Jahresbericht 2015

 

 

Unseren winterlichen Bericht fangen wir, wie immer, mit einem Garten-Foto aus wärmeren Tagen an – und das ist auch als symbolischer Blumenstrauß gemeint für die vielen Menschen, die in diesem Jahr mit uns gearbeitet, korrespondiert, diskutiert, gefeiert oder uns auf unserer Homepage besucht haben.

Es war auch in diesem Jahr lebendig im Institut: Wir haben wieder Studentengruppen aus der Universität Oldenburg und aus der Hochschule für Künste sowie SchülerInnen vom Dom-Gymnasium Verden bei uns zu Gast gehabt; zum Jahresanfang hat die englische Sopranistin Rachel Bersier einen fünftägigen Meisterkurs in den Räumen des Instituts veranstaltet, im August war unsere ehemalige Gastwissenschaftlerin Yuko Tamagawa für einige Tage bei uns. Am 26. September tagte das Unabhängige Forschungskolloquium (UFO), ein überregionales Treffen von Doktorandinnen, im Institut, und am 12. und 13. Dezember führte der Wissenschaftliche Beirat der Tschaikowsky-Gesellschaft e. V. in unseren Räumen eine Sitzung durch.

Ein besonderes Treffen von Ex-Doktorandinnen fand aus gegebenem Anlass in Montpellier statt: Irène Minder-Jeanneret (Bern) und Freia Hoffmann besuchten Claudia Schweitzer am 12. März in Montpellier, wo Claudia gerade ihre ersten Monate an der Universität Montpellier 3 mit Erfolg absolviert hatte. Sie ist dort befristet als Assistenz-Professorin angestellt, legt aber immer noch Wert auf ihre (jetzt ruhende) Beschäftigung als Mitarbeiterin des Sophie Drinker Instituts. Gerne, liebe Claudia!

Immer neue Kontakte beschert uns das Instrumentalistinnen-Lexikon: Einerseits sind es WissenschaftlerInnen, denen unsere Forschungsergebnisse nützen und die uns manchmal ergänzende Details mitteilen können; andererseits sehen wir, wie intensiv auch die Familienforschung von unseren Artikeln profitiert, weil wir oft Auskunft geben über Musikerinnen, die kaum ein anderes Lexikon kennt. Und selbstverständlich bekommen wir auch hier viele Informationen zurück. Im letzten Jahr haben zum Beispiel Aubrey Slaughters in England und Paul Thwaites in den Niederlanden auf eigene Initiative unsere weißen Flecken („Lebensdaten unbekannt“, „Sterbedaten unbekannt“) mit Daten und Nachweisen ausgefüllt – das sind wunderbare Hilfen, für die wir uns herzlich bedanken.

Im Januar machten uns die Nachfahren der Familie von Aloise und August Pott (Letzterer Gründer der Oldenburger Hofkapelle und gefeierter Violinvirtuose aus der Schule von Louis Spohr) das Autograph eines Klavierstücks von Aloise Pott zugänglich – eine kleine Sensation, da Aloise Pott zwar in dem Lexikon von Gustav Schilling (Das musikalische Europa, S. 273) nicht nur als hervorragende Pianistin, sondern auch als Komponistin gerühmt wird, deren Werke alle „wahrhaft musicalischen Werth haben“Doch blieben alle Recherchen nach ihrer Musik bislang vergebens. Das als Impromptubetitelte Werk ist elegante, gut gearbeitete Musik, die Rückschlüsse auch auf Aloise Potts pianistische und musikalische Fähigkeiten zulässt.

 

Die Kunsthistorikerin Anna Lehninger von der Zentralbibliothek Zürich, die dem Instrumentalistinnen-Lexikon vor Jahren bereits einen Artikel über die Geigerin Teresa Ottavo beigesteuert hatte, überraschte uns mit dem Hinweis, dass die Graphische Sammlung dieser Bibliothek ein Bild von Caroline Krähmer geb. Schleicher besitzt. Caroline Krähmer (*1794) – seit der Entstehung von „Instrument und Körper“ in den 1980er Jahren eine Art Galionsfigur unangepasster Instrumentalpraxis – war Geigerin und die im bürgerlichen Konzertbetrieb erste öffentlich auftretende Klarinettistin. Seitdem haben Generationen von Musik-wissenschaftlerinnen jeden Archiv- und Internetwinkel nach weiteren Quellen abgesucht, und dann diese Überraschung! Wir danken Anna Lehninger vielmals für den Hinweis und ihrer Bibliothek für die exklusive Abbildungsgenehmigung.

