Jahresbericht 2022
Lange war es still im Sophie Drinker Institut. Die Pandemie hatte nicht nur die MitarbeiterInnen ins Homeoffice gezwungen. Auch klingende Abende, ein Markenzeichen des Instituts und zuvor regelmäßig veranstaltet, waren nur eingeschränkt möglich.
Umso mehr haben wir uns gefreut, dass wir nun endlich wieder zu öffentlichen Veranstaltungen einladen konnten, um Musik, aber auch wissenschaftliche Inhalte zu präsentieren. Den Anfang machten am 17. Juni zwei MusikerInnen, die uns in besonders enger Weise verbunden sind: Luisa Klaus, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts, und Karl-Ernst Went, von Beginn an Unterstützer in Bibliotheksfragen und Vorsitzender des Beirats, präsentierten mit Flöte und Cembalo ihr Programm „Anmerkungen zu Bach“. Die geschickten Arrangements von Werken, die Bach einst für andere Besetzungen konzipiert hatte, und ebenso das Spiel des Duos haben den Abend zu einer mehr als würdigen Wiederaufnahme der Konzerte im Institut werden lassen!
Luisa Klaus und Karl-Ernst Went am 17. Juni 2022 im Sophie Drinker Institut
Zum Glück ist auch gemeinsames Feiern wieder erlaubt: Am 9. September wurde die Veröffentlichung des von Ivo Berg und Freia Hoffmann gemeinsam herausgegebenen Tagungsbandes Das Lehren Lernen (siehe unten) feierlich begangen. Was bietet sich mehr an, als die kleine Festlichkeit zur Publikation eines Buchs mit angemessenen Klängen zu verbinden – zumal dann, wenn die HerausgeberInnen des Buches selbst bestens Flöte spielen! Neben Ivo Berg (Blockflöte) und Freia Hoffmann (Querflöte) bereicherten einmal mehr Luisa Klaus (Blockflöte), zudem Maike Gotthardt (Klarinette) und Ulrich Laepple (Klavier) diesen Abend mit ihrer Musik.
Maike Gotthardt, Freia Hoffmann und Ulrich Laepple
Auch der wissenschaftliche Aspekt kam bei unseren Abendveranstaltungen nicht zu kurz: Annkatrin Babbe referierte am 2. Dezember über das spannende Phänomen der Präsentation Alter Musik auf Social Media Plattformen im Internet. Es schloss sich eine lebhafte Diskussion an, auch über die Frage, ob Präsentationen im Internet den besorgniserregenden Rückgang von KonzertbesucherInnen aufhalten können.
PUBLIKATIONEN
Gemeinsam mit der Leo-Kestenberg-Gesellschaft und der Universität der Künste veranstaltete das Institut im Oktober 2021 in Berlin die Tagung „Das Lehren lernen“, in der die Geschichte der außerschulischen Musikpädagogik in den Jahrzehnten um 1900 in den Blick genommen wurde. Die Ergebnisse dieser inhaltlich und personell vielfältigen Tagung sollten der Fachöffentlichkeit nicht vorenthalten werden: Wie oben bereits angedeutet, bereiteten Prof. Dr. Ivo Berg (Universität der Künste) und Freia Hoffmann den Tagungsband vor, der bereits ein knappes Jahr nach der Tagung bei Schott erschien: Das Lehren lernen. Instrumentalpädagogik auf dem Weg ins 20. Jahrhundert, Mainz 2022, ISBN 978-3-7957-2483-2, 22,95 €, bestellbar hier).
Ivo Berg stellt den Tagungsband vor
Das Inhaltsverzeichnis des Bandes findet sich hier. Drei Beiträge stammen dabei aus dem Sophie Drinker Institut. Im Einzelnen:
Freia Hoffmann, „Förderung der Kunst und der Volksbildung“. Die Einrichtung von Seminaren für Gesangs- und Instrumentallehrkräfte an Konservatorien des deutschsprachigen Raums, S. 31–46.
Luisa Klaus, Musikerzieherische Neuanfänge in Israel. Leo Kestenberg im Austausch mit der Musikwissenschaftlerin Edith Gerson-Kiwi, S. 213–224.
Volker Timmermann, Violinunterricht an Konservatorien im 19. Jahrhundert. Ein Blick auf die Studieninhalte und das Personal, S. 99–112.
WEITERER AUFSATZ
Annkatrin Babbe, Christiane Barlag, Doris Eickhoff, Carola Bethge und Freia Hoffmann, „Lehre im Zeichen der Frauenbewegung“, in: Die Tonkunst Juli 2022, S. 317–326.
