#4GenderStudies: Ein Statement

Am 18.12.2017 findet der Wissenschaftstag Geschlechterforschung statt, dessen Ziel es ist, proaktiv über soziale Medien in die derzeit öffentlich bzw. medial geführte Debatte um die Gender Studies einzugreifen. Mit der Einordnung eines aktuellen eigenen Forschungprojektes in diesen Kontext beteiligt sich das Sophie Drinker Institut an der Debatte.

Seit dem letzten Jahr wird im Sophie Drinker Institut die Geschichte der deutschsprachigen Konservatorien im 19. Jahrhundert erforscht. Damit wurde der Fokus von musikwissenschaftlicher Frauen- und Geschlechterforschung auf breitere Themen kulturwissenschaftlicher Musikgeschichtsschreibung geweitet. Auf welche Weise das ursprüngliche Interesse aber auch im aktuellen Forschungsprojekt zum Tragen kommt, vermittelt der folgende Kommentar.

Wenn wir einen Blick in die Schulorchester und -bands sowie die Klassenzimmer werfen oder auch Studierendenlisten an Musikhochschulen und Konservatorien betrachten, wird deutlich: Musiklernen ist abhängig vom Geschlecht. Empirische Erhebungen belegen, dass Jungen seltener als ihre Mitschülerinnen Geige oder Flöte als ihr Instrument wählen, Mädchen sich hingegen seltener für Blechblasinstrumente oder das Schlagzeug entscheiden.

Die Geschlechterzugehörigkeit beeinflusst die Wahl des Instruments, den Zugang zu entsprechenden Ressourcen und die gesellschaftliche Anerkennung. Rollenbilder erweisen sich dabei als äußerst beständig. Nach wie vor zeigt sich eine geringere Beteiligung von Musikerinnen in Rock und Jazz. Daneben belegen Geigerinnen in einigen Orchestern des deutschsprachigen Raums mittlerweile die Mehrheit der Plätze in der hohen Streichersektion. Hornistinnen und Trompeterinnen sind hingegen noch immer unterrepräsentiert, ebenso Kontrabassistinnen und Percussionistinnen. Wenn auch heutzutage Konzertpianistinnen sowie Instrumentalistinnen im kammermusikalischen Bereich zahlenmäßig mit ihren Kollegen vergleichbar sind, bleibt die gläserne Decke andernorts weiterhin bestehen. Musikerinnen in deutschen A-Orchestern besetzen deutlich seltener als ihre Kollegen die höher entlohnten Funktionsstellen und Dirigentinnen gelangen nur in Ausnahmefällen auf Spitzenpositionen. 

Werfen wir einen Blick ins 19. Jahrhundert, lässt sich die Differenz der Entfaltungsmöglichkeiten von Musiker*innen entlang des Geschlechts historisch zurückverfolgen, wenngleich die Verhältnisse anders gelagert sind. Im Rahmen unserer Arbeit zur Erforschung der Geschichte der deutschsprachigen Konservatorien konnte bereits festgestellt werden, dass der Anteil der Studentinnen an den Konservatorien im Laufe des Jahrhunderts kontinuierlich wächst und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jenen der Studenten vielerorts übersteigt. Die zugleich begrenzte Fächerbelegung - mit deutlichem Schwerpunkt auf den Fächern Gesang und Klavier - legt indes die Beschränkung der institutionellen Professionalisierungsmöglichkeiten offen.

Entlang der Kategorie Geschlecht werden und wurden in der Musikausbildung wie dem Musikleben Räume geschaffen, die für Akteur*innen ungleiche Zugangsmöglichkeiten bereithielten und bereithalten. Nicht zuletzt aus der historiographischen Arbeit lassen sich Erkenntnisse für die heutige Musikpädagogik gewinnen, angefangen bei der Folgerung, dass das Ausblenden von Gender aus der Musikvermittlung Reaktionen auf damit verbundene Probleme verhindert, die die Musikkultur insgesamt betreffen - wie etwa die (weiterhin) bestehenden Ungleichverteilungen in der Orchester- und Bandlandschaft oder unter Konzertbesucher*innen belegen. 

Historische musikwissenschaftliche Frauen- und Geschlechterforschung kann ein Gewinn für gendersensible Didaktik sein. Sie macht Unterschiede sichtbar, deren Wahrnehmung - gerade auch mit Beachtung der historischen Dimension - die Notwendigkeit der Reaktion deutlich und das Handeln selbst, etwa in Form gezielter Förderprogramme, möglich macht. Musikpädagog*innen betonen darüber hinaus den Gewinn durch Dekonstruktion bestehender Genderdifferenzierungen. Eine gendersensible Didaktik in ihrem Sinne regt Schüler*innen zum kritischen Denken an, beachtet unterschiedliche Identitäten und Bedürfnisse und strebt schließlich die Möglichkeit der Erreichung gleicher Lernziele – in Abhängigkeit individueller Voraussetzungen – für alle an. Über die Reflexion der Verknüpfung von Musik und Gender soll den Schüler*innen zudem ermöglicht werden, sich gegen stereotype Rollenerwartungen zu wehren und ihnen schließlich die Möglichkeit zur Annahme sich wandelnder Musiker*innenidentitäten gegeben werden. Was damit erreicht werden kann, ist nichts geringeres eine ausgewogenere Verteilung über die breite Musikkultur - unabhängig von Geschlechtszugehörigkeit. 

AB

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