 

 

 

Vorträge und Fortbildungen

 Wir wollen den Jahresbericht diesmal etwas kürzer halten und geben hier zunächst unsere auswärtigen Aktivitäten chronologisch wieder:

 

26. Januar

Vortrag Freia Hoffmann zum Thema

„Sexuelle Übergriffe“ an der Musikschule Münster

 

7. Februar

Fortbildung Freia Hoffmann und Dipl.-Psych. Monika Holzbecher zum Thema „Sexuelle Übergriffe“ an der Musikschule Münster

 

18. Februar

Vortrag Freia Hoffmann zum Thema „Sexuelle Übergriffe“ an der Rheinischen Musikschule Köln

 

16. April

Fortbildung Freia Hoffmann und Monika Holzbecher beim Landesverband des Verbandes Deutscher Musikschulen in Markneukirchen zum Thema „Sexuelle Übergriffe“

 

8. Mai

Vortrag Freia Hoffmann zum Thema „Sexuelle Übergriffe“ beim Musikschulkongress Münster

 

12. Juli

Symposium „Chancengleichheit für Komponistinnen“ in Kassel, Vortrag Freia Hoffmann „Seit 40 Jahren dabei. Versuch einer kritischen Bilanz“

 

3. Oktober

Vortrag Annkatrin Babbe, „Wirkungsräume von Instrumentalistinnen im deutschsprachigen und französischen Salon“, bei der internationalen zweisprachigen Tagung „Der europäische Salon: Salonmusik im 19. Jahrhundert“ an der National University of Ireland in Maynooth

 

16. Oktober

Vorträge von Annkatrin Babbe, Volker Timmermann und Freia Hoffmann bei der Tagung „Musikalische Bildung im 19. und 20. Jahrhundert in Frankfurt am Main“

 

17. Oktober

Teilnahme von Freia Hoffmann beim Vernetzungstreffen des Arbeitskreises Frau und Musik in Frankfurt am Main

 

19. November

Vortrag Volker Timmermann, „Die Schwestern Milanollo“, bei der Tagung „Der lange Schatten Paganinis. HW Ernst (1814–1865) und das Phänomen Virtuosität im Spannungsfeld von Produktion – Reproduktion – Rezeption“, Universität Göttingen

 

25. November

Gastvortrag Volker Timmermann über Vitězslava Kaprálovás Streichquartett op. 8 an der Hochschule für Künste Bern

   

Eine Neueinstellung und ein neues Thema

Seit 1. März haben wir mit Johanna Imm, Master-Studentin an der Universität Oldenburg, eine neue Studentische Hilfskraft. Der Zufall wollte es, dass Johanna genau die Richtige war, um eine Anregung von unserer vorjährigen Tagung in Michaelstein umzusetzen: Thema war dort die Sozial-, Interpretations- und Baugeschichte von Blechblasinstrumenten gewesen, und Tagungsteilnehmer hatten uns darauf aufmerksam gemacht, dass inzwischen die Zahl der Metallblasinstrumentenbauerinnen erfreulich zugenommen habe. „Das sollten Sie mal untersuchen!“ Den Bewerbungsunterlagen von Johanna war zu entnehmen, dass ihr Vater Metallblasinstrumente baut und dass sie mit ihrer Bachelor-Arbeit bereits Erfahrungen in quantitativer Forschung machen konnte. Sie begann sofort, Adressen zu sammeln, Kontakte herzustellen, Fragebögen zu entwerfen, im Internet die historische Dimension des Themas zu erforschen und konnte uns vor einigen Wochen die Ergebnisse präsentieren.

Das Projekt ist inzwischen abgeschlossen und kann auf unserer Homepage nachgelesen werden: „‚Ehrgeizig, zuverlässig, selbstbewusst‘: Metallblasinstrumentenmacherinnen und ihre Stellung im deutschen Musikinstrumentenbau“:

 

Neue Bände in der Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts

Band 10: Michaela Krucsay, Zwischen Aufklärung und barocker Prachtentfaltung. Anna Bon di Venezia und ihre Familie von „Operisten“, Oldenburg 2015.

