Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

LegrandLe grand, Helene, verh. Ziegler, Ziegler-Legrand

 

Lebensdaten unbekannt, deutsche Pianistin und Klavierlehrerin. Ihr Vater Peter Legrand (1778–1840) wirkte als Violoncellist in der Münchner Hofkapelle, ihr Onkel Wilhelm Legrand (1769–1845) war in derselben Kapelle Oboist, später Militär-Musikdirektor in München und Bearbeiter zahlreicher Kompositionen für Harmoniemusik. Im Januar 1831 trat Helene Legrand mit Werken von Hummel in einem Abonnement-Konzert in München auf. 1833 werden Konzerte in Wien angekündigt, wobei bemerkt wird, dass sie sich in München „den Ruf einer sehr geschickten Clavierspielerinn" erworben habe (Castelli 1833, S. 180). Ein Auftritt „in einer Stadt, wo es fast eben so viele gute Clavierspielerinnen als gebildete Frauenzimmer gibt (ebd. S. 195), erscheint dem Rezensenten zwar gewagt, doch fällt das Urteil durchaus positiv aus: „Anschlag, klarer Vortrag und Überwindung von Schwierigkeiten aller Art geben Zeugniß von der bedeutenden Stufe, welche sie einnimmtallerdings eingeschränkt durch die Bemerkung, zu wünschen sei „die bessere Vertheilung von Schatten und Licht, welche sie sich in der Folge gewiß auch noch eigen machen wird (ebd.). Die „Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode“ lobt: „ungemeine Geläufigkeit beyder Hände, ein so kräftiger als zarter Anschlag und Eleganz in der Ausarbeitung einzelner Passagen [...,] Innigkeit des Vortrages, verbunden mit einer erfreulichen Leichtigkeit in den rapidesten Bravourstücken, weist aber auch auf „Tactsündenund „mitunter [...] etwas affectirte Körperbewegungenhin. „Sie spielte eines der […] sehr empfehlenswerthen Instrumente aus dem Atelier unsers rühmlich bekannten Streicher“ (Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 1833, S. 1195).

Von 1835 bis 1845 trat die Musikerin wiederholt in München auf, wobei sie laut „Iris im Gebiete der Tonkunst“ ihre „längst bekannte Kunstfertigkeit auf das Glänzendste bewährte (Iris 1837, S. 48). Im Jahr 1839 verzeichnet Mendel eine Konzertreise nach Augsburg, Stuttgart und Karlsruhe. Am 4. Dez. 1841 spielte sie in Wien bei der Gesellschaft der Musikfreunde und provozierte bei Alfred Julius Becher, bekannt für seine „bisweilen schonungslos scharfen Angriffe gegen Dilettantismus und mangelndes künstlerisches Niveau (MGG 2000), eine ausführliche Abrechnung mit „Halbtalenten, die es bei aller Anstrengung und gutem Willen nicht weit über die Mittelmäßigkeit gebracht haben (AWM 1841, S. 615). Auf dem Programm standen vier Konzertetüden von Anton Halm (die ebenfalls den Tadel des Kritikers auf sich zogen), Liszts Fantasie über Marsch und Cavatine aus Lucia di Lammermoor von Donizetti und Thalbergs Fantasie über Themen aus Mosè in Egitto von Rossini. Der Rezensent der Tageszeitung „Der Humorist“ notierte jedoch von diesem Konzert ganz andere Eindrücke: „Lebendiger Vortrag, voller, nur bisweilen etwas gar zu gewichtig fallender Anschlag, eine sehr flüssige Passagen-Behandlung, nebst klarer und gebildeter Auffassung des Vorzutragenden, erwarben der Concertantin vielfache Anerkennung“ (Der Humorist 1841, S. 994).Weitere Stationen der Reise waren Pest und Buda, wo im Dez. 1841 zwei Konzerte stattfanden, und zwar mit einem durch Chopin erweiterten Programm. „Sie erntete vielen Beifall, und mit vollem Rechte; derselbe wäre aber gewiß noch größer gewesen, wenn Dlle. Legrand eine andere Wahl in ihren Productionsstücken getroffen hättedie „mit Schwierigkeiten so überhäuft [seien], dass nur der, welcher dieselben spielend überwindet, und sein ganzes Augenmerk auf den Vortrag richten kann, eines glänzenden Erfolges gewiß seyn darf. Zu einem genügenden und interessanten Vortrage derselben gehört aber vor allem eine außerordentliche physische Kraft, und diese besitzt Dlle. Legrand nicht. […] Technik allein kann keinen glänzenden Erfolg herbeiführen (AWM 1842, S. 117). Die Auftritte in Pest wurden ergänzt durch die Teilnahme an einem Benefizkonzert. 1843 wurde für den 4. Mai in Augsburg ein Konzert angekündigt, ein weiteres fand am 18. Okt. 1845 im Odeons-Saal in München statt.

