Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Pachler-Koschak, Marie, Maria (Leopoldine), geb. Koschak, verh. Pachler

* 2. Febr. 1794 in Graz, † 10. Apr. 1855 ebd., Pianistin und Komponistin. Marie Pachler-Koschak wurde im Hause Franziskanerplatz 333 in Graz geboren. Ihre Eltern waren Therese Ruard und der Rechtsanwalt und Musikfreund Aldobrand Koschak (?–1814). Der Vater förderte die musikalische Entwicklung seiner Tochter auf vielfältige Weise. Sie erhielt Klavier- und Gesangsunterricht. Aldobrand Koschak versammelte in seinem Haus regelmäßig einen Kreis einflussreicher Persönlichkeiten, Musiker und Künstler. Er veranstaltete darüber hinaus regelmäßig Konzerte, bei denen seine Tochter, die als Wunderkind galt, häufig auftrat. Bereits im Alter von neun Jahren komponierte sie Märsche, die in Graz von den Regimentskapellen gespielt wurden, und Tanzstücke für die Hausbälle des Vaters.

Im Zusammenhang mit dem Staatsbankrott in Österreich, dem sog. Finanzpatent von 1811, bei der das Geld auf ein Fünftel seines Wertes abgewertet wurde, verlor die Familie Koschak ihr Vermögen. Mutter und Tochter reisten nach Laibach und führten dort einige Prozesse mit der Absicht, das Familienvermögen noch zu retten, jedoch ohne Erfolg. Marie Pachler muss in dieser Zeit in Laibach in Privatzirkeln aufgetreten sein, denn die Laibacher Philharmonische Gesellschaft verlieh ihr am 15. Okt. 1817 nachträglich eine Ehrenmitgliedschaft.

Der Vater erkrankte und Marie Koschak fasste – vermutlich auch aufgrund der schlechten finanziellen Situation der Familie – den Plan, Berufsmusikerin zu werden. Heiratsangebote schlug sie aus. Ein reicher Kaufmann aus Triest und Freund des Hauses Koschak mit Namen Preshern bot an, Marie Koschak zu adoptieren, um sie als Künstlerin ausbilden und reisen zu lassen. Auf dringende Bitte der Mutter, die mit ihrem kranken Mann nicht alleine bleiben wollte, entschied sich Marie Koschak kurz vor dem Aufbruch gegen die Reise und damit gegen eine Karriere als Berufsmusikerin. Sie trat nicht mehr öffentlich auf und heiratete am 12. Mai 1816 den wohlhabenden Bierbrauer und Richter Dr. Karl Pachler. Lohberger vermutet finanzielle Gründe, die zur Heirat führten (S. 180). 

Im Jahre 1817 reiste Marie Pachler-Koschak, die eine begeisterte Beethoven-Anhängerin war, nach Wien und machte dort Bekanntschaft mit dem Komponisten. Zweimal lud Marie Pachler-Koschak Beethoven nach Graz ein, jedoch ohne jemals Antwort zu erhalten. Die zahlreichen Vermutungen, es habe eine darüber hinausgehende Beziehung zwischen Beethoven und Marie Pachler-Koschak gegeben, hat bereits ihr Sohn Faust glaubhaft widerlegt. Der viel zitierte Brief Beethovens, in dem er Marie Pachler-Koschak als besonders würdige Interpretin seiner Werke bezeichnet, wird als Fälschung eingestuft.

Im Jahre 1819 wurde der einzige Sohn, der spätere Schriftsteller Faust Pachler, geboren. Das Haus der Pachlers in Graz, das Rabenschinderhaus in der Herrengasse, entwickelte sich zu einem kulturellen Zentrum. Hier konzertierte Marie Pachler-Koschak weiterhin im privaten Zirkel und improvisierte „musikalische Porträts“ der anwesenden Personen. Franz Schubert verbrachte auf Einladung der Pachlers im Sommer 1827 einige Wochen in ihrem Haus. Nach dem Aufenthalt komponierte er für Marie Pachler-Koschak und ihren Sohn einen vierhändigen Marsch für Klavier.

Marie Pachler-Koschak komponierte Klavierstücke, von denen jedoch keines veröffentlicht wurde.

 

LITERATUR

Wurzbach, Baker 5

Steirisches Musiklexikon, hrsg. von Wolfgang Suppan, Graz 1962–1966

Thompson, Gorina (Salvat), Cohen, ÖBL, Schubert-Lexikon, OeML (Art. Pachler, Familie)

Ludwig van Beethoven, Briefwechsel. Gesamtausgabe, 7 Bde., Bd. 6 1825–1827, hrsg. von Sieghard Brandenburg, München 1996.

Faust Pachler, „Beethoven und Marie Pachler-Koschak. Beiträge und Berichtigungen“, in: Bock 1865, S. 381–382, 389–391, 397–399, 405–407 (und Beilage), 413–415; 1866, S. 1f.

Alexander Wheelock Thayer, Ludwig van Beethovens Leben, Leipzig 1907.

Hans Lohberger, „Marie Pachler-Koschak und die Untersteiermark“, in: Blätter für Heimatkunde, Historischer Verein für Steiermark, 39 (1965), S. 178–190.

Marlies Raffler, „Grazer Salons im Vormärz: Das Haus Pachler“, in: „Durch Arbeit, Besitz, Wissen und Gerechtigkeit“. Bürgertum in der Habsburgermonarchie II, hrsg. von Hannes Stekl[ u. a.], Wien [u. a.] 1992, S. 353–363.

Kurt Dieman-Dichtl, Schubert auf der Reise nach Graz. Dokumente und Assoziationen, Graz 1997.

Werner Anderhold, „Johann Baptist Jenger – der Mittler“, in: Schubert und seine Freunde, hrsg. von Eva Badura-Skoda [u. a.], Wien [u. a.] 1999, S. 303–310.

Thussy Gorischek, Franz Schubert und sein Freundeskreis, Graz 2000.

Freia Hoffmann, „Wahrnehmungsprobleme: Beethoven und die Frauen“, in: Der „männliche“ und der „weibliche“ Beethoven, hrsg. von Cornelia Bartsch [u. a.], Bonn 2003, S. 175–188.

 

Bildnachweis

Photographie eines Gemäldes von Josef Abel, www.beethoven-haus-bonn.de, Zugriff am 20. Apr. 2007.

 

Anja Herold

 

© 2007 Freia Hoffmann