Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

La Hye, Le Hye, Louise-Geneviève, geb. Rousseau, Pseud. Monsieur Léon Saint-Amans Fils

* 8. März 1810 in Charenton-le-Pont/Seine, † 17. Nov. 1838 in Paris, Pianistin, Organistin und Komponistin. Die Großnichte von Jean-Jaques Rousseau wurde mit elf Jahren in das Pariser Konservatorium aufgenommen und studierte dort Orgel, Klavier und Gesang. 1826 und 1827 wurde sie mit dem 2. und 1. Preis im Fach Orgel ausgezeichnet. Auf Cherubinis Empfehlung hin erhielt sie am Konservatorium 1831 eine Anstellung als Professorin für Harmonielehre und übernahm dort den Unterricht für Studentinnen. Im selben Jahr führte sie in einem Konzert des Konservatoriums ihre Fantasie für Orgel und Orchester auf. Nach ihrer Verheiratung siedelte sie nach Cambrai über, kehrte aber nach drei Jahren nach Paris zurück, wo sie ihre Lehrtätigkeit wieder aufnahm. Am 25. Dez. 1834 war sie, gemeinsam mit Chopin, Liszt, dem Geiger Ernst und der Sängerin Heinefetter, Mitwirkende in einer Matinée von Franz Stoepel. Sie improvisierte in diesem Konzert auf der Orgue expressif, einem 1810 von Gabriel-Joseph Grenié erfundenen Harmonium. Am 11. Apr. 1835 veranstaltete sie im Hôtel de Ville ein Konzert mit eigenen Werken, darunter ein Rondo zu vier Händen und Variationen für Klavier über Motive aus Herolds Pré aux clercs. Auch in diesem Konzert war eine Improvisation auf der Orgue expressif „justement applaudie“ (La Romance 1835, S. 61).

Die „Allgemeine musikalische Zeitung“ schrieb in ihrem Nachruf: „Ihrer übergrossen Bescheidenheit und Schüchternheit wegen ist sie nicht so bekannt geworden, als sie es verdiente, doch war ihr stilles Wirken für die Kunst höchst segensreich, und es gebührt ihr daher eine ehrende Erwähnung in den Annalen der Musik“ (AmZ 1839, Sp. 218).

 

WERKE FÜR ORGEL UND KLAVIER (unter Pseudonym)

Fantasie für Orgel und Orchester 1831, Variationen für Klavier und Streichquartett, Variationen über eine Arie aus La Muette de Portici von Daniel-François-Esprit Auber

Zwanzig Kompositionen für Klavier und Orgel

Etüden für Klavier

Rondo für Klavier zu vier Händen

Variationen für Klavier über Motive aus Herolds „Pré aux clercs“

 

LEHRWERKE

Méthode d’orgue expressif

Lehrbuch für Harmonielehre und Kontrapunkt

 

LITERATUR

AmZ 1839, Sp. 218

La Romance. Journal de Musique 1835, S. 61f.

Mendel Suppl., Brown Bio, Altmann, Cohen

Illustriertes Konversations-Lexikon der Frau, Bd. 2, Berlin 1900 (Art. Musikerinnen)

Constant Pierre, Le conservatoire nationa l de musique et de déclamation. Documents historiques et administratifs, Paris 1900.

Frederick Niecks, Frederick Chopin as a man and musician, 2 Bde.,  Bd. 1, Edinburgh 31902.

Arthur Elson, Woman’s work in music, Boston 1904.

Adel Heinrich, Organ and Harpsichord music by women composers (= Music Reference Collection 30), New York [u. a.] 1991.

Freia Hoffmann u. Christine Fornoff, „‚No Lady need apply‘ oder ‚Im Rock kann man sich der Pedale nicht bedienen‘. Organistinnen auf dem Weg der Professionalisierung", in: Freiburger Zeitschrift für GeschlechterStudien 2012, S. 2337.

 

FH

 

© 2010 Freia Hoffmann