde. […] Endlich könnte man von männlichen Virtuosen mehr harmonische Kenntnisse verlangen, als die Harfenspielerinnen gewöhnlich besitzen, und deren die Harfe mehr als jedes andere Instrument bedarf“ (AmZ 1829, Sp. 79).

1834 erkrankte Aline Bertrand während einer Konzertreise und starb in Paris am 13. März 1835 an einer „fièvre nerveuse“.

In  zeitgenössischen Musikzeitschriften werden häufig die beiden Schwestern von Aline Bertrand erwähnt: die Sängerin Ida und die Harfenistin Rosalie/Rosalba/Rosa Bertrand. 1823 konzertierte Aline Bertrand in Frankfurt und Aachen mit der Schwester Rosalie (Frankfurter Ober-Post-Amts-Zeitung 24.Sept. 1823, Abend Zeitung 19. Dez. 1823), weitere gemeinsame Konzerte folgten: So berichtet die Zeitung „La Nouveauté“ am 22. Okt. 1825 von einem gemeinsamen Konzert in Bordeaux, die „Allgemeine musikalische Zeitung“ 1827 von einem Konzert in Mailand (AmZ 1827, Sp. 872). Nach dem Tod von Aline Bertrand traten die verbliebenen Schwestern auch gemeinsam auf.

 

KOMPOSITIONEN FÜR HARFE

Variationen über Nel cor pui non mi sento, op. 1, Mailand

Fantasia sulla Polonese du comte Oginsky, op. 2, Mailand

Fantasia sulla romanza del Giuseppe (Joseph von Étienne Méhul), op. 3, Mailand

Capriccio on themes from Rossini's Barbiere di Siviglia and Semiramide, op. 9

 

LITERATUR

Abend Zeitung 19. Dez. 1823

AmZ 1817, Sp. 557; 1824, Sp. 719; 1825, Sp. 388, 577; 1827, Sp. 872; 1828, Sp. 528, 685f., 786; 1829, Sp. 52, 76, 7882, 131, 171, 212; 1833, Sp. 590

Berliner AmZ 1829, S. 52, 101, 164

Bock 1849, S. 375

Bohemia [Prag] 21. Nov. 1828

CaeciliaNL 1846, S. 4, 34

Castelli 1833, S. 104

L’Étoile. Journal du soir 1826, 19. Okt., 4. Nov.

La France Musicale 1841, S. 431

Frankfurter Ober-Post-Amts-Zeitung 24.Sept. 1823

Hesperus. Encyclopädische Zeitschrift für gebildete Leser 28. Jan. 1829

Journal des Femmes. Gymnase Littéraire [Paris] 1835, S. 167

La Nouveauté. Journal du Commerce, de l’Industrie, des Sciences, de la Littérature, des Théâtres et des Arts 22. Okt. 1825

NZfM 1834, S. 84, 104; 1835 I, S. 128

Der Oesterreichische Beobachter 1828, S. 1278

RGM 1827, S. 217f., S. 577

Der Sammler 1828, S. 368, 539f.

Signale 1847, S. 141; 1849, S. 373

Der Wanderer 1833, 3. Juni; 1841, 30. Jan.

Wiener Theaterzeitung (Bäuerle) 24. Juni 1828

Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 1828, S. 739f., S. 755f., S. 1104, S. 1282f.; 1829, S. 198

Mendel, Fétis, Baker 1

Théatre de Gand. comptes-rendus et programmes 1834 – 1835.

Eduard Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien, 2 Bde., Bd. 1, Wien 1869, Repr. Hildesheim [u. a.] 1979.

Freia Hoffmann, Instrument und Körper. Die musizierende Frau in der bürgerlichen Kultur, Frankfurt a. M. u. Leipzig 1991.

Malou Haine, 400 lettres de musiciens au Musée royal de Mariemont, Liège 1995.

Robert Adelson u. a. (Hrsg.), The History of the Erard Piano and Harp in Letters and Documents 1785 – 1959, Cambridge 2015.

 

 

Bildnachweis

Malou Haine, 400 lettres de musiciens au Musée royal de Mariemont, Liège 1995, S. 217.

Mlle. Aline Bertrand, Lithographie von Lanvin Sculp, http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2003/7900455/, Zugriff am 16. Apr. 2010.

 

Julia Brummert/Jannis Wichmann/CB

 

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