Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Kovatsits, Kovacsics, Covacsics, Kovatsits, Kovásits, Kowasits, Ilona von, verh. Falz

* 2. Juni 1859 in Budapest, † 19. Nov. 1912 in Berlin, Harfenistin und Pianistin. Ihr Vater war der Schauspieler, Sänger und Klavierstimmer Johann Kovacsics (1830–1905). Ihre Mutter, Marie von Kovacsics (1837–1919), stammte aus Wien und war Harfenistin und Sängerin. Die Eltern hatten von 1860 bis 1865 ein Engagement am Stadttheater Brünn und siedelten 1865 nach Weimar über, wo sie Anstellung an der Hofkapelle fanden. Ilona wuchs mit zwei Brüdern auf: Gyula (1866–1951) und Sandor (1857–1917), der später als Hornist und Harfenist Mitglied der Hofkapelle Sondershausen und Lehrer am dortigen Konservatorium wurde. Ilona erhielt von ihrer Mutter Harfenunterricht und war vom Wintersemester 1877/1878 bis 1879 mit den Fächern Harfe und Klavier an der Großherzoglichen Orchester- und Musik-Schule eingeschrieben. Möglicherweise war sie zwischen 1875 und 1880 auch Privatschülerin des Harfenisten Wilhelm Posse (1852–1925) in Berlin.

Ilona von Kovatsits’ Debüt als Harfenistin fand bereits 1875 statt, als die Weimarer Musikschule bei einem Besuch ihres Förderers Franz Liszt dessen Symphonische Dichtung Orpheus aufführte. Die „Neue Zeitschrift für Musik“ bedachte das Solo, das Ilona von Kovatsits in diesem Rahmen vortrug, mit „besonderer Anerkennung“ und lobte die „talentvolle Tochter und Schülerin der seit Jahren mit Ehren ihren Platz in unserer Hofcapelle ausfüllenden Harfenvirtuosin. […] Das treffliche Debüt der jungen Dame schien ihrem großen Landsmanne besondere Freude zu machen“ (NZfM 1875, S. 241). 1880 ist ein Auftritt in einem Leipziger Symphoniekonzert unter der Leitung von Carl Walther belegt: „Frl. Ilona Kovatsits glänzte als Harfenvirtuosin in einem ‚Elfenreigen‘ von Alvars sowohl durch technische Fertigkeit als verständniß- und geschmackvollen Vortrag“ (NZfM 1880, S. 148). Am 8. und 12. Dez. desselben Jahres sind zwei Konzerte in Salzburg belegt. Dass die junge Musikerin in der dortigen Presse als „Harfenspielerin am Hoftheater zu Weimar“ (Salzburger Volksblatt 11. Dez. 1880) bezeichnet wird, ist ein Hinweis darauf, dass sie möglicherweise gelegentlich ihre Mutter vertrat, die ihre Stellung wegen eines Augenleidens um 1881/82 aufgeben musste.

Franz Liszt war mit der ungarisch-stämmigen Familie eng befreundet; Marie von Kovacsics soll ihn bei der Ausformulierung der Harfenpartien in seinen Kompositionen beraten haben. Möglicherweise entwickelte sich Anfang der 1880er Jahre eine Beziehung zwischen Liszt und der Tochter. Eine Ehe mit dem Dresdner Kaufmann Wilhelm Alfred Falz wurde am 28. Mai 1881 geschlossen, als Ilona von Kovatsits bereits hochschwanger war. Am 31. Juli 1881 brachte die junge Frau in Berchtesgaden ein Mädchen zur Welt, Maria Elisabetha Falz, das bereits nach einem Monat starb. Eine zweite Tochter, (Frieda Albertine Johanna) Ilona Falz, wurde am 6. Aug. 1882 in Bad Reichenhall geboren. Noch im selben Jahr trennten sich Wilhelm Alfred und Ilona Falz, das Kind wurde in Weimar in die Obhut von Marie und Johann Kovacsics gegeben. Es wuchs bei den Großeltern auf, während die Mutter, nun wieder unter ihrem Geburtsnamen, ihre Karriere als Musikerin fortsetzte.