Den erhaltenen Quellen zufolge ist die Musikerin anschließend fast 18 Jahre lang nicht mehr aufgetreten – über die Ursachen ist nichts bekannt. Erst ab März 1863 werden in der Presse wieder Konzerte in mehreren Städten Süddeutschlands angekündigt. Am 5. Jan. 1865 heiratete Helene Legrand den Violinisten Ludwig Ziegler, mit dem sie in der Folge überwiegend gemeinsam konzertierte, so in Genf in der Wintersaison 1867/68, bei Privatkonzerten in ihrer Wohnung Türkenstr. 48 und bei öffentlichen Auftritten in München 1868/69 und in Meran, wo sich das Ehepaar „aus Gesundheitsrücksichten“ (Meraner Zeitung, 1. Nov. 1871) in den Jahren 1870/71 aufhielt.

Zu Legrands Repertoire gehörten neben den genannten Kompositionen Klavierkonzerte von Mendelssohn und Kalkbrenner. Mendel, dessen Artikel „Legrand“ 1876 noch keinen Todeszeitpunkt referiert, schreibt, sie sei „als Pianistin und Musiklehrerin in der bairischen Hauptstadt sehr beliebt gewesen.

 

LITERATUR

Der Adler 10. Jan. 1842

AmZ 1834, Sp. 160; 1870, S. 86

Augsburger Tagblatt 2. Mai 1843

AWM 1841, S. 604, 615; 1842, S. 20, 117f.

Der Baiersche Eilbote 1841, 17. Febr.; 1842, 2. März; 1845, 15. Okt.

Der Bayerische Landbote 1839, 29. Mai; 1863, 22. Aug.,18. Dez.; 1869, 5. Febr.

Bayerischer Kurier 5. Febr. 1869

Berliner Musikzeitung 1869, S. 415

Bozner Zeitung 27. März 1871

Castelli 1831, S. 8; 1833, S. 180, 195

Der Grenzbote 1870, S. 294

Der Humorist 1841, S. 879, 994

Fränkische Zeitung 21. März 1865

Iris 1837, S. 48

Journal de Genève 11. März 1868

Meraner Zeitung 1870, 26. Okt., 31. Dez.; 1871, 7., 11. Jan, 1., 4., 18., 25. März, 1., 11., 15., 22. Nov.

Merkur. Allgemeines Ankündigungsblatt 18. Nov. 1868, S. 359

Münchener Amtsblatt 11. Jan. 1865, S. 55

Münchener Bote für Stadt und Land 4. Dez. 1869

Münchener Conversations-Blatt 1833, S. 1324

Münchener politische Zeitung 31. Juli 1843

Münchner Tagblatt 1836, 19. Okt.; 1839, 3. Jan.

Münchener Tages-Anzeiger 1863, 7. März; 1864, 14. Febr.

Neuer Bayerischer Kurier 6. Jan. 1865

NZfM 1835 II, S. 19; 1836 II, S. 154

Nürnberger Abendzeitung 18. März 1865

Pesther Tageblatt 25. Dez. 1841

Der Sammler (Augsburger Abendzeitung) 22. Mai 1869

Walhalla, Kunst-, Literatur- und Unterhaltungs-Blatt 10. Dez. 1869

Der Wanderer 1841, S. 1160, S. 1168

Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 1833, S. 1194f.

Würzburger Anzeiger 29. März 1865

Schilling Suppl., Schla/Bern, Mendel

Eduard Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien, 2 Bde., Bd. 1, Wien 1869, Repr. Hildesheim [u.a.] 1979.

 

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