Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Heintz, (Karoline Wilhelmine Emmeline) Emmy, Emmi, verh. Hallwachs, Hallwachs-Heintz

* 27. Jan. 1848 in Potsdam, † 10. Juli 1922 in Berlin, Pianistin und Klavierlehrerin. Sie war die Tochter des Organisten, Klavierlehrers, Komponisten und Musikschriftstellers Albert Julius Heintz (1822–1911) und dessen Frau Elisabeth Franziska geb. Gaese. Ihre musikalische Ausbildung erhielt sie in Berlin bei Hans von Bülow (1830–1894), der zu dieser Zeit am Stern’schen Konservatorium lehrte. Der Unterricht erfolgte privat; in den Studierendenlisten des Ausbildungsinstituts lässt sich Emmy Heintz nicht nachweisen.

Erste Auftritte der Künstlerin erfolgten 1864. Mit Liszts Bearbeitungen vom „Hochzeitsmarsch“ und „Feentanz“ aus dem Sommernachtstraum von Mendelssohn für Klavier Searle 410 und der Sonate für Klavier und Violine in a-Moll op. 23 von Beethoven debütierte Emmy Heintz am 14. Apr. 1864 im Rahmen eines Wohltätigkeitskonzertes im Saal des Englischen Hauses in Berlin. Um den Jahreswechsel 1864/1865 reiste die Pianistin nach München und folgte damit Hans von Bülow, der dort seit 1864 als Hofkapellmeister wirkte. Bülow sah in München weitaus mehr Möglichkeiten für die musikalische Laufbahn seiner Schülerin als in Berlin. In einem Brief schrieb er ihr Ende des Jahres 1864: „Der Entwicklung Ihres schönen Talentes muß ich vor Allem einige mächtige seltene, gewissermaßen elektrisierende Eindrücke wünschen, die Ihnen das wahre Wesen der Musik – von dem die Berliner unter Anderem nicht die leiseste Ahnung haben – erschließen und entschleiern“ (4. Dez. 1864). Für ihr zukünftiges Wirken in München versprach er ihr: „Ich kann Ihnen nur sagen, daß Sie Einiges erleben werden, von dem Sie kaum geträumt haben; eben wirkliche musikalische Sonntage, von denen man eine neue Zeitrechnung für sich datieren kann“ (ebd.).

Am 4. Jan. 1865 trat Emmy Heintz erstmals vor das Münchener Publikum. In einer wohltätigen Soirée von Peter Moralt, dem Dirigenten der Hofkapelle, im großen Saal des königlichen Odeons spielte sie wiederum den „Hochzeitsmarsch“ und „Elfenreigen“ aus Mendelssohns Sommernachtstraum in der Bearbeitung von Liszt sowie dessen Rigoletto-Paraphrase Searle 434. Ebenfalls im Odeon trat sie im Apr. des Jahres in einem Konzert der Musikalischen Akademie München auf. In der folgenden Zeit zeigte sie sich oft im Rahmen von Klavierabenden und Kammermusiksoireen ihres Lehrers von Bülow und musizierte hierin häufig auch mit ihm zusammen.

Im August 1867 erfolgten Auftritte der Pianistin innerhalb der in Meiningen veranstalteten Tonkünstlerversammlung, die ihr eine außerordentlich positive Kritik einbrachten. Neben einem Trio von Ferdinand Praeger für Klavier, Violine und Violoncello und dem Andante mit Variationen, Intermezzi und Fugato für zwei Klaviere op. 22 von Anton Deprosse, das Emmy Heintz zusammen mit dem Komponisten selbst vortrug, enthielt das Programm der Künstlerin „die neuesten Liszt’schen Pianofortewerke“ (Allmanach des Allgemeinen Deutschen Musikvereins 1868, S. 127), die von einem Rezensenten der „Neuen Zeitschrift für Musik“ als „sehr effectvolle, aber auch schwierige und an die Technik des Ausführenden ganz bedeutende Ansprüche erhebende Clavierstücke“ (NZfM 1867, S. 355) eingeschätzt wurden. Dem Kritiker zufolge erhielt die Künstlerin hierdurch die Gelegenheit zur „Entfaltung einer glänzenden, die sich darbietenden enormen Schwierigkeiten mit Leichtigkeit und tadelloser Sicherheit überwindenden Technik“ (ebd.).

Nur kurze Zeit später wurde Emmy Heintz, „die sich auf der Tonkünstler-Versammlung in Meiningen durch ihre bedeutenden Leistungen ausgezeichnet hat, […] vom Großherzog von Meiningen zur Hofpianistin ernannt“ (Bock 1867, S. 303).

Unter der Direktion von Hans von Bülow unterrichtete die Pianistin um 1869 an der Kgl. bayerischen Musikschule (heute Hochschule für Musik und Theater München) das Fach Klavier. Ebenfalls 1869 heiratete sie den durch seine Wagner-Inszenierungen bekannt gewordenen Regisseur Franz Wilhelm Reinhardt Hallwachs (1833–1872), mit dem sie einen Sohn und eine Tochter, Elisabeth (1870–1929), hatte.

Bis 1869 wirkte Emmy Heintz fast ausschließlich in München. In einem Brief an einen nicht namentlich genannten Konzertveranstalter vom 30. Aug. 1870 schrieb sie hierzu: „Seit meiner Verheiratung sind mir zwar eigentlich Konzertreisen unmöglich geworden, doch spiele ich jetzt wieder gern hier und an nahen Orten“.