Band 11: Annkatrin Babbe, Clara Schumann und ihre Schülerinnen am Hoch'schen Konservatorium in Frankfurt a. M., Oldenburg 2015.

Band 12: Annkatrin Babbe und Volker Timmermann (Hrsg.), Musikerinnen und ihre Netzwerke im 19. Jahrhundert, Oldenburg 2016.

Die Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts ist jetzt zehn Jahre alt, und nach zehn Bänden haben wir unsere Grafikerin Marta Daul um einen Entwurf für einen neuen Umschlag gebeten. Band 11 und 12 sehen jetzt so aus, und der Wieder-Erkennungs-Effekt bleibt bei wechselnder Farbgebung auch für die nächsten zehn Bände erhalten:

 

                  

Das zweite Bild ist ein Entwurf, selbstverständlich muss es heißen: „...im 19. Jahrhundert“

 

Weitere Publikationen

Kadja Grönke, „Contrasting Concepts of Love in Two Songs by Alma Schindler(-Mahler) and Gustav Mahler“ und „Pauline Viardot-Garcia’s ‚Ne poj, krasavica, pri mne‘ and the Genre of Russian Romance“), übersetzt von Victoria Viebahn, in: Women and the Nineteenth-Century Lied, hrsg. von Aisling Kenny und Susan Wollenberg, Farnham und Burlington 2015), S. 143−161 und S. 217−229.

 

Volker Timmermann, „Sie könnte eben so gut auf einem Spinnfaden geigen.“ Die Spohr-Schülerin Elisabeth Filipowicz. Karriere als Folge von Emigration, in: Musik und Politik. Politische Einflüsse auf Musikerbiographien und kompositorisches Schaffen von 1784 bis heute, hrsg. von Hans Krauss, Kassel 2015, S. 143−154.

 

Annkatrin Babbe, „Den ‚Titel ›Dirigentin‹ – also: Frau am Pult – zu überwinden‘. Zur Situation von Dirigentinnen im deutschsprachigen Raum“, in: Österreichische Musikzeitung 3 (2015), Schwerpunktheft „Die Dirigentin. Geschlechterkampf im Orchestergraben?“, S. 6−15.

 

Freia Hoffmann, „Vom Taktstock-Diktator zum primus inter pares“, ebd. S. 37−46.

 

Lehraufträge an der Universität Oldenburg

Sommersemester 2015

 Kadja Grönke, Aspekte der Musik nach 1945, Bachelor Musik, Abschluss- und Aufbaumodul, Professionalisierungsprogramm

 Kadja Grönke, Die Idee des Neuen in der Musik zwischen 1945 und 1970, Master Philosophie, Aufbaumodul, und Bachelor Philosophie/Werte und Normen, Abschluss- und Aufbaumodul

 

Wintersemester 2015/16

Volker Timmermann: Musikkritik in Geschichte und Gegenwart, mit praktischen Übungen, Master Musikwissenschaft

Kadja Grönke: Klaviertechnik im Dienst kompositorischer Innovation: Liszt, Skrjabin, Ligeti (mit Werner Barho), Bachelor Musik, Aufbau- und Abschlussmodul

 

Wie immer bedanken wir uns herzlich beim Institut für Musik für die gute Zusammenarbeit, und selbstverständlich gilt unser Dank auch dem Bibliotheks- und Informationssystem, das uns nicht nur mit seinem Verlag zur Verfügung steht, sondern auch unsere Bücher, Noten und Tonträger katalogisiert.

 

....und ein neues Forschungsprojekt

 Die Geschichte der Konservatorien im deutschsprachigen Raum im 19. Jahrhundert, als vergleichender Überblick von allen Fachleuten als Desiderat anerkannt, wird unsere nächste große Aufgabe sein. Eine Literaturliste von etwa 450 Titeln und eine Vorrecherche am Beispiel einzelner Institutionen sind ein Anfang – Näheres erfahren Sie im Jahresbericht 2016.

 

Damit verabschiede ich mich für dieses Mal mit guten Wünschen für ein friedlicheres Jahr 2016 und mit einem herzlichen Dank an alle, die unsere Arbeit begleiten.

 

Ihre

 

Geschäftsführerin und Leiterin des Sophie Drinker Instituts