Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Fritsche, Agga (eigentl. Agnete), verh. Svendsen

* 28. Febr. 1875 in Kopenhagen, † nach 1940, Violoncellistin. Agga Fritsche gilt als die erste öffentlich konzertierende dänische Violoncellistin. Sie war die Tochter von Marie Amalie Fritsche geb. Damborg (1838–1915) und dem dänischen Kaufmann und Staatsrat Harald Fritsche (1833–1905) und hatte fünf Geschwister: Elfriede Caroline Margarethe Emma (1861–?), Thorvald Theodor (1862–1902), Marie Charlotte (1864–?), Ingeborg, später verh. Glæsel (1865–1947) und Harald (1868–?). Violoncellounterricht erhielt sie in Kopenhagen bei dem Kapellmusiker Fritz Albert Christian Rüdinger (1838–1925). Zum Herbst 1897 setzte Agga Fritsche ihre Ausbildung am Leipziger Konservatorium fort und besuchte dort die Celloklasse von Julius Klengel (1859–1933). 

Das „Musikalische Wochenblatt“ berichtet im Febr. 1898 von ihrer Mitwirkung in den Prüfungskonzerten des Konservatoriums. Zusammen mit den Kommilitoninnen Lotte Demuth, Lina Drechsler-Adamson und Dora Jackson spielte die Violoncellistin ein Streichquartett d-Moll von Mozart (vermutlich KV 421). Der Rezensent schreibt: „Wir können uns nicht erinnern, an dieser Stelle jemals einem in der Präcision des Zusammenspiels und der musikalischen Ebenbürtigkeit der einzelnen Vertreterinnen so trefflichen Schülerinnenquartett begegnet zu sein, wie diesen vier Ausländerinnen, die ihre Sache wirklich ganz famos machten“ (FritzschMW 1898, S. 145f.). Im darauffolgenden Jahr fällt das Urteil eines Rezensenten desselben Blatts ebenfalls mit Blick auf die Prüfungskonzerte weniger beifällig aus. Über den Vortrag eines Konzerts von Haydn heißt es: „Die gut dressirten Finger der linken Hand und die hübsche Gewandtheit der rechten wären dem Vortrag zum Nutzen ausgeschlagen, hätte die junge Dänin nicht so grausam unrein und ausserdem so geistlos gespielt. Mit nur Einem [sic] Satz, statt des ganzen Concertes, wären die Ohren der Zuhörer mehr als hinlänglich gemartert worden“ (FritzschMW 1899, S. 193). Anders sieht dies der Lehrer Julius Klengel. Im Abschlusszeugnis vom 20. Juli 1900 schreibt er: „Fräulein Fritsche verlässt als eine mit ungewöhnlichem Können ausgestattete Violoncellistin das Kgl. Conservatorium, nachdem sie während ihrer drei Studienjahre mit musterhaftem Fleisse und grösster Gewissenhaftigkeit darnach gestrebt hat sich zu vervollkommnen. Es ist ihr dies in erfreulichster Weise gelungen und wenn schon ihr Vortrag des Haydn’schen Concertes in der 8. oeffentl. Hauptprüfung am 14. März 1899 sehr anerkennenswerth war, so sind ihre Fortschritte seitdem doch noch ganz bedeutende gewesen, so dass sie an einem Vortragsabend am 25. Mai 1900 mit einer der schwierigsten Aufgaben der Literatur: der Fantasie über russische Lieder [für Violoncello und Orchester, op. 7] von [Karl Juljewitsch] Davidoff ihre öffentlichen Vorträge in hervorragender Weise abgeschlossen hat. Frl. Fr. hat zwar keinen sehr grossen, aber einen sehr sympathischen weichen Ton, eine auch den schwierigsten Problemen gewachsene Technik und phrasirt mit ebenso viel Geschmack als Intelligenz“ (Zeugnis vom 20. Juli 1900, Archiv Leipzig).

Nach dem Studium konzertierte Agga Fritsche in Deutschland, Norwegen, Finnland und Dänemark. 1895 befand sich die Cellistin in Kopenhagen und wirkte dort am 5. Sept. in einem Konzert der „Women’s Exhibition“ mit. „At this musical entertainment only works by Scandinavian lady composers were performed by members of the fair sex“ (Musical News 1895 II, S. 253). Zusammen mit den Violinistinnen Ida Koppel und Anna Tryde sowie der Bratschistin Kamma Christophersen trug Agga Fritsche das Quartett d-Moll (1861) der schwedischen Komponistin Elfrida Andrée vor.

