Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Hallet, Hallett, Beatrice (Emma)

* 1. Apr. 1868 in London, † nach 1898, Pianistin und Komponistin. Beatrice Hallet war das zweitälteste von vier Kindern der Eheleute Emma Sarah (um 1834 – ?) und John Ford Hallet (um 1834 – ?). Sie war eine der ersten StudentInnen des 1882 gegründeten Royal College of Music in Kensington/London. 1883 erhielt sie eines von 50 Stipendien, das sie von den Kosten für das Studium befreite. Bis 1887 war Beatrice Hallet dort eingeschrieben und wirkte in dieser Zeit in vielen öffentlichen Konzerten der Einrichtung mit. Der Musikkritiker John South Shedlock attestiert der Pianistin nach einem solchen Konzert im Juni 1886 „fair fingers“ (Academy 1886, S. 48), und ein Korrespondent der „Musical Times“ bezeichnet sie als „a very promising young pianist“ (MusT 1886, S. 720).

Auf einer ihrer England-Reisen besuchte Clara Schumann 1887 das Royal College of Music und bot, nachdem sie dort einige StudentInnen spielen gehört hatte, Beatrice Hallet und Charles Holden-White einen Studienplatz am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt an. Ende 1887 bzw. Anfang 1888 reiste Beatrice Hallet nach Deutschland und studierte in Frankfurt zunächst ein Semester lang Klavier bei Eugenie Schumann. Zum Studienjahr 1888/1889 wurde sie in die Klavierklasse von Clara Schumann und die Kompositionsklasse von Iwan Knorr aufgenommen. Nach vier Semestern beendete die Pianistin ihr Studium und kehrte vermutlich 1890 nach England zurück.

Erst nach 1892 finden sich wieder Hinweise auf öffentliche Auftritte von Beatrice Hallet. 1893 veranstaltete sie erstmals ein „Historical Lecture-Recital illustrating the position of the pianoforte in the art of music“ (Musical News 1893 I, S. 415). Die Pianistin selbst hielt darin einen Vortrag über die Entwicklung der Klaviermusik im Laufe der Jahrhunderte und veranschaulichte ihre Ausführungen exemplarisch anhand ausgewählter Kompositionen am Klavier. Bis 1898 veranstaltete sie solche Konzerte in London (1893, 1894, 1898) und den englischen Provinzen, darunter Hertfordshire (1893) und Bristol (1895). Ihre Konzertprogramme enthielten u. a. Joh. Seb. Bachs Französische Suite G-Dur BWV 816, eine Sonate von Haydn in Es-Dur, Beethovens Sonate Nr. 8 c-Moll op. 13 (Grande Sonate Pathétique), Schuberts Moments musicaux D. 780, Mendelssohns Lieder ohne Worte, Schumanns Kinderszenen op. 15, Chopinsche Etüden und Brahms’ Ungarische Tänze.

Abgesehen von den „Lecture-Recitals“ trat Beatrice Hallet nur selten auf. Wiederholt erhielt sie Engagements als Klavierbegleiterin, so für ein Konzert des Bach-Chores am 31. Mai 1892 in der Londoner Prince's Hall, für ein Konzert der Musical Guild am 30. Mai 1893 in der Town Hall von Kensington und für eine Purcell-Gedenkfeier am 19. Dez. 1895 in Blackheath/London. Gelegentlich nahm die Pianistin auch Verpflichtungen als Solistin an. Am 6. März 1897 trat sie in einem Konzert des Konzertagenten Narciso Vert in der Londoner Queen’s Hall auf. „The Era“ schreibt hierüber: „Miss Beatrice Hallet in a Sonata of Beethoven and in Schumann’s ‚Carnival‘ displayed considerable merit as a pianist of the modern school − a little too modern, it may be, in her rendering of Beethoven. The Sonata Op. 53, although well executed as a whole, required greater variety of style in some portions“ (The Era 13. März 1897). Im Dez. des Jahres veranstaltete die Brighton and Hove Philharmonic Society ein Konzert in der Town Hall von Hove, in dem Beatrice Hallet Robert Schumanns Klavierkonzert a-Moll op. 54 vortrug.

Einer der letzten öffentlichen Auftritte der Musikerin erfolgte im Juni 1898. In diesem Monat gastierte das Wiener Fitzner Quartett in London, in dessen Konzerten am 13. und 20. Juni Beatrice Hallet zu hören war. Als solistische Beiträge wählte sie Drei Intermezzi op. 117 von Brahms sowie Schumanns Toccata C-Dur op. 7.

Während bzw. nach ihrem Studium in Frankfurt komponierte Beatrice Hallett einige Lieder. 1892 wurden eine Sammlung von fünf Liedern für eine Gesangsstimme mit Klavierbegleitung sowie einzelne Lieder in Leipzig und London verlegt. Seit 1893 erschien im Verlag Robert Cocks & Co. außerdem Klaviermusik von ihr.

 

WERKE FÜR KLAVIER

Six Musical Fancies, London 1893

 

LITERATUR

Academy 1886, S. 48

The Bristol Mercury and Daily Post 8. Jan. 1894

The Era [London] 1887, 5. März; 1897, 13. März; 1898, 18., 25. Juni

Jahresbericht des Dr. Hoch’schen Conservatoriums für alle Zweige der Tonkunst zu Frankfurt am Main [JB] 1887/1888, S. 12; 1888/1889, S. 6; 1889/1890, S. 6

Magazine of Music 1896, S. 593

The Manchester Guardian 27. Febr. 1894

Monthly Musical Record 1883, S. 108; 1886, S. 282; 1887, S. 89, 160

Musical Herald 1898, S. 174

Musical News 1893 I, S. 415

Musical Opinion and Music Trade Review 1898, S. 600

Musical Standard 1886 I, S. 240; 1886 II, S. 52; 1887 I, S. 164, 356; 1889 I, S. 377; 1893 I, S. 449; 1894 I, S. 126; 1898 I, S. 362

MusT 1886, S. 720; 1887, S. 219; 1892, S. 408; 1893, S. 685; 1894, S. 55, 125, 193, 272, 490, 560, 631, 702, 774, 847; 1895, S. 479; 1896, S. 51; 1898, S. 52, 475

MusW 1887, S. 197, 978f.

Saturday Review of Politics, Literature, Science, and Art 1887, S. 772

The Times [London] 14. Juni 1898

Western Mail [Cardiff] 23. Apr. 1883

Heinrich Hanau, Dr. Hoch’s Conservatorium zu Frankfurt am Main. Festschrift zur Feier seines fünfundzwanzigjährigen Bestehens (18781903), Frankfurt a. M. 1903.

Percy Marshall Young, George Grove. 1820−1900. A Biography, London 1980.

Annkatrin Babbe, Clara Schumann und ihre SchülerInnen am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt a. M. (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts 11), Oldenburg 2015.

Dies., „Netzwerke von und um Clara Schumann am Hoch’schen Konservatorium“, in: Musikerinnen und ihre Netzwerke im 19. Jahrhundert, hrsg. von ders. u. Volker Timmermann (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts 12), Oldenburg 2016, S. 163–178.

 

Annkatrin Babbe

 

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