Jahresbericht 2013 

Auch in diesem Dezember beginnen wir, zum Trost für die langen Nächte und die lichtarmen Tage, mit einem Foto aus besseren Zeiten, aufgenommen am 6. Mai 2013: Im Institutsgarten wachsen und gedeihen die Camelien in üppiger Pracht, ohne dass wir viel dafür tun – die Erde ist vor und hinter dem Haus so fruchtbar, dass wir eher Mühe haben, alles, was da nicht wachsen soll, einigermaßen in Schach zu halten.

 

 

 

Kooperationen 

Wie immer haben wir uns zunächst zu bedanken beim Bibliotheks- und Informationssystem (BIS) der Universität Oldenburg. Unsere Bibliothek ist Sonderstandort des BIS, stellt für dortige Handapparate Bücher zur Verfügung und wird von Studierenden des Instituts für Musik und der Gender Studies intensiv genutzt. Die Katalogisierung unserer Bücher, Noten und Tonträger wird in gewohnter Zuverlässigkeit vom BIS besorgt, für diesbezügliche Unterstützung bedanken wir uns wieder sehr herzlich bei Karl-Ernst Went.

Die Kooperation mit dem Institut für Musik stabilisiert sich auf verschiedenen Ebenen, sei es durch Lehrveranstaltungen, Beratung von Studierenden, Teilnahme an Prüfungen und wissenschaftlichen sowie künstlerischen Veranstaltungen oder durch den umfangreichen Beitrag des Sophie Drinker Instituts zur Evaluation der Musikwissenschaften in den ersten Monaten des Jahres. Für die produktive Zusammenarbeit bedanken wir uns vor allem bei Violeta Dinescu und Melanie Unseld.

MitarbeiterInnen des Sophie Drinker Instituts haben auch im vergangenen Jahr wieder Lehraufträge an der Universität Oldenburg wahrgenommen:

  • Kadja Grönke: Liszt und die Folgen. Klavierspiel und Virtuosität im 19. Jahrhundert (BA, WS 2012/13), dabei sind ihre umfangreichen Forschungen über Liszt-Schülerinnen ausführlich zur Geltung gekommen. Annkatrin Babbe, Mitarbeiterin und inzwischen Doktorandin des Instituts, hat in diesem Rahmen einen Gastvortrag gehalten über „Clara Schumann und ihre Schülerinnen in England“.

  • Freia Hoffmann (zusammen mit Peter Schleuning): Musik und Musikwissenschaft im Nationalsozialismus (BA, SS 2013), wobei z. B. Lieder des BDM und der HJ auch Gelegenheit zur Diskussion von Genderfragen boten.

  • Volker Timmermann: Professionalisierungsprozesse von Musikerinnen im 19. Jahrhundert (MA, WS 2012/13).

Am 6. Juli haben sich MitarbeiterInnen des Instituts in der Universität an der Feier zu Violeta Dinescus 60. Geburtstag beteiligt und zwar mit der Aufführung ihrer Flammenballade aus dem Jahr 1997. Violeta Dinescu hatte sie, erst kurz zuvor auf die Professur für Angewandte Komposition berufen, zum 60. Geburtstag unseres Kollegen Rudolf zur Lippe angefertigt. Die Anwesenden hatten damals einige Minuten Zeit, sich die Flammenballade klingend vorzustellen – das war sozusagen die stumme Uraufführung. Nun, 16 Jahre später, unterzog sich das Sophie Drinker Institut der Aufgabe, die Grafik erstmals zum Klingen zu bringen, und zwar in einer Improvisation mit Sprechstimme (Annkatrin Babbe), Blockflöte (Elisabeth Champollion), Flöte (Freia Hoffmann), Viola (Volker Timmermann) und Gong (Kadja Grönke).