Anfang 1900 befand sie sich in Norwegen und spielte dort am 27. Jan. im Osloer Logens store Sal. 1902 ließ sie sich in Kopenhagen hören und fand in der Presse „synnerligen varmt erkännande för sin solida teknik och sitt varmt musikaliska från allt effektsökeri fria föredrag“ („besonders warme Anerkennung für ihre solide Technik und ihren warmen musikalischen, von aller Effekthascherei freien Vortrag“, Hufvudstadsbladet 9. Febr. 1903). Einige Zeit später reiste die Künstlerin in Begleitung ihres Vaters nach Helsinki. Am 10. Febr. 1903 spielte sie in einem der Populära Konserten ein Cellokonzert von Saint-Saëns. In der nächsten Zeit folgten Auftritte mit dem Pianisten Télémaque Lambrino (1878–1930), mit dem Agga Fritsche bereits in Leipzig gemeinsam konzertiert hatte. Am 27. Febr. 1903 traten beide KünstlerInnen in einem Wohltätigkeitskonzert des Fruntimmersföreningens im Universitetets Solennitetssal auf. Agga Fritsche trug hier Richard Strauss’ Cellosonate F-Dur op. 6, das Konzert g-Moll op. 29 von Fritz Kauffmann, Alfredo Piattis Tarantella op. 23 und César Cuis Cantabile op. 36 Nr. 2 vor. Am 4. Nov. 1904 konzertierte die Violoncellistin in der Musikaliska Akademien in Stockholm. Ihr Programm enthielt neben Saint-Saëns’ Konzert Nr. 1 a-Moll op. 33, das sie mit Orchesterbegleitung vortrug, Hakon Børresens Romanze für Violoncello und Klavier D-Dur op. 4 sowie Kompositionen von Christian Sinding und David Popper. Die Zeitung „Idun“ attestiert ihr „sångbara ton och ganska aktningsvärda teknik“ („gesanglichen Ton und ziemlich beachtliche Technik“, Idun 10. Nov. 1904).

1909 heiratete Agga Fritsche den Geiger Johannes Brorson Svendsen (1857–1920), ein Mitglied der Kopenhagener Hofkapelle. Auftritte sind in der Folgezeit nicht mehr dokumentiert. Im dänischen Zensus ist sie 1940 zuletzt erfasst.

 

LITERATUR

Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig, 
Bibliothek/Archiv, Eintrag in das Inskriptionsregister A I.1, 7243; Inskriptionsformular A I.2, 7234; Zeugnis A I.3, 7234

Aftenposten 22. Jan. 1900

FritzschMW 1898, S. 145f.; 1899, S. 193

Le Guide musical 1902, S. 809

Helsingfors-Posten 1903, 9., 10., 19., 22., 26., 27. Febr.; 1905, 1. Juli

Hufvudstadsbladet 1903, 9., 10., 22., 23., 26., 27. Febr., 5. März

Idun. Illustrerad Tidning för kvinnan och hemmet 1904, S. 557

Le Ménestrel 1895, S. 318f.

Monthly Musical Record 1903, S. 97

Musical News 1895 II, S. 253

Päivälehti 1903, 10., 22., 24. Febr.

Signale 1898, S. 308; 1899, S. 273, 403; 1900, S. 931

Uusi Suometar 22. Febr. 1903

Wyborgs Nyheter 11. Febr. 1903

J. F. Richter (Hrsg.), Violoncellisten der Gegenwart in Wort und Bild, Heilbronn 1903.

Elizabeth Cowling, The Cello, 1983.

Margaret Myers, Blowing her Own Trumpet. European Ladies’ Orchestras & Other Women Musicians, 1870–1950 in Sweden (= Skrifter från Musikvetenskapliga avdelningen 30), Göteborg 1993.

Kirsti Grinde [u. a.] (Hrsg.), Svensk musiktidning. 1880–1913 (= Répertoire international de la presse musicale), 5 Bde., Bd. 3, Baltimore/MD 2001.

Winfried Pape u. Wolfgang Boettcher, Das Violoncello. Geschichte, Bau, Technik, Repertoire, 2. Aufl., Mainz [u. a.] 2005.

Edmund Sebastian Joseph van der Straeten, History of the Violoncello, the Viol da Gamba, their Precursors and Collateral Instruments, 2 Bde., London 1915, Repr. in einem Bd., London 2008.

Dansk Knvindehistorie. Dansk kvindebiografisk leksikon, http://www.kvinfo.dk/side/170/bio/945/, Zugriff am 8. Febr. 2013.

Folketællingsskema ved Folketælling den 5. November 1940. Frederiksberg Kommune, Danish National Archives, https://www.dst.dk/da/Statistik/nyheder-analyser-publ/Publikationer/VisPub?cid=19597, Zugriff am 24. Mai 2022.

Konservatorium Leipzig, SchülerInnen, Ersteinschreibungen und AbsolventInnen, Sophie Drinker Institut Bremen, https://www.sophie-drinker-institut.de/kons-materialien, Zugriff am 24. Mai 2022.

 

Bildnachweis

Idun 1904, S. 557

Violoncellisten der Gegenwart in Wort und Bild, Heilbronn 1903, S. 68

 

 

Annkatrin Babbe

 

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