Eine Calcantin am Hof in Gotha
Prof. Dr. Christian Ahrens hat uns während der Tagung in Michaelstein darauf hingewiesen, dass es um 1800 in der Gothaischen Hofkapelle eine Calcantin gegeben hat, obwohl diese Stelle „bisher nur an Personen männlichen Geschlechts ertheilet worden" (gutachterliche Stellungnahme 10.10.1801). 27 Jahre lang hatte dort Georg Reinhard Dinter einen Aufgabenbereich versehen, zu dem außer dem Bälgetreten für die Orgel auch der Transport von Musikinstrumenten für Proben und Aufführungen, die Heizung des Probenraums und das „An- und Absagen der Musik und Musikproben" (ebd.) gehörte. Als er 1801 starb, bewarb sich seine Tochter Wilhelmine Luisa Dinter darum, diesen Dienst, der mit 30 bis 40 Thalern pro Jahr entlohnt wurde, fortzuführen, „bis sich ein Mann für mich findet, der es werth ist, daß Ew. pp ihm alsdann solchen gnädigst verleihen" (Bewerbungsschreiben).
Es handelte sich also um eine befristete Vertretung, die wir auch bei der Leitung von Gewerben, Zünften und Stadtpfeifereien kennen. (Siehe die Führung einer Stadtpfeiferei in Pforzheim durch Caroline Schleicher.) Wilhelmine Luisa Dinter und ihre Mutter hatten den Vater bereits während dessen Krankheit vertreten, und so wurde die junge Frau amtlich bestellte „Calcantin" des Gothaischen Hofes. Der Bräutigam wurde jedoch alsbald gefunden und übernahm im folgenden Jahr planmäßig die Nachfolge.
Näheres in: Christian Ahrens, „Zu Gotha ist eine gute Kapelle..." Aus dem Innenleben einer thüringischen Hofkapelle des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 2009, S. 106—112.