 

Das eingebaute Ratespiel für die Jubilarin endete wie erwartet: Sie erkannte ihre Komposition nicht wieder, die wir brav mit Blick auf die Notenständer „abgespielt“ hatten. Trotzdem hatten alle, auch das Publikum, großen Spaß dabei. – Aber im Ernst: Das Sophie Drinker Institut verdankt Violeta Dinescu einiges, unter anderem die Vermittlung des kompositorischen Nachlasses von Myriam Marbe, ihrer Lehrerin am Konservatorium in Bukarest.

Am 29. November haben Annkatrin Babbe, Katja Franz und Jannis Wichmann am 3. Gender-Forschungstag des Zentrums für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZFG) über „Instrumentalistinnen im 18. und 19. Jahrhundert. Exemplarische Begegnungen“ referiert.

In den letzten Monaten hat sich auch eine Kooperation mit der Hochschule für Künste in Bremen angebahnt. Kadja Grönke hat dort während eines Forschungssemesters von Michael Zywietz die Lehrstuhlvertretung übernommen und die Gelegenheit genutzt, ihre „Einführung in die Musikwissensschaft“ am 13. Dezember ins Sophie Drinker Institut zu verlegen. Unter der Leitung von Volker Timmermann und Annkatrin Babbe wurde die „Einführung in musikwissenschaftliche Gender-Studies“ praktisch umgesetzt: In vier Gruppen hatten die Erstsemester Gelegenheit, in den Sammlungen des Instituts praktisch Forschung zu betreiben – Themen waren „Stimme“ und „Biographik“.

Am 15. Februar fand eine Sitzung des Beirats statt – wie immer anregend und hilfreich.

Nachlass Emma Grosscurth

Anfang Februar 2013 hat das Sophie Drinker Institut als Leihgabe aus Familienbesitz den Nachlass der Pianistin Emma Grosscurth, verh. Forkel, übernommen. Es handelt sich um mehrere Konvolute von Briefen der Künstlerin, Dokumente aus ihrem Umfeld, einige Fotos und ein Tagebuch mit Lebenserinnerungen.

Emma Grosscurth (1862–1935) verbrachte von 1879 bis Mitte der 1880er Jahre ihre Sommer regelmäßig in Weimar, wo sie an den wöchentlichen Meisterkursen von Franz Liszt teilnahm und dort als „eine der besten Schülerinnen“ (Lachmund, S. 301) galt. Im Unterschied zu den meisten Liszt-Schülerinnen lebte sie ohne familiäre Begleitung in Weimar und berichtete den in Kassel wohnenden Eltern und Geschwistern regelmäßig von ihrem Alltag. Anschaulich ließ sie die Verwandten teilhaben an der Frage nach einer schicklichen Unterkunft, den Schwierigkeiten, im von Lisztianern überlaufenen Weimar ein Leihklavier zu bekommen, an Begegnungen und Bekanntschaften sowie – und das macht diese Briefe zu einer bedeutsamen Quelle – an den Unterrichtsstunden bei Liszt. Ihre Briefe ergänzen und erweitern die Berichte, die Carl Lachmund in seiner Monographie Mein Leben mit Franz Liszt (Eschwege 1970) gibt.

Die Entdeckung des Nachlasses ist einem Zufall zu verdanken, erwies sich jedoch vom ersten Tag an als ein Glücksfall. Denn Wibke Gütay hatte gerade den biographischen Artikel zu Emma Grosscurth für das Instrumentalistinnen-Lexikon abgeschlossen und konnte diesen nun um zentrale Informationen – u. a. über die Schwester der Künstlerin, die Pianistin und Klavierlehrerin Lina Grosscurth – erweitern. Mittlerweile sind die Dokumente digitalisiert und transkribiert und werden derzeit ausgewertet. Im Rahmen des Forschungsprojekts zu „Franz Liszt als Lehrer“ (Kadja Grönke, unter Mitarbeit von Elisabeth Champollion) ist eine Edition geplant.

