Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Rodemann-Nielsen, Marie, Maria (Katharina Anna) geb. Nielsen

* 27. Juni 1870 in Itzehoe, † 18. Apr. 1961, Berlin, Violoncellistin. Sie war die Tochter von Karoline Sophie Friederike Nielsen geb. Rodemann und Hermann Gustav Thomas Adolph Nielsen (1826–1897) und hatte zwei Brüder: Friedrich Ludwig Adolph Andreas (1859–1946) und Julius Johann Marius Nielsen (1862–1933). Ihr Vater war ein schleswig-holsteinischer Künstler, der als Komponist und Orchestermusiker wirkte und zudem als Maler und Kupferstecher bekannt war. Er übernahm den musikalischen Anfangsunterricht seiner Tochter, unterrichtete sie zunächst auf der Bratsche und später auf dem Violoncello. Von 1887 bis Ostern 1899 und Okt. 1899 bis 1891 besuchte Marie Nielsen die Klasse von Robert Hausmann (1852–1909) an der Kgl. Hochschule für Musik in Berlin.

Nach dem Ende ihres Studiums konzertierte die Violoncellistin weiterhin „in Berlin und in verschiedenen Städten ihres Heimatlandes“ (Illustriertes Konversationslexikon, S. 180). 1892 trat sie am Hof vor Prinzessin Louise von Holstein auf. Am 24. Aug. dieses Jahres heiratete sie ihren Cousin Conrad Julius Carl Rodemann (1866–?), einen Kaufmann, der auch als Novellist und Dramatiker in Erscheinung trat. Mit ihm zog sie nach Hamburg und 1893 nach Berlin, wo Carl Rodemann eine Vertretung für Süßwaren übernommen hatte; später führte er hier ein Kommissionsgeschäft. Ebenfalls für das Jahr 1893 plante Marie Rodemann eine größere Konzertreise – Belege für die Realisierung liegen jedoch nicht vor. In den folgenden Jahren zog sich die Violoncellistin aus dem öffentlichen Konzertleben zurück. Am 29. Okt. 1893 wurde Margret (Helene Hermine), später verh. Breuer († 1979), das erste Kind des Ehepaares, geboren. Knapp zwei Jahre später, am 30. Juli 1895, kam der Sohn Erich zur Welt. Gegen Ende der 1890er Jahre lassen sich weitere Auftritte Marie Rodemann-Nielsens belegen.

 

 

Zu dieser Zeit wirkte sie als Gründungsmitglied im „Berliner Damen-Streichquartett“ mit, dem neben ihr Anna von Pilgrim (1. Violine), Nelly Straus-Irmen (2. Violine) und Frieda Kunze (Viola) angehörten. Für den Herbst des Jahres 1899 wurde das erste Konzert des Ensembles in Berlin angekündigt, mit dem Hinweis, dass das „Berliner Damen-Streichquartett […] vorzugsweise neue Compositionen zum Vortrag zu bringen gedenkt“ (NZfM 1899, S. 210). Ebenso wie Anna von Pilgrim und Nelly Straus-Irmen stand Marie Rodeman-Nielsen auf der Liste der MusikerInnen des Streichorchesters Berliner Tonkünstlerinnen bei dessen erstem Konzert am 3. Apr. 1900 in der Berliner Singakademie unter der Leitung von Willy Benda. Zur Aufführung gelangten Joh. Seb. Bachs 3. Brandenburgisches Konzert G-Dur BWV 1048, Felix Weingartners Serenade F-Dur op. 6 und Robert Schumanns Adagio op. 59 Nr. 6 in der Bearbeitung für Streichorchester von Franz Blos.

Die öffentliche Konzerttätigkeit Marie Rodeman-Nielsens war hiermit offenbar beendet. Nach 1900 lassen sich keine weiteren öffentlichen Auftritte der Musikerin nachweisen. Sie hatte sich ins Private zurückgezogen und blieb hier noch über drei Jahrzehnte kammermusikalisch aktiv, u. a. mit dem bekannten Musikschriftsteller Wilhelm Altmann und den weiteren Quartettpartnern Conrad Kölle und Julius Theodor Grawert. Auch der Violinist Kurt Friedrich zählte zu den Musikpartnern dieser Zeit.

Bis zu ihrem Tod lebte die Musikerin mit ihrer Tochter Margret, der Enkelin Helga Breuer (1923–?) sowie der Hausangestellten Elfriede Dierich (1889–1979) in Berlin-Schöneberg.

 

LITERATUR

Stammblätter, Bilder und Briefe (darunter Korrespondenzen von Marie Rodemann mit den späteren Kammermusikpartnern) aus dem Nachlass der Familien Rodemann-Breuer; Schenkung von Hartmut Fleischer an das Sophie Drinker Institut Bremen

Todesanzeige Marie Rodemann, Sophie Drinker Institut Bremen

Lebenslauf Carl Rodemann, o. D., Sophie Drinker Institut Bremen

Biographische Daten Helga Breuer, o. D., Sophie Drinker Institut Bremen

NZfM 1899, S. 210

Frank/Altmann

Anna Morsch, Deutschlands Tonkünstlerinnen. Biographische Skizzen aus der Gegenwart, Berlin 1893.

Martin Maack, Die Novelle. Ein kritisches Lexikon über die bekanntesten deutschen Dichter der Gegenwart mit besonderer Berücksichtigung der Novellisten. Mit zahlreichen Porträts (= Bibliothek kleiner Novellen und Erzählungen von Dichtern u. Schriftstellern der Gegenwart), Lübeck 1896.

Illustriertes Konversationslexikon der Frau, 2 Bde., Bd. 2, Berlin 1900, Art. „Musikerinnen“.

Wilhelm Altmann, Handbuch für Streichquartettspieler. Ein Führer durch die Literatur des Streichquartetts, 4 Bde., Berlin 1928–1931.

August Ludwig Degener (Hrsg.), Degeners Wer ist’s? Eine Sammlung von rund 18 000 Biographien mit Angaben über Herkunft, Familie, Lebenslauf, Veröffentlichungen und Werke, Lieblingsbeschäftigung, Mitgliedschaft bei Gesellschaften, Anschrift und andere Mitteilungen von allgemeinem Interesse. Auflösung von ca. 5000 Pseudonymen, 10. Auflage, Berlin 1935.

Inka Prante, Die Schülerinnen Joseph Joachims, Wissenschaftliche Hausarbeit zur Ersten Staatsprüfung, unveröffentlicht, Universität der Künste Berlin 1999.

Silke Wenzel, „Marie Rodemann-Nielsen“, in: MUGI. Musik und Gender im Internet, http://mugi.hfmt-hamburg.de/A_lexartikel/lexartikel.php?id=rode1870, Zugriff am 5. Juli 2013.

SchülerInnen, Ersteinschreibungen und AbsolventInnen, Königliche Hochschule für Musik Berlin, https://www.sophie-drinker-institut.de/files/Sammel-Ordner/Listen%20der%­20SchülerInnen/Berlin%20Hochschule.pdf, Zugriff am 9. Aug. 2022.

 

Bildnachweis

Photographie von Barbara Fleischer, Berlin, 1950er Jahre, Besitz des Sophie Drinker Instituts (aus der Schenkung von Hartmut Fleischer)

 

Annkatrin Babbe

 

© 2013/2022 Freia Hoffmann