Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

RavissaRavizza, Genovieffa (Maria Bernadina Francesca), geb. Vignola

* um 1745/1750 in Turin, † 20. Febr. 1807 in Lausanne; Cembalistin, Pianistin, Sängerin und Komponistin. Genovieffa Vignola war die Tochter von Gioanni Vignola, von Beruf „Pittore in miniature“ (Miniaturmaler; Saur, S. 261) und von Gioanna Battista Colombatta.

Genovieffa Vignolas musikalische Ausbildung wurde wahrscheinlich durch das höfische Umfeld, in dem sich der Vater bewegte, ermöglicht und geprägt. Sie erlernte Clavierspiel und Gesang. Ihre sechs Cembalosonaten op. 1 datieren vermutlich aus dieser Zeit.

Am 14. Aug. 1764 fand die Hochzeit mit dem Turiner Goldschmied Cristofaro Domenico Biaggio Ravissa (1744–?) statt. In den Jahren 1768, 1770, 1774 und 1776 wurden in Turin die Kinder Maria Francesca Margarita, Francesco Bernardino Maria, Carlo Vittorio Maria und Maria Margarita Clotilda geboren, 1788 kam unehelich in Neuenburg die Tochter Frédérique-Elise (Tochter von Frédéric Scheel) zur Welt.

Nach der Hochzeit verschlechterte sich die finanzielle Situation der Familie zusehends. 1777 stand Cristofaro Ravissa vor dem finanziellen Bankrott: Vom 12. Apr. 1777 datieren die „Vendita mobili di Cristoffaro Ravizza“ genannten Dokumente (Archivio di Stato di Torino, Insinuazione Torino 1777), die über den Prozess und die Versteigerung aller persönlichen Eigentümer und des Geschäftes berichten. Die Familie verließ daraufhin ihre Heimatstadt. Genovieffa Ravissa reiste, vermutlich mit Mann und Kindern, nach Paris. Hier trat sie musikalisch auf mehrfache Art in Erscheinung: als Cembalistin, Sängerin, Komponistin und Lehrerin. Sie veröffentlichte ihre sechs Cembalosonaten (aus späterer Zeit stammen drei im Manuskript überlieferte Sonaten für Hammerclavier und Violine, BNF Paris, MS. D. 11743) und sang am 25. März 1778 im Concert spirituel zwei italienische Arien. Auch aus ihrer Zeit nach Beendigung des Pariser Aufenthalts sind aus dem Jahr 1780 Konzerte in Lausanne und Turin bekannt. Über das Lausanner Konzert am 23. Febr. 1780 berichtet Jean Henri Polier knapp in seinem Tagebuch: „Concert de La Ravissa à la Redoute 2 [livres]“ (Pollier de Vernand, NP). Beim Abschluss des Konzertvertrages für das Turiner Konzert am 9. Juni desselben Jahres trat sie als juristisch eigenständige Person auf.

In dieser Zeit trennte sich die Musikerin von ihrem Mann und den gemeinsamen Kindern und begann einen neuen Lebensabschnitt in der Französischen Schweiz. 1780 bekam sie in Neuenburg die Tolérance d’Habitation. Sie wirkte hier während mehr als zehn Jahren als Clavier- und Gesangslehrerin und war 1781/1782 Cembalistin des Orchesters der Société de la Salle de Musique. In diese Neuenburger Zeit fallen mindestens ein, wenn nicht mehrere weitere Aufenthalte Genovieffa Ravissas in Paris, bei denen sie ebenfalls musikalisch aktiv war und vermutlich unterrichtete.

Im Jahr 1792 verließ Genovieffa Ravissa mit ihrer jüngsten Tochter Frédérique-Elise Neuenburg und zog nach Lausanne. Sie konzertierte in den Salons der Adeligen und reichen Bürger und erteilte in deren Häusern Unterricht. Sie starb am 20. Febr. 1807 in Lausanne.

 

WERKE FÜR KLAVIER / CEMBALO

Six Sonates pour le Clavecin œuvre I, Paris 1778 (Neuausgabe Kassel 2004)

Trois Sonates pour le Forte-Piano avec Accompagnement du Violon ad libitum, Paris, Bibliothèque Nationale, Manuskript Signatur D 11743 (Neuausgabe 2005 von Claudia Schweitzer, Libera Musicale Italiana, Corona di delizie musicali 7)

 

LITERATUR

Gazette de France 1778, S. 42

Journal de Paris 1778, S. 103, 322f., 335, 343

Mercure de France 1778, Febr., S. 182f., Apr., S. 163

AlmMus 1778, 1779, 1783

Tablettes

Archivio storico di Torino, Carte Sciolte N° 5502

Journal de Jean Henri Pollier de Vernand, P René Monod 95, Archives cantonales vaudoises

GroveW

Saur, Allgemeines Künstlerlexikon, Bio-bibliographischer Index A–Z, München u. Leipzig 2000, Bd. 10.

Claudia Schweitzer u. Elke Schröder, Genovieffa Ravissa – Ein Musikerinnenleben im 18. Jahrhundert, Wien 2005.

 

Claudia Schweitzer

 

© 2008 Freia Hoffmann