Veranstaltungen

Am 11. Oktober waren Evelin Förster (Lesung und Gesang) und Matthias Binner (Klavier) aus Berlin bei uns zu Gast. Evelin Förster ist nicht nur eine erfolgreiche Chansonsängerin und Schauspielerin, sondern betreibt auch seit Jahren intensive Forschungen zur Geschichte von Autorinnen und Komponistinnen in der Kabarett-Szene von 1901 bis 1935. Neben der Vorstellung ihres einschlägigen Buches Die Frau im Dunkeln (Berlin 2013) präsentierte sie Chansons und Texte der Schriftstellerinnen Ruth Feiner, Käte von Broich, Marie Madeleine, Käthe von Kongsbak, Emmy Hennings und der Komponistin Eddy Beuth. Spannende Berichte über die schwierige Rekonstruktion der Lebensläufe dieser Frauen ergänzten den musikalischen Vortrag. Wieder hatten wir einen Abend, der nicht nur unterhaltend war, sondern der Musikgeschichte eine wichtige Seite hinzufügte, in dem er Frauen „im Dunkel“ beleuchtete und uns auch mit einem bisher unbekannten Kapitel jüdischer Kulturgeschichte vertraut machte.

Am 23. November sang der Bariton Joscha Zmarzlik Schuberts Winterreise, am Klavier begleitet von Denis Ivanov, und vom 30. November bis 1. Dezember fand im Sophie Drinker Institut ein Meisterkurs „The Liberated Voice“ mit der Sopranistin Rachel Bersier statt. Obwohl beide Veranstaltungen keinen „Gender-Aspekt“ hatten – wir hatten nur unsere Räume zur Verfügung gestellt – , war die Neugier der TeilnehmerInnen immer groß, Näheres auch über die Tätigkeit des Sophie Drinker Instituts zu erfahren. „Gender-Forschung“ ist kein Fremdwort mehr, die meisten unserer Gäste haben Anknüpfungspunkte, fragen nach, kennen Musikerinnen, können unsere Fragestellungen nachvollziehen.

DoktorandInnen

Am 21. September fand, nach längerer Pause, wieder ein Kolloquium statt. Diesmal gab es keine Referate, sondern die kritische Lektüre von vorgelegten Dissertations-Kapiteln. In Zeiten, wo das frei formulierte Referat mit Power-Point-Unterstützung Hochkonjunktur hat, ist es lehrreich und produktiv, auch einmal das geschriebene Wort mit allen notwendigen Formalien kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Volker Timmermann hat im August seine Dissertation mit dem Titel ‚... sie spielt nicht etwa Klavier, nein, die Violine...‘. Geigerinnen um 1800. Eine Spurensuche abgegeben. Anfang 2014 wird die Disputation folgen – alles Gute für die letzte Hürde! 

Neu in die Runde gekommen ist Annkatrin Babbe. Sie wird eine Dissertation anfertigen über den Vergleich der Instrumentalausbildung an den Konservatorien Prag und Wien im 19. Jahrhundert.

Publikationen

Das im letzten Jahresbericht angekündigte Buch Quellentexte zur Geschichte der Instrumentalistin im 19. Jahrhundert, hrsg. von Freia Hoffmann und Volker Timmermann, ist im Juli im Olms Verlag Hildesheim erschienen und hat schon rege Resonanz gefunden. Am 9. Dezember hatten wir Gelegenheit, das Buch in der Hochschulbibliothek der Kunstuniversität Graz vorzustellen. Dem Thema des Buches – „passende“ und „unpassende“ Instrumentenwahl – entsprechend wurden Vortrag und Lesung durch Musikbeiträge ergänzt: Elke Paternusch und Julia Fenninger musizierten zwei Sätze aus dem Grand Duo für zwei Harfen von John Thomas, und Hyazintha Andrej spielte das Capriccio Nr. 8 für Violoncello solo von Joseph Dall’Abaco. Wir bedanken uns herzlich bei den Musikerinnen, bei Robert Schiller, dem Bibliotheksdirektor, Prof. Dr. Ingeborg Harer, dem Zentrum für Genderforschung und bei allen Gästen für diesen anregenden Abend, der mit Sektempfang und Imbiss ausklang. Es war wieder einmal eine Freude, nicht nur die graz-typische Gastfreundschaft zu genießen, sondern auch in vielen Gesprächen zu erleben, wie selbstverständlich und vielfältig dort seit Jahren genderspezifische Themen in Forschung und Lehre ihren Platz haben.

