Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Kirchner, Hildegard, verh. Staegemann

* ca. 1845, Ort unbekannt, † 16. Juni 1913 in Dresden, Violinistin und Sängerin. Ein erster Auftritt ist 1858 in Berlin belegt: „Eine Violinspielerin, Fräulein Kirchner, Schülerin des Herrn Laub, trug die Elegie von Ernst vor; trotz ihres noch sehr jugendlichen Alters war dennoch ein entschiedenes Talent und Begabung für Vortrag nicht zu verkennen, bei fortgesetztem fleissigen Studium dürften sich in der Folge noch sehr günstige Resultate für die angehende Kunstjüngerin herausstellen“ (Bock 1858, S. 387). Dass der Unterricht bei Ferdinand Laub (1832–1875) am Stern’schen Konservatorium, wo der böhmische Geiger von 1855 bis 1857 unterrichtete, stattgefunden hätte, lässt sich an den vorliegenden Schülerlisten nicht belegen; möglicherweise handelte es sich um ein privates Ausbildungsverhältnis. Mehrere Auftritte in Konzerten anderer Veranstalter bereiteten ein eigenes Konzert am 15. Apr. 1860 in Berlin vor, eine Matinee, „in welcher sie sich als talentvoll und gut geschult erwies“ (NZfM 1860 I, S. 162). Ein Jahr später gab sie ebenda im Moser’schen Saal wiederum ein eigenes Konzert. Sie „trug das sechste Violin-Concert von Bériot und die noch ausschliesslicher dem Virtuosen-Genre angehörige Tarantella von Vieuxtemps mit sicherer Intonation und leichter Beherrschung der technischen Schwierigkeiten, in Betracht ihrer zarten Jugend selbst mit Bravour vor. Wo die rapide Bewegung nicht an und für sich die Stärke des Tones beeinträchtigt, wo Fräulein Kirchner zu dessen Entwicklung über die ganze Länge des Bogens verfügen kann, da verbindet sich volle Kraft mit rundem Wohllaut, während das Piano elegisch anklingt. In ihrer zweiten Nummer, einer Romanze von Ries und dem […] Kinderliede von David, bewährte sich die Concertgeberin nach der letzten Richtung hin, und es lohnte stürmischer Beifall und Hervorruf ihre Leistungen“ (Niederrheinische Musik-Zeitung 1861, S. 128). 1861 ließ sich die Geigerin in Görlitz, Glogau und Prag, 1862 in Königsberg und Elbing hören, wobei das Repertoire erweitert wurde durch das 7. Violinkonzert von Bériot und kleinere Kompositionen von Weber, Vieuxtemps und Alard. In Iserlohn ließ sie  sich 1864 hören, die Notitz ist verbunden mit der Information, die Geigerin wolle sich in Prag auch zur Sängerin ausbilden. Ein weiterer Auftritt als Violinistin ist in Königsberg 1881 nachweisbar, nun unter dem Namen Hildegard Staegemann. Sie spielte am 13. Mai mit drei namentlich nicht genannten Streichern des Opernorchesters das Quartett op. 18 Nr. 4 c-Moll von Beethoven und anschließend mit Babette Lobach das Konzert d-Moll für zwei Violinen BWV 1043 von Joh. Seb. Bach.

Hildegard Kirchners Ehemann war der Sänger, Schauspieler und Theaterdirektor Max Staegemann (1843–1905). Anscheinend hat sie ihn auf seinen beruflichen Stationen in Hannover (bis 1876), Königsberg (bis 1880), Berlin (bis 1882) und Leipzig, wo Staegemann bis zu seinem Tod 1905 als Generalintendant der Städtischen Bühnen tätig war, begleitet. Ihre eigene künstlerische Tätigkeit musste offenbar zurücktreten hinter Familienpflichten: Hildegard Staegemann brachte sechs Kinder zu Welt, von den sich drei später in der Musikwelt einen Namen machten: die Sopranistin Helene Staegemann (1877–1923), der Schauspieler und Bariton Waldemar Staegemann (1879–1958) und die Koloratursopranistin Erna Staegemann (Lebensdaten unbekannt).

 

LITERATUR

Blätter für Theater, Musik und Kunst 1860, S. 140; 1861, S. 381

Bock 1858, S. 387, 404; 1861, S. 204; 1864, S. 285

Deutsche Musik-Zeitung 1860, S. 160; 1862, S. 64

Niederrheinische Musik-Zeitung 1861, S. 128

NZfM 1858 II, S. 229; 1859 I, S. 93; 1860 I, S. 163; 1862 I, S. 7; 1862 II, S. 105

Preußische Provinzialblätter 1866, S. 269

Signale 1862, S. 216; 1864, S. 220; 1880, S. 710f.; 1881, S. 163

Süddeutsche Musik-Zeitung 1860, S. 76; 1864, S. 148

Riemann 8 (Art. Stägemann, Max), Kutsch/Riemens (Art. Staegemann, Max)

Oscar Thomsen u. Nicolas Slonimsky, The International Cyclopedia of Music and Musicians, New York 1958 (Art. „Staegemann, Max”)

Julius Bab u. Ludwig Devrient, Die Devrients. Die Geschichte einer deutschen Theaterfamilie, Berlin 1932.

 

Freia Hoffmann

 

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