Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Jacquin, Franziska von, verh. von Lagusius

* 10. Okt. 1769 in Wien, † 12. Aug. 1850 in Wien, Pianistin. Der Vater Nikolaus Joseph Freiherr von Jacquin (1727–1817) war Professor für Botanik und Chemie an der Wiener Universität und führender Botaniker am Wiener Hof, außerdem Arzt und Gelehrter. Mit Catharina geb. Schreiber (?–1791) hatte er drei Kinder: Joseph Franz (1766–1839), (Emilian) Gottfried (1767 oder 1763–1792) und Franziska.

An das Haus des Botanikers Jacquin und seine drei Kinder erinnert sich 1844 Caroline Pichler: Es war „schon vor 60–70 Jahren ein hellleuchtendes Augenmerk für die wissenschaftliche Welt in und außer Wien und auch […] [seiner] angenehmen geselligen Verhältnisse wegen von Vielen gesucht. Wenn die Gelehrten oder gelehrt sein wollenden den berühmten Vater und den ihm nachstrebenden Sohn, den erst vor wenig Jahren verstorbenen Freih. Joseph v. Jacquin, aufsuchten, so sammelte sich die jüngere Welt um den jüngern Sohn Gottfried, den ein lebhaft gebildeter Geist, ein ausgezeichnetes Talent für Musik mit einer angenehmen Stimme verbunden, zum Mittelpunkt des heitern Kreises machte, und um seine Schwester Franziska, die noch jetzt lebende Frau v. Lagusius. Franziska spielte vortrefflich Klavier, sie war eine der besten Schülerinnen Mozarts, der für sie das Trio mit der Clarinette geschrieben hat [= Kegelstatt-Trio, s. u.], und sang noch überdies sehr hübsch. Da wurden nun an den Mittwoch-Abenden, die seit ich denken kann in diesem Hause der Geselligkeit gewidmet waren, auch selbst im Winter, wann die Familie Jacquin im botanischen Garten wohnte, in den Zimmern des Vaters gelehrte Gespräche geführt, und wir jungen Leute plauderten, scherzten, machten Musik, spielten kleine Spiele und unterhielten uns vortrefflich“ (Pichler Bd. 1, S. 158).

Franziska von Jacquin erhielt wahrscheinlich bis zu dessen Tod von Mozart Klavierunterricht: „Von seinen Schülerinnen sind ihm bis zuletzt treu geblieben Frau Therese v. Trattnern und Fräulein Franziska v. Jacquin“ (Schurig, S. 38). In der Korrespondenz Mozarts mit ihrem Bruder Gottfried sind Hinweise auf die Hochachtung vor ihren Fähigkeiten und auf ihren offenbar herausragenden Fleiß überliefert: „ihrer frl. Schwester […] küsse ich 100000mal die hände, mit der bitte, auf ihrem Neuen Piano-forte recht fleissig zu seyn – doch diese Ermahnung ist unnütz, denn ich mus bekennen daß ich noch nie eine Schüllerin gehabt, welche so fleissig, und so viel Eifer gezeigt hätte, wie eben sie – und in der that, ich freue mich recht sehr wieder darauf ihr nach Meiner geringen fähigkeit weitern untericht zu geben. – apropos, wenn sie Morgen kommen will – ich bin um 11 uhr gewis zu hause“ (Mozart an Gottfried von Jacquin, Brief vom 15. Jan. 1787).

Mozart komponierte für seine Schülerin die Sonate für Klavier zu vier Händen C-Dur KV 521: „Die Sonate haben sie die Güte ihrer frl: Schwester nebst meiner Empfehlung zu geben; – sie möchte sich aber gleich darüber machen, denn sie seye etwas schwer“ (Mozart an Gottfried von Jacquin, Brief Ende Mai 1787). Auch das Kegelstatt-Trio Es-Dur KV 498 komponierte Mozart 1786 für den geselligen Jacquin-Kreis. Die ungewöhnliche Besetzung (Klavier, Klarinette, Viola) legt die Vermutung nahe, dass die Instrumentalstimmen bestimmten Personen zugedacht waren, wobei Franziska von Jacquin der Klavierpart zukam. „Uebrigens ist die Bratsche mit sichtbarer Vorliebe behandelt, sowohl begleitend als melodieführend, selbst durch eine gewisse Bravur macht sie sich überall vorteilhaft geltend; wenn man sich erinnert, daß Mozart selbst gern die Bratsche übernahm, so darf man, da Franziska von Jacquin eine tüchtige Klavierspielerin war, wohl annehmen daß er für die Ausführung in diesem ihm so lieben Familienkreise sich selbst auch mit einer guten Partie bedacht habe“ (Jahn, Bd. 4, S. 44).