Unsere Arbeit am Instrumentalistinnen-Lexikon lässt immer wieder Themen und Zusammenhänge deutlich werden, die in den einzelnen Artikeln zwar angesprochen werden, die es aber verdienen, in anderen Textformen vertieft zu werden. Zwei solche Beispiele sind im Jahresbericht 2012 schon erwähnt worden: ein Aufsatz über die Kulturgeschichte der Organistin (Christine Fornoff und Freia Hoffmann) und eine Arbeit über den Professionalisierungsweg der Harfen- und Gitarrenspielerinnen im 19. Jahrhundert (Jannis Wichmann und Freia Hoffmann). Als weiteres Querschnitts-Thema haben sich Netzwerke von Musikerinnen herausgebildet. Hierzu wird im kommenden Jahr in der Schriftenreihe des Instituts ein Sammelband erscheinen, an dem sich auch auswärtige AutorInnen, u. a. Katharina Deserno, Raymond Dittrich, Irène Minder-Jeanneret, Monika Tibbe, Karl Traugott Goldbach und Silke Wenzel, beteiligen. HerausgeberInnen sind Annkatrin Babbe und Volker Timmermann. 

Weitere Bände, die in der Schriftenreihe zurzeit für 2014 vorgesehen sind:

  • Annkatrin Babbe: Clara Schumann als Lehrerin am Hoch’schen Konservatorium und ihre SchülerInnen (Arbeitstitel)

  • Volker Timmermann: Geigerinnen um 1800. Eine Spurensuche (Arbeitstitel)

  • Michaela Krucsay: Anna Bon di Venezia und ihre Familie von „Operisten“. Versuch einer soziologisch-kulturhistorischen Annäherung

  • Volker Timmermann: Die Schwestern Milanollo (Arbeitstitel)

Personal

Wibke Gütay hat die Wissenschaft und uns leider vorerst zum 30. April verlassen. Annika Klanke setzt ihr Studium in Berlin fort, wird uns aber aus der Ferne noch aktiv unterstützen. Seit 1. September ist Katja Franz (Universität Oldenburg) an ihrer Stelle als Studentische Hilfskraft bei uns tätig und hat ihre wissenschaftliche Begabung bereits mit zwei Lexikonartikeln über die Pianistin Emma Mettler und die Violoncellistin Margarethe Quidde überzeugend unter Beweis gestellt.

Nach wie vor sind bei uns tätig: Annkatrin Babbe, Elisabeth Champollion, Kadja Grönke, Claudia Schweitzer, Volker Timmermann und Jannis Wichmann. Bei allen möchte ich mich herzlich bedanken – für ihre kompetente Arbeit, für ihre wissenschaftliche Neugier, für viele inhaltliche Anregungen und für ihre gleichbleibend gute Laune.

Danken möchte ich auch den Beiratsmitgliedern Karl-Ernst Went, Prof. Dr. Ute Gerhard, Prof. Dr. Dieter Senghaas, den KollegInnen im Institut für Musik an der Universität Oldenburg, allen externen UnterstützerInnen und vielen Menschen, die unsere Arbeit mit Interesse begleiten.

 

Ihre 

Geschäftsführerin und Leiterin des
Sophie Drinker Instituts
Außer der Schleifmühle 28
28203 Bremen

Tel. 0421/94 90 800
info@sophie-drinker-institut.de