Die nächsten beruflichen Stationen Ilona von Kovatsits’ waren die Stadttheater Hamburg, Bremen und Elberfeld. Aus dem Sommer 1895 ist ihre Bewerbung auf die Harfenstelle in der Bückeburger Hofkapelle belegt, und im Herbst 1895 wird Ilona von Kovatsits in einem Inserat der neugegründeten Fürstlich Schaumburg-Lippischen Orchesterschule zu Bückeburg als Lehrkraft aufgelistet, hat die Arbeit dort aber wahrscheinlich nicht aufgenommen. Im Okt. 1895 trat sie bereits wieder in Elberfeld als Orchesterharfenistin „vom hiesigen Stadttheater“ (Konzertprogramm) auf.  Von 1903 an ist sie in Berlin nachweisbar und hatte 1905 ein Engagement am Stadttheater Rostock. Von 1904 bis 1909 war sie am Theater des Westens in Berlin-Charlottenburg tätig. Als sie am 19. Nov. 1912 in Berlin starb, wurde sie in der Sterbeurkunde als „verwitwete Klavierlehrerin“ bezeichnet. Sie wurde am 22. Nov. 1912 auf dem Friedhof Stahnsdorf beigesetzt.

Ihre Tochter Ilona Falz war von 1897 bis 1898 als Klavierstudentin an der Großherzoglichen Musikschule Weimar eingeschrieben. Sie heiratete in Weimar einen Frisör namens Höhnel, ließ sich von ihm scheiden und verdiente sich ihren Lebensunterhalt mit Klavierunterricht. Hermann Abendroth, 1945 bis 1956 Chefdirigent der Staatskapelle Weimar, soll dafür gesorgt haben, dass die Klassik Stiftung Weimar der Musikerin eine Rente aussetzte. Ilona Höhnel starb 1963 in Weimar. Ihr Grabstein trägt die Inschrift „Ilona Höhnel. Franz Liszt’s Tochter“.

Die Vaterschaft Liszts wird in der Liszt-Forschung bestritten, u. a. mit dem Hinweis, dass sich Liszt zwischen Oktober und Dezember 1881 in Rom aufgehalten habe, „a thousand miles away; […] and although we have a mass of information about the people he met during these four months, the name of Fräulein von Kovacsics is nowhere to be found“ (Walker, S. 24).

 

Ilona von Kovatsits, Bild um 1880?

  

LITERATUR

Niedersächsisches Landesarchiv Bückeburg NLA BU K6 Nr. 573

Testament Ilona Falz geb. v. Kovasits vom 11. 7. 1889, Amtsgericht Weimar

Schreiben von Ilona Höhnel an Alfred Kominowsky vom 14. und 31. Aug. 1955, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Mscr. Dresd. App. 2092,1 und 2092, 2

Sterbeurkunde Ilona Falz, Standesamt Charlottenburg, Archiv der Hochschule Franz Liszt Weimar, NGK 485

„Urkundliche Beweise fehlen. Prof. Dr. Kraft zum Ableben von Ilona Höhnel“. Unbezeichneter Zeitungsausschnitt, ebd. Mscr. Dresd. App. 2092, 12

Konzertprogramm Elberfeld 1. Abonnements-Concert im Casino 26. Okt. 1895, Stadtarchiv Wuppertal

Elberfelder Zeitung 28. Okt. 1895

FritzschMW 1891, S. 253; 1895, S. 390

NZfM 1875, S. 241; 1880, S. 148

Neuer Theater-Almanach 1904/05, S. 293

Salzburger Volksblatt 11., 14. Dez. 1880

Zweiter Bericht der Grossherzoglichen Orchester- und Musik-Schule in Weimar über die Schuljahre 1877–1882, Weimar 1882.

Dritter Bericht der Grossherzoglichen Orchester- und Musik-Schule in Weimar über die Schuljahr 1882–1885, Weimar 1885.

Die Grossherzogliche Musikschule in Weimar von 1872–1897. Festschrift September 1897, Weimar 1897.

Bericht der Grossherzogl. Musikschule in Weimar über die Schuljahre von Ostern 1897–1898 und 1898–1899, Weimar 1899.

Max Seidel, Geschichte des Rostocker Städtischen Orchesters, Rostock 1922.

Alan Walker, Franz Liszt, 3 Bde., Bd. 1: The virtuoso years, 1811–1847, New York 1983.

Hecker

Elke Pitzler, „Die vergessene Tochter Liszts. Erinnerungen an Ilona Höhnel“, in: Liszt-Nachrichten H. 16/17, Weimar 2012, S. 53–56.

Walter Horn, „Die Tochter von Liszt. Nachforschungen“, in: Harfe heute 2017, S. 40f.

Bildnachweis

Archiv der Musikhochschule Weimar, ThLMA/HSA-NGK 486/230, mit freundlicher Genehmigung. Dank auch an das Fotoatelier Louis Held, Weimar.

 

Freia Hoffmann und Walter Horn

 

© 2019 Freia Hoffmann