VORTRÄGE UND FORTBILDUNGEN
Annkatrin Babbe, #baroquemusik - ‚Alte Musik‘ auf Social Media, Sophie Drinker Institut Bremen,, 2. Dezember 2022
Freia Hoffmann, Fortbildung zum Thema „Nähe und Distanz, Intimität und Hierarchien im künstlerischen Unterricht" an der Universität Mozarteum Salzburg, 8. März 2022
Freia Hoffmann, Beitrag zur Frauenemancipation". Zur Geschichte des Musikstudiums von Frauen im 19. Jahrhundert, mit besonderer Berücksichtigung des Konservatoriums in Salzburg. Festvortrag zum Jubiläum des Instituts für Gleichstellung und Gender Studies an der Universität Mozarteum in Salzburg auf Schloss Frohnburg, 14. Mai 2022
Freia Hoffmann, Raus aus dem Elfenbeinturm! Berufliche Perspektiven für Studierende der Musikwissenschaft, Vortrag Musikhochschule Detmold, 5. Juli 2022
Freia Hoffmann, Fortbildung „Nähe, Distanz und Grenzverletzungen" an der Musikhochschule Freiburg, 20. Okt. 2022
Volker Timmermann, Die Geschichte der Musikhochschulen im Nationalsozialismus. Ein Forschungsprojekt, 15. Juli 2022, Universität Bremen, Seminar von Prof. Dr. Alexander Cvetko
ONLINE-SCHRIFTENREIHE
Einmal mehr bereicherte Monika Tibbe die Online-Schriftenreihe des Instituts um einen Beitrag. Ging es 2021 um Chansons, klärt die in 2022 erschienene Nr. 4 der Reihe über die Soubrette als Frauenberuf um 1900 auf.
Was ist eigentlich eine Soubrette? Dass der Terminus eine weibliche Bühnenrolle umschreibt, kommt einem sofort in den Sinn. Aber welche Art von Rolle genau gemeint ist, dürfte wenig bekannt sein. Das liegt auch an der inhaltlichen Weite des Begriffs: Schon dass es Soubretten sowohl im Musik- als auch im Sprechtheater gibt, macht die Zuordnung schwierig. Hierzulande sind Soubretten seit dem 18. Jahrhundert auf der Bühne zu finden – und damit früh schon als Theaterrolle. Charakterlich ist die Soubrette munter, verschmitzt und humorvoll angelegt. Witz und Leichtigkeit zeichnet auch das Stimmfach der Soubrette aus, die in – oft hoher – Sopranlage singt. Soubretten gibt es in Oper und Operette, aber auch im Musical und der Kleinkunst, und damit zwischen den Grenzen „ernster“ und unterhaltender Musik.
Monika Tibbe fokussiert in ihrem Beitrag einen spezifischen Typus der Soubrette: Es geht ihr um Frauen, die um 1900 in Varietés und ähnlichen Unterhaltungsstätten auftraten. Die Tätigkeiten dieser wichtigen und einst verbreiteten Repräsentantinnen einer in jenen Tagen aufblühenden Unterhaltungskultur finden ihren Widerhall in verschiedenen Typen von Quellen. Dabei greift die Autorin nicht nur auf zeitgenössische Beschreibungen und andere Arten von Schriftquellen zurück, sondern auch auf Bildpostkarten, für die Soubretten oft als Sujet dienten. Mit den Beschreibungen von Äußerem, Herkunft, Tätigkeitsfeld und Berufsbedingungen entwirft Monika Tibbe in ihrer sozialgeschichtlich angelegten Studie ein aufschlussreiches Bild der Soubrette als Frauenberuf um 1900.
BEIRAT
Am 30. September tagte der Beirat des Sophie Drinker Instituts. Prof. Dr. Alexander Cvetko, Prof. Dr. Dieter Senghaas, Prof. Dr. Monika Tibbe, Karl-Ernst Went und Prof. Dr. Gerd Winter berieten dabei u. a. Ideen zu neuen Forschungsprojekten.
PERSONAL
Im April 2022 konnte Annkatrin Babbe ihre Promotion erfolgreich abschließen. Der Titel ihrer Arbeit: ‚Wiener Schule‘ – Geigenausbildung bei Josef Hellmesberger d. Ä. Das Sophie Drinker Institut gratuliert herzlich!
Seit Juni verstärkt Barbara Kollenbach das Team des Sophie Drinker Instituts. Sie ist Doktorandin von Alexander Cvetko an der Universität Bremen, hat bei der Revision unseres Instrumentalistinnen-Lexikons mitgearbeitet und aktualisiert zurzeit die Datei „Orchesterwerke von Komponistinnen“ (mit Verlags- und Besetzungsangaben).
Luisa Klaus ist für ein halbes Jahr beurlaubt, um in Jerusalem die Forschungen zu ihrer Dissertation über Edith Gerson-Kiwi (1908–1992) voranzutreiben. Wir wünschen nicht nur viel Erfolg, sondern auch eine sichere und baldige Heimkehr!
Den Freundinnen und Freunden des Sophie Drinker Instituts und unseren Kolleginnen und Kollegen wünschen wir ein gesundes und erfreuliches Jahr 2023. Auf dass wir alle uns auch im kommenden Jahr wieder zu gemeinsamen Abenden im Institut treffen mögen!
Herzliche Grüße, auch im Namen von Annkatrin Babbe, Christiane Barlag, Luisa Klaus und Barbara Kollenbach sowie natürlich von Freia Hoffmann!
Volker Timmernann
Außer der Schleifmühle 28
28203 Bremen
Tel. 0421/70 05 40, info@sophie-drinker-institut.de