Einige Zeitgenossen erwähnen neben den pianistischen Fähigkeiten auch die gute Stimme Franziska von Jacquins. Ihr Bruder Gottfried widmete ihr das Lied „Ich saß im dunkelen Buchenhain“ aus der Sammlung Lieder in Musik gesetzt von Emil Gottfr. v. Jacquin (vgl. Köchel 1965, S. 602).

Am 14. Apr. 1792 heiratete Franziska von Jacquin den Hofsekretär Leopold von Lagusius (1767–1828). Zwei Kinder wurden in den nächsten Jahren geboren: Nikolaus (1793–1868) und Isabella (1806–1865). Über die musikalische Tätigkeit Franziska von Lagusius’ liegen nach der Eheschließung keine Informationen vor. Am 20. Aug. 1850 notierte die „Wiener Zeitung“, dass „die wohlgeborne Frau Franziska von Lagusius, geborne Freiin von Jaquin [sic], k. k. Hof-Secretärs-Witwe, alt 80 J., auf der Laimgrube Nr. 16, an Altersschwächegestorben sei (Wiener Zeitung 1850, S. 2503).

 

LITERATUR

Wiener Zeitung vom 20. Aug. 1850, S. 2503

Carola Belmonte, Die Frauen im Leben Mozarts, Augsburg u. Berlin 1905.

Mozart, Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe, hrsg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg, 7 Bde., Kassel [u. a.] 1962–1975.

Caroline Pichler, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben, mit einer Einleitung u. zahlr. Anm. nach d. Erstdruck u. d. Urschrift neu hrsg. von Emil Karl Blümml, 2 Bde., München 1914.

Otto Jahn, W. A. Mozart, 4 Bde., Leipzig 1856-1859, Reprint Hildesheim [u. a.] 1976.

Arthur Schurig (Hrsg.), Konstanze Mozart: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782–1842, Dresden 1922.

Ludwig Ritter von Köchel: Chronologisch-thematisches Verzeichnis sämtlicher Tonwerke Wolfgang Amadé Mozarts. Siebente unveränderte Auflage bearbeitet von Franz Giegling, Alexander Weinmann und Gerd Sievers, Wiesbaden 1965.

Volkmar Braunbehrens, Mozart in Wien, München 41989.

Karl Marguerre, Mozarts Kammermusik mit Klavier. Werkbetrachtungen und Hinweise zur Interpretation, Wilhelmshaven 1999.

Freia Hoffmann, „Musikerinnen um Mozart. Ein neuer Blick auf ein altes Thema“, in: Musik und Leben. Freundesgabe für Sabine Giesbrecht zur Emeritierung, hrsg. von Hartmuth Kinzler (= Schriftenreihe des Fachbereichs Erziehungs- und Kulturwissenschaften 18), Osnabrück 2003, S. 180–194.

Rainer J. Schwob, „Mozart und die Familie Jacquin“, in: Online-Zeitung der Universität Wien (19. Jan. 2006),http://www.dieuniversitaet-online.at/beitraege/news/mozart-und-die-familie-jacquin/65/neste/26.html, Zugriff am 5. Okt. 2009.

Edward Klorman, Mozart’s Music of Friends. Social Interplay in the Chamber Works, Cambridge 2016.

Martin Buchner, „Gesellige Abende bei guten Freunden – Die Familie Jaquin“, in: Wien in Mozart. Soziale Räume von Musik in Mozarts Wien, 2018, http://www.wienmozart.de/gesellschaft/gesellige-abende-bei-guten-freunden-die-familie-jacquin, Zugriff am 31. Mai 2023.

 

Melanie Unseld/AB

 

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