Ab 1870 erfolgten einige Konzertreisen durch Deutschland, die sie unter anderem nach Augsburg (1870/1871), Stuttgart (1871), Baden-Baden (1871), Berlin (1871), Wiesbaden (1872), Erfurt (1872/1873), Bremen (1873) und Frankfurt a. M. (1873) führten.

Die Konzertprogramme enthielten vielfach Kompositionen von Beethoven, Mendelssohn, Chopin, Schubert, Schumann und insbesondere von Liszt. Hinsichtlich der Vorträge wurde die Künstlerin von einigen Rezensenten als eine Repräsentantin der Pianistenschule Liszts dargestellt. Als Indikatoren hierfür nennt ein Korrespondent in der „Neuen Zeitschrift für Musik“ „jenen vollen, runden, elastischen Anschlag, jene enorme Kraft und Ausdauer, jene staunenswerthe technische Virtuosität, jene Noblesse und Eleganz des Vortrags, welche die Liszt’sche Pianistenschule so sehr auszeichnet[en](NZfM 1871, S. 263), und die der Liszt-Schüler Hans von Bülow der Pianistin vermittelt habe. Wiederholt wurde vor allem die Technik der Pianistin gelobt, so auch in einer Konzertkritik über den Vortrag der Fantasie C-Dur op. 15 von Schubert in einer Bearbeitung von Liszt (Searle 366) sowie der Liszt’schen Bravour-Tarantelle, einer Fantasie über die Oper Die Stumme von Portici von Daniel-François-Esprit Auber, aus der „Neuen Berliner Musikzeitung“: „Frau Hallwachs zeichnet sich nicht nur durch eine völlig virtuos ausgebildete Technik aus, sondern ihr Vortrag zeugt auch von einer künstlerischen Reife, ihre ganze musikalische Durchbildung von einer Solidarität und einem feinen Geschmack, welche bei einer jungen Dame mit Recht überraschen und doppelt fesseln müssen. Eine würdige Schülerin Hans von Bülow’s, stand sie vollkommen auf der Höhe der ausserordentlich schwierigen Aufgaben, die sie gewählt hatte“ (Bock 1872, S. 223).

Nach 1873 sind in der Presse keine Hinweise auf weitere Konzerte vorhanden. 1875 wird in der 5. Auflage von Franz Brendels Geschichte der Musik irrtümlich von dem Tod der Pianistin berichtet, was ein Rezensent des „Musikalischen Wochenblatts“ dementiert und mit dem Hinweis versieht, dass Emmy Heintz als „geachtete Clavierlehrerin in Berlin“ (FritzschMW 1878, S. 206)  tätig sei.

 

LITERATUR

Brief von Emmy Heintz, Besitz des Instituts für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft Universität zu Köln, Signatur Au 3756

Allmanach des Allgemeinen Deutschen Musikvereins 1868, S. 126f.

AmZ 1865, Sp. 365, 1867, S. 323; 1871, Sp. 108; 1872, Sp. 406

Der Bayerische Landbote 1865, 9. Jan.; 1867, 8. Juni

Bayerische Zeitung 1865, 1. Mai; 1867, 16. Aug.

Bayerischer Kurier 5. Juni 1867

Bock 1864, S. 123; 1867, S. 238, 303; 1868, S. 153, 169, 361; 1869, S. 14, 100, 264; 1871, S. 127, 197f.; 1872, S. 198f., 223, 286, 389; 1873, S. 45, 86

FritzschMW 1878, S. 206

Leipziger Zeitung 1867, S. 256, 268

Münchener Tages-Anzeiger 1865, 4. Jan.; 22. Apr.; 1867, 6., 8. Juni

MusW 1873, S. 101, 184

Neuer bayerischer Kurier für Stadt und Land 5. Juni 1867

NZfM 1864, S. 161; 1866, S. 215; 1867, S. 267, 319, 332, 354–56, 383f.; 1868, S. 113, 179, 198, 406; 1869, S. 283, 295; 1871, S. 246, 263, 440, 469; 1872, S. 374; 1873, S. 68, 124, 207

Signale 1867, S. 582, 673; 1869, S. 331, 396, 572; 1870, S. 905; 1873, S. 30, 93

Süddeutsche Presse 10. Nov. 1867

Mendel

Franz Brendel, Geschichte der Musik in Italien, Deutschland und Frankreich. Von den ersten christlichen Zeiten bis auf die Gegenwart25 Vorlesungen gehalten zu Leipzig, Leipzig 4. Aufl. 1867.

Hans von Bülow, Briefe und SchriftenBriefe, Meiningen, 1880–1886, hrsg von Marie von Bülow, 8 Bde., Bd. 5, Leipzig 1900.

Peter Cornelius, Literarische Werke. Ausgewählte Briefe nebst Tagebuchblättern und Gelegenheitsgedichten, hrsg. von Carl Maria Cornelius, 2 Bde., Bd. 2, Leipzig 1905.

Carl Friedrich Glasenapp, Das Leben Richard Wagners. 1864–1872, 6 Bde., Bd. 4, Leipzig 4. Aufl. 1908.

Hans-Joachim Hinrichsen (Hrsg.), Musikalische Interpretationen. Hans von Bülow, Stuttgart 1999 (= Beihefte zu: Archiv für Musikwissenschaft 46).

Stephan Schmitt (Hrsg.), Geschichte der Hochschule für Musik und Theater München. Von den Anfängen bis 1945 (= Musikwissenschaftliche Schriften der Hochschule für Musik und Theater München 1), Tutzing 2005.

http://hallwachs.genealogieonline.de/downloads/halbgewachsennachfahrenfaechertafel.pdf, Zugriff am 13. Mai 2011.

 

Annkatrin Babbe

 

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