Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Hauser, Natalie, Nathalie

* ca. 1858, Ort unbekannt, Sterbedaten unbekannt, ungarische Pianistin. Ihr Vater war Pressemeldungen zufolge Klavierlehrer in Ofen (heute Stadtteil von Budapest; Wiener Zeitung 27. März 1872). Am 25. März 1872 wurde sie von der österreichischen Erzherzogin Gisela empfangen und musizierte „vor Ihrer k. Hoheit und mehreren Damen des Hofstaates einige Klavierpiecen" (ebd.) Wenige Monate später bewilligte ihr das ungarische Unterrichtsministerium ein Stipendium von 400 fl. für ihre pianistische Ausbildung. Im folgenden Jahr erhielt sie aus demselben Stipendienfonds 200 fl. Am 15. Sept. 1872 ist ein Auftritt im Kurhaus Herkulesbad bei Mehadia belegt. Im Febr. und März 1874, ließ sie sich in Paris in drei Konzerten mit Werken von Beethoven, Schumann, Liszt, Chopin, Weber, Herz und Sydney Smith hören. In der Presse hieß es, sie habe „des leçons de Liszt“ („Unterrichtsstunden bei Liszt“ , Le Rappel 12. Febr. 1874) erhalten, sie sei „élève de Liszt“ („Schülerin von Liszt“, ebd. 13. März 1874) oder sogar „élève favorite de Liszt“ („Lieblingsschülerin von Liszt“, ebd. 17. Febr. 1874), was sich allerdings aus der Liszt-Literatur und anderen Quellen nicht belegen lässt. „Cette gracieuse artiste, qui a quinze ans à peine, possède déjà un talent d’une rare énergie et d’une remarquable précision; son jeu nuancé a des souplesses et des vigueurs inattendues; elle excède également à rendre les sévères beautés d’une œuvre savamment développée de Beethoven, et les fantaisies imprévues des mélodies hongroises, dont Liszt a renfermé l’essence dans sa curieuse rapsodie [Rhapsodie hongroise]“ („diese anmutige Künstlerin, die kaum 15 Jahre zählt, verfügt bereits über eine außergewöhnliche Kraft und bemerkenswerte Präzision; ihr fein abgestuftes Spiel zeigt unerwartete Zartheit wie auch Kraft; sie offenbart die herben Schönheiten eines von Beethoven so geistreich gestalteten Werkes ebenso wie die überraschenden Einfälle der ungarischen Melodien, deren Wesen Liszt in seiner sonderbaren Rhapsodie [hongroise] eingefangen hat“ (ebd.).

Im Juni 1874 gab Natalie Hauser in London, wiederum mit einer von Liszts Ungarischen Rhapsodien„a pleasing display of her abilities“ (MusW 1874, S. 380) und veranstaltete am 11. Juli in den Beethoven Rooms ein eigenes Konzert mit der Sonate d-Moll op. 49 von Weber, der Valse Caprice von Schubert-Liszt (Searle 427), einer Fantasie über Meyerbeers Le Prophète von Liszt (wohl Searle 259), einer Gavotte von Joh. Seb. Bach und einem Rondeau von Weber. Bei einem Duo für zwei Klaviere über Themen aus Webers Freischütz von Julius Benedict und einem Duo für Klavier und Harfe über Themen aus Donizettis Lucrezia Borgia von Karl Oberthür assistierten ihr jeweils die Komponisten.

Im Herbst 1874 konzertierte die Musikerin in Köln mit negativer Presse, was ihre Liszt-Interpretationen anbelangt, wurde insgesamt jedoch nicht undifferenziert beurteilt: „Leichtere Compositionen – z. B. von Mendelssohn und Schubert – gelingen indess der noch jugendlichen Künstlerin ganz vortrefflich. Immerhin ist aber die Technik erstaunlich für eine Novize in der Kunst“ (Bock 1874, S. 365). Der Versuch, sich Ende des Jahres auch in Berlin einzuführen, scheint misslungen: Ein Concert des Fräul. Natalie Hauser war dadurch bemerkenswerth, dass es eine Clavierspielerin in die Oeffentlichkeit führte, die nicht einmal die landläufige Pianistentechnik besitzt, welche heutigentags sogar einer Unzahl von Dilettanten eigen ist. Ueberdies haben wir selten etwas unmusikalischer spielen hören, als von Seiten des Frl. Hauser die Beethovensche F-dur-Sonate für Piano und Violine. Wir bedauerten nur Herrn Concertmeister [Fabian] Rehfeld, der selbst als erfahrener Steuermann Noth hatte, das Sonatenschifflein glücklich durch die Brandung in den Hafen zu bringen (Bock 1875, S. 19f.).

1877 sind Konzerte in Mailand und Genua belegt. Danach verliert sich die Spur der Musikerin.

 

LITERATUR

AmZ 1873, Sp. 683

Blätter für Musiktheater und Kunst 1872, S. 231

Bock 1874, S. 365; 1875, S. 19f., 158

Le Figaro [Paris] 4. Febr. 1874

Fremden-Blatt [Wien] 13. Sept. 1873

FritzschMW 1874, S. 554

Le Guide musical 17./24. Mai 1877, S. [152]

Journal des Débats 6. Febr. 1874

Le Ménestrel 1874, S. 150

MusW 1872, S. 544; 1874, S. 380, 527

Neues Fremden-Blatt [Wien] 1872, 27. März.; 1874, 3. Febr.; 1881, 29, 31. Juli

Die Presse [Wien] 18. Sept. 1872

Le Rappel 1874, 12., 17. Febr., 13. März, 13. Apr.

Signale 1874, S. 312, 647; 1877, S. 1098; 1878, S. 226

Wiener Zeitung 27. März 1872

 